Instabile Währung
Die Finanzmarktaufseher, die Zentralbanken und erst Recht die Politik sind nicht nur in den USA ziemlich aus dem Häuschen. Denn der Internetkonzern Facebook will im nächsten Jahr mit der Digitalmünze Libra eine eigene Kryptowährung einführen, oder jedenfalls so etwas Ähnliches. Das hat das soziale Netzwerk vor etwas mehr als einem Monat angekündigt und vielerorts Alarm ausgelöst. Denn mit Libra könnte Facebook nach Einschätzung von Kritikern nicht nur die Sicherheit der Finanzdaten ihrer Nutzer kompromittieren, sondern auch die Souveränität von Staaten, Notenbanken und ihrer Geldpolitik sowie die Finanzmarktstabilität gefährden.”Wir haben nur eine reale Währung in den Vereinigten Staaten”, ließ US-Präsident Donald Trump zu Beginn der abgelaufenen Woche über die sozialen Medien wissen. “Viele Akteure haben versucht, Kryptowährungen zu nutzen, um böses Verhalten zu finanzieren. Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit”, warnte US-Finanzminister Steven Mnuchin kurz vor dem Treffen der Finanzminister der G7 im Schloss Chantilly. “Die Größe von Facebook bedeutet, dass Libra unmittelbar systemrelevant sein könnte”, hatte US-Notenbankchef Jerome Powell bereits zuvor gemahnt. Bei einer Anhörung vor dem US-Kongress schlug Facebook in den vergangenen Tagen ebenfalls parteiübergreifende Skepsis entgegen. Und auch beim Treffen im Schloss Chantilly war man sich schnell einig, dass es gegenüber Libra schwerwiegende Bedenken gibt. “Der Euro ist und bleibt das einzige gesetzliche Zahlungsmittel im Euroraum”, versicherte Finanzminister Olaf Scholz.Nun ist es so, dass Facebook mit Libra weder den Dollar noch den Euro ablösen will. Vielmehr soll der Wert der Digitalmünze an einen Währungskorb gekoppelt sein, in dem die beiden Leitwährungen eine gewichtige Rolle spielen, um Libra Stabilität zu verleihen. Wer die Facebook-Währung erwerben will, kann sich anders als für Bitcoin auch nicht in eine Reihe von Blockchain-Schürfern stellen und mit großem Rechenaufwand Kryptowährung schöpfen, sondern muss Fiatgeld an das Libra-Konsortium überweisen, das durch Zentralbanken ausgegeben wird. Diese Sicherheiten werden nach den bisher bekannten Plänen unter anderem in kurzfristigen Staatsanleihen angelegt. Die Digitalmünze selbst soll vor allem für internationale Geldtransfers unter mehr als 2,4 Milliarden Nutzern von Facebook und ihren diversen Apps zum Einsatz kommen. Beobachter beschreiben Libra auch als börsengehandelten Indexfonds (ETF), dessen tokenisierte Anteile zum Werttransfer eingesetzt werden. Die Gewinne dieses “ETF” bleiben gegebenenfalls übrigens beim Libra-Konsortium hängen.Das Volumen dieses ETF könnte schnell auf mehr als 2 Bill. Dollar wachsen, wenn sich allein die Facebook-Nutzer in der westlichen Hemisphäre entscheiden, ein Zehntel ihrer Sichtguthaben bei Banken in Libra zu tauschen. Das Konsortium hinter der Digitalmünze würde zu einem der größten Investoren auf den Anleihemärkten mit entsprechendem Einfluss aufsteigen. Und von Geldwäsche sowie Terrorismusfinanzierung einmal abgesehen, die nicht erst mit Libra zum Problem würden: Wie sieht es eigentlich mit Kapitalverkehrskontrollen aus, wenn ein Bank Run via Facebook-App möglich ist? Libra könnte sich nach Einschätzung von Experten in einer Krise schnell als Fluchtwährung etablieren.Facebook muss auf solche Fragen Antworten finden, bevor Libra eingeführt wird. Das ist im Interesse des Konzerns, der nach einer Reihe von Skandalen rund um die Nutzung von persönlichen Daten auch ohne Kryptowährung im Fadenkreuz der öffentlichen Kritik steht. Die fast beleidigt wirkende Empörung von einigen Vertretern in öffentlichen Ämtern über die geplante Stablecoin scheint deshalb auch mit der Hoffnung auf eine andere Währung verbunden zu sein: politisches Kleingeld. Mit Aufgeregtheit allein wird allerdings nicht zu klären sein, wer künftig für die Regulierung von Libra und ähnlichen Münzen zuständig ist und wie die Aufsicht konkret aussehen soll.Die US-Finanzmarktaufsicht SEC kann nach Einschätzung von Facebook schon einmal nicht mitreden, da Libra “für Stabilität gemacht” sei, wie David Marcus, der bei Facebook für das Projekt zuständig ist, vor dem US-Kongress beteuerte. Das Vertrauen darauf dürfte unter Aufsehern wenig stabil sein. Facebook sollte laut Gründer CEO Mark Zuckerberg ja eigentlich auch nur dazu da sein, “sinnvolle Interaktionen zwischen Menschen zu fördern”.——Von Stefan ParaviciniDer Internetkonzern Facebook plant mit Libra eine eigene Digitalmünze, und alle geraten aus dem Häuschen. Vertrauen ist halt auch eine Währung. ——