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Immobilien auf dem Weg zum 1,5-Grad-Ziel

Die Immobilienbranche steht unter großem Druck, ihren CO₂-Fußabdruck zu senken. Das betrifft auch Versorgungswerke, deren Portfolios zu einem großen Teil aus Immobilien bestehen. Die Verwaltungsgesellschaft für Versorgungswerke (VGV) setzt auf die Unterstützung eines Climatechs.

Immobilien auf dem Weg zum 1,5-Grad-Ziel

Immobilien auf dem Weg zum 1,5-Grad-Ziel

Frankfurter Climate Tech Right° misst Temperaturwirkung von Gebäuden – VGV animiert Assetmanager, neue Technologie zu nutzen

Von Thomas List, Frankfurt
tl Frankfurt

Die Immobilienbranche steht unter großem Druck, ihren CO₂-Fußabdruck zu senken. Das betrifft auch Versorgungswerke, deren Portfolios zu einem großen Teil aus Immobilien bestehen. Die Verwaltungsgesellschaft für Versorgungswerke (VGV) setzt dabei auf die Unterstützung eines Climate Techs.

In Deutschland verursacht der Betrieb von Gebäuden etwa 35% des Endenergieverbrauchs und zwischen 30% und 40% der CO2-Emissionen. Laut Klimaschutzgesetz soll der Gebäudesektor seine CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2020 in etwa halbieren. Die Branche steht damit vor einer gewaltigen Aufgabe, der sich auch institutionelle Investoren wie Versorgungswerke stellen.

In den Portfolien der von der VGV Verwaltungsgesellschaft für Versorgungswerke betreuten Versorgungswerke entfallen derzeit rund 30% der Investments auf Immobilien – von Büros über Logistik- bis zu Einzelhandelsimmobilien und Hotels. Insgesamt betreut die VGV, an der acht Versorgungswerke beteiligt sind, derzeit ein Kapitalanlagevolumen von ca. 16 Mrd. Euro. Für Martina Nitschke, bei der VGV für die Steuerung der Gesamtkapitalanlagen zuständig, ist ESG ein wichtiges Thema.

„Die Versorgungswerke sind vom Thema Nachhaltigkeit überzeugt und haben sich sukzessive entsprechende Grundsätze gegeben, auch um zu verhindern, sich in einigen Jahren mit Stranded Assets auseinandersetzen zu müssen“, sagte sie im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Nitschke betont: „Für uns muss Liquidität, Rentabilität und Sicherheit im Hinblick auf den Versorgungsauftrag im Zentrum des Handelns stehen – auch wenn ESG gekommen ist, um zu bleiben.“

Für uns muss Liquidität, Rentabilität und Sicherheit im Hinblick auf den Versorgungsauftrag im Zentrum des Handelns stehen.

Martina Nitschke, VGV

Die Managerin empfiehlt den Versorgungswerken Maßnahmen, mit deren Umsetzung der verwaltete Immobilienbestand zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens beiträgt. Dazu braucht es Grundlagen. „Wir sind gerade dabei, die Energie-, Emissions- und Verbrauchsdaten unserer direkten und indirekten Bestände zu erheben.“ Die Daten gehen dann an die Assetmanager, die damit den energetischen Ist-Zustand der Objekte errechnen und daraus abgeleitet mögliche Sanierungsmaßnahmen vorschlagen sollen.

VGV setzt auf Climate Tech Right°

Auf diesem Weg setzt Nitschke auf die Unterstützung des Frankfurter Climate Techs Right°. Das 2016 gegründete Softwareunternehmen errechnet mit Hilfe des von ihm kreierten Modells „X-Degree Compatibility (XDC)“ die Klimawirkung eines Unternehmens, einer Immobilie, eines Finanzportfolios oder einer Staatsanleihe ausgedrückt in Grad Celsius. „Wir können auf Basis von ein paar Daten, die uns der Eigentümer zur Verfügung stellen muss, berechnen: Wenn die Welt dieselbe Klimaperformance hätte wie diese Immobilie, dann würde sie sich um x Grad bis zum Ende des Jahrhunderts erwärmen“, sagt Hannah Helmke – Mitgründerin und Geschäftsführerin von Right°. Dieser Wert dient dann als Grundlage für die Analyse von Dekarbonisierungsstrategien, mit deren Hilfe das Objekt bzw. Portfolio 1,5-Grad-konform gemacht werden kann. Helmke betont, dass es um den kumulierten Energieverbrauch über die Zeit geht. „Der Energieverbrauch muss so reduziert werden, dass er zum Emissionsbudget, das für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels noch vorhanden ist, passt.“

Wir arbeiten mit Fachleuten aus dem Energie- und dem technischen Gebäudebereich zusammen, die Net-Zero-Fahrpläne aufstellen.

Hannah Helmke, Right°

Bisher setzen allerdings noch nicht alle Assetmanager, die für die Versorgungswerke zum Einsatz kommen, die Right°-Software ein. „Wir versuchen Assetmanager zu überzeugen, mit der Software zu arbeiten“, sagt Nitschke. „Inzwischen nutzen rund 80% die Software.“ Sie hofft, dass bis zum dritten Quartal 2023 alle Ergebnisse vorliegen. Die verschiedenen Dekarbonisierungsszenarien werden auch monetär bewertet. Bei den konkreten Sanierungsmaßnahmen für die einzelnen Gebäude setzt Right° auf Netzwerkpartner. „Wir arbeiten mit Fachleuten aus dem Energie- und dem technischen Gebäudebereich zusammen, die Net-Zero-Fahrpläne aufstellen“, sagt Helmke. „Die geben wir dann in unsere Software ein, um zu sehen, auf welche Gradzahl die dann kommen.“

ESG hat Budget-Konkurrenz

Mit Hilfe der Software lässt sich bestimmen, ob mit den Plänen das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden kann. Außerdem geht es um die ökonomisch optimale Reihenfolge der Maßnahmen. Letztlich muss der Eigentümer entscheiden, welches Budget er dem Assetmanager für die Umsetzung der ESG-Strategie zur Verfügung stellen will. Dabei stehen ESG-Maßnahmen immer in Konkurrenz zu anderen Maßnahmen, die ebenfalls im Budget abgebildet werden müssen – wie Mieterausbauten, laufende Bewirtschaftungsthemen oder auch Fremdkapital-Nachfinanzierungen. Eine gute Dekarbonisierungsstrategie sollte wirksam, aber auch überzeugend für alle Stakeholder sein – nicht zuletzt für den Regulator, der solche Strategien verlangt und sie auch prüft.