In guter Position für anstehende Herausforderungen

Zugangswege zur Sparkasse und Services neu ausbalancieren - Reform der Bankenregulierung erforderlich

In guter Position für anstehende Herausforderungen

Unter einer Herausforderung versteht man üblicherweise eine Aufgabe, die mehr Anstrengungen erfordert als üblich. Für die Sparkassen-Finanzgruppe gibt es derzeit gleich mehrere solcher besonderen Aufgaben. Die drei größten Herausforderungen sind der Umgang mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die weiteren Auswirkungen der Bankenregulierung und das große Feld der Entwicklungen im Rahmen der Digitalisierung. Kein Kreditinstitut in der Eurozone kann sich derzeit diesen Fragestellungen entziehen. Aber die Voraussetzungen und die jeweilige Betroffenheit sind in den einzelnen Ländern und – abhängig von den jeweiligen Geschäftsmodellen – bei den Akteuren unterschiedlich. In der Region verankertDie deutschen Sparkassen sind aufgrund ihrer breiten Verankerung im Markt, ihrer großen Kundenzahl und des überaus stabilen Geschäftsmodells in einer sehr guten Ausgangslage, die bestehenden Herausforderungen besser als viele andere zu meistern. Sie sind Marktführer in der größten Volkswirtschaft Europas, mit insgesamt rund 50 Millionen Kunden. Die 394 Sparkassen sind fest in ihrer jeweiligen Region verankert und halten durch die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen und Privatpersonen regionale Wirtschaftskreisläufe in Gang. Die Kunden der Sparkassen schätzen die Nähe und Kompetenz ihrer Hausbank und von deren Mitarbeitern vor Ort. Nähe und VertrauenDer persönliche Berater der Sparkasse ist zudem fest in die örtliche Gemeinschaft eingebunden. Man begegnet ihm auch beim Bäcker oder in den jeweiligen Vereinen – das schafft Nähe und gegenseitiges Vertrauen. Sparkassen haben außerdem den Vorteil der geschäftspolitischen Eigenständigkeit. Vereint unter einer Marke und einer gemeinsamen Geschäftsphilosophie können sie so in den jeweils unterschiedlichen regionalen Märkten passende, wettbewerbsfähige Produkte für die unterschiedlichen Kundengruppen anbieten. Dabei ist es ein entscheidender Erfolgsfaktor, dass Sparkassen niemanden ausgrenzen und für alle Teile der Bevölkerung da sind.Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) erkennt die Vorteile der guten Marktkenntnis der deutschen Sparkassen an. Bei der jüngsten Tagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank hat er die Fähigkeit der deutschen Sparkassen, mit ihrem Wissen kompetente Kreditentscheidungen speziell in schwierigen Zeiten treffen zu können, zu Recht besonders herausgestellt.Die größte Herausforderung für die Sparkassen stellt derzeit unzweifelhaft die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dar. Sie ist ein zweischneidiges Schwert. Unbestritten ist, dass die EZB durch ihre extrem expansive Geldpolitik den einzelnen Volkswirtschaften in Europa Zeit gekauft hat, um die gravierenden Folgen der Finanzmarktkrise durch entsprechende Strukturreformen abzufedern und die Wettbewerbsfähigkeit insgesamt Schritt für Schritt wieder zu erhöhen. Die Staats- und Regierungschefs in Europa bleiben aufgefordert, diese Zeit zu nutzen.Eine stärkere Erholungs- und Beschäftigungsdynamik in den Südländern des Euroraums lässt sich nur durch eine wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik und vor allem dringend nötige beherzte Strukturreformen erreichen. Hier schadet die vorherrschende Geldpolitik mittlerweile sogar, weil sie den anderen Politikfeldern immer wieder Zeit kauft und den Entscheidungsdruck reduziert. Sie nimmt die Anreize für entschlossenes Handeln.Gleichzeitig richtet die Negativzinspolitik der Notenbank immer größere Kollateralschäden an. Auf die erheblichen Verteilungswirkungen, die Probleme für Sparer, die Konsequenzen bezogen auf die Altersvorsorge, die betrieblichen Rentenzusagen für Millionen von Betroffenen, für Stiftungen und für große Teile zum Beispiel der deutschen Finanzdienstleister – Lebensversicherungen, Bausparkassen, Teile der Kreditwirtschaft – hat der DSGV schon des Öfteren hingewiesen. Hauptsorge für die eigene Vermögensbildung ist bei 60 % der Bundesbürger die Zinspolitik der EZB. Das hat unser jüngstes Vermögensbarometer mit einer repräsentativen Umfrage unter den Deutschen klar herausgearbeitet. Ein dauerhaftes “Weiter so” ist daher nicht der richtige Weg. Negative Zinsen ersparenDie Sparkassen stemmen sich mit aller Macht dagegen, um die Breite der Sparerinnen und Sparer vor negativen Zinsen zu bewahren. Das kostet die Sparkassen in Deutschland bislang pro Jahr einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Zu Recht mehren sich die Stimmen, die ein frühstmögliches Umsteuern der Europäischen Zentralbank für angebracht halten. Dies im Übrigen auch vor dem Hintergrund des Vorgehens der US-Notenbank Fed, die für dieses Jahr noch zwei weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt hat.Und auch die Entwicklung der Inflation sowie der wirtschaftlichen Rahmendaten im Euroraum rechtfertigt Signale der EZB, ein Ende der unkonventionellen Geldpolitik zumindest ernsthaft ins Auge zu fassen. Das betrifft natürlich auch das insbesondere in Deutschland umstrittene Anleihekaufprogramm. Inzwischen ist bei den Aufkäufen von Staatsanleihen der Europäischen Zentralbank die unglaubliche Schwelle von 1,5 Bill. Euro erreicht. Diese Eingriffe in die Märkte dürfen nicht zum Dauerzustand werden. Übers Ziel hinausgeschossenDie Bankenregulierung in Europa ist die zweite große Herausforderung, die uns derzeit intensiv beschäftigt. Volkswirtschaften haben mit Recht ein Interesse an gut funktionierenden und stabilen Kreditinstituten und Finanzmärkten. Eine Verschärfung der Bankenregulierung nach der Finanzmarktkrise war daher absolut nachvollziehbar. Anders als in den USA, wo man internationale Regulierungsstandards zu Recht nur für die großen, international tätigen Kreditinstitute eingeführt hat, hat Europa ein Regelwerk nach der Methode “one size fits all” für alle Kreditinstitute erarbeitet. Undifferenziert ist man über das Ziel hinausgeschossen.Wir machen uns daher für eine Reform der Bankenregulierung stark. Regulierung sollte sich stärker als bisher am tatsächlichen Risiko, der Größe und dem Geschäftsmodell von Kreditinstituten ausrichten. Die Trennlinie sollte zwischen global und anderweitig systemrelevanten Instituten auf der einen Seite und allen übrigen Geldhäusern auf der anderen Seite verlaufen. Das ist bewusst keine reine Größenabgrenzung. Sie orientiert sich zusätzlich am Risikoprofil und am Geschäftsmodell. Außerdem wird sie von der Aufsicht bereits praktiziert und ist somit für jeden nachvollziehbar.Kreditinstitute unterhalb dieser Grenze sollten Erleichterungen beziehungsweise Befreiungen bei den Großbankenstandards, der Offenlegung, der Vergütung, der Ausschussbildung, der Eignung von Mandatsträgern, der Sanierungs- und Abwicklungsplanung und dem Melde-wesen erfahren. Unseren Maßnahmenkatalog diskutieren wir sowohl mit der Aufsicht als auch mit der Politik auf nationaler und europäischer Ebene. Wir wünschen uns, dass der Gesetzgeber so zügig wie möglich tätig wird, denn die Belastungen, die durch unproportionale Regulierung in den Häusern entstehen, sind beträchtlich. Mittelfristig ist sogar ein Verlust von Kreditvergabefähigkeit und damit der Widerstandsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft zu befürchten. Bevorzugter Partner seinUnabhängig davon gilt weiterhin unser Anspruch im Markt: Wir wollen vor Ort und im Netz gleichermaßen der bevorzugte Finanzpartner der Deutschen sein. Dazu müssen wir die Zugangswege zur Sparkasse und unsere Services neu ausbalancieren. Die Geschäftsstelle ist künftig noch stärker als bisher der Ort qualifizierter Beratung – und dies deutschlandweit und flächendeckend. Parallel dazu werden Services und Transaktionen mehr und mehr ins Netz verlagert. Neue digitale Angebote werden zunehmen. Die Internetfiliale und die SparkassenApp sind hier unsere wichtigsten Andockstellen für alle Leistungen. Wir haben darüber heute rund 2 Milliarden Kundenkontakte jährlich, davon über 800 Millionen allein über die App.Mit “kwitt” haben wir ein Handy-zu-Handy-Bezahlverfahren auf den Markt gebracht, das schon nach wenigen Tagen 250 000 registrierte Nutzer hatte. Mittlerweile sind es 360 000 Kunden, die sich Beträge bis 30 Euro ganz einfach ohne TAN zuschicken können. Mit dem S-Hub der Finanz Informatik verfügt die Sparkassen-Finanzgruppe mittlerweile über einen digitalen Thinktank, der gemeinsam mit Fintechs Ideen identifizieren und die Fähigkeit zur Marktreife überprüfen kann. Und wir werden in einer Tochtergesellschaft der Gruppe eine Einheit etablieren, die Innovationen der Gruppe koordiniert und sparkassenübergreifend gemeinsame Entwicklungen und Markttests sicherstellt. Insofern sehe ich die Sparkassen in einer guten Position, um die Herausforderungen der Zeit anzugehen und ihre Marktführerschaft zu verteidigen.—Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV)