Kapitalerhalt ist das Gebot der Stunde

Mit regelbasierten Strategien zum Erfolg

Kapitalerhalt ist das Gebot der Stunde

Ulrich ZornPartner bei der CSR BeratungsgesellschaftDie wichtigste Anforderung an das Vermögensmanagement bestand in den vergangenen Jahren vor allem darin, rentierliche Alternativen im Niedrigzinsumfeld zu finden. Davon haben insbesondere Aktien profitiert: Dax und Dow Jones konnten laufend neue Höchststände vermelden. Angesichts positiver konjunktureller Rahmendaten, vor allem in Deutschland, und infolgedessen steigender Gewinne, erschienen die Bewertungen nach allgemeiner Auffassung gerechtfertigt, das Risiko damit beherrschbar. Der weitere Ausblick ist allerdings nicht mehr ganz ungetrübt: In der aktuellen Fondsmanagerumfrage von Bank of America Merrill Lynch ging Anfang August nur noch rund ein Drittel der befragten Fondsmanager von weiter steigenden Unternehmensgewinnen aus. Viele positive makroökonomische Entwicklungen, wie z.B. die Stabilisierung der Eurozone, sind mittlerweile eingepreist, das weitere Kurspotenzial ist damit begrenzt. 46 % der Umfrageteilnehmer der Merrill-Lynch-Umfrage halten Aktien derzeit für überbewertet, das ist einer der höchsten Werte, seit die Umfrage um die Jahrtausendwende erstmals durchgeführt wurde. Gleichzeitig zeichnet sich ein Ende der Niedrigzinspolitik ab. Die Fed befindet sich bereits auf dem Weg der Zinserhöhungen, bei der EZB ist ein Ende des Anleihekaufprogramms absehbar. Ein wesentlicher Treiber des bisherigen Bullenmarktes könnte somit perspektivisch wegfallen. Entsprechend nimmt die Nervosität der Marktteilnehmer zu, auch weil im Falle von Zinserhöhungen nicht nur Aktien, sondern auch Anleihen unter Druck geraten könnten.In diesem Szenario drohen Kurseinbrüche, die die Anlageerfolge der vergangenen Jahre gefährden können. Für vermögende Kunden kann es jetzt sinnvoll sein, die Anlagestrategie neu auszurichten und entsprechende Anlageziele zu definieren. Häufig geht es dieser Kundengruppe darum, das erarbeitete Vermögen auch für folgende Generationen zu sichern. Damit wird der Erhalt des Kapitals wichtiger als weiteres Kapitalwachstum. Studien bestätigen diese Tendenz. In der Family-Office-Studie 2017 des Bayerischen Finanz Zentrums steht der Kapitalerhalt für rund 42 % der befragten Family Offices bei den Anlagezielen an erster Stelle.Zur Umsetzung von Strategien, die auf Kapitalerhalt ausgerichtet sind, gibt es unterschiedliche Ansätze. So können bestehende Positionen zum Beispiel mit Hilfe von Optionen abgesichert werden. Allerdings hat dieser Ansatz auch Nachteile. Vor allem in volatilen Märkten können solche Absicherungen wertvolle Performancepunkte kosten, wenn häufige Richtungswechsel eine Positionierung erschweren. Hinzu kommt: Die Strategie erfordert eine Marktmeinung. Zwar gehört es nach landläufiger Auffassung zu den Kernaufgaben eines Vermögensverwalters, sich eine Marktmeinung zu bilden und sie entsprechend in einer Anlagestrategie umzusetzen. Richtig ist aber auch: Prognosen über erwartete Marktereignisse, ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und ihre Dauer sind immer mit einem Maß an Unsicherheit und damit mit Risiko behaftet. Für diskretionär agierende Fondsmanager und Vermögensverwalter ein Dilemma. Einen ganz anderen Weg schlagen Investmentansätze ein, die konsequent auf Markteinschätzungen verzichten und stattdessen regelbasiert antizyklisch agieren. Sie schalten das Prognoserisiko aus und beziehen ihre Handlungsimpulse stattdessen aus den Bewegungen des jeweiligen Marktes bzw. der jeweiligen Anlageklasse. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie gegenläufig zur Marktbewegung agieren: Bewegen sich zum Beispiel die Aktienmärkte nach unten, werden nach einem festen Schema Aktienpositionen aufgebaut. Steigen die Anleiherenditen, wird die Duration verlängert. Der Grundgedanke ist nicht neu: Die Deutsche Bundesbank hat jahrzehntelang einen ähnlichen Ansatz zu Marktpflege genutzt und auf diese Weise Gewinne erzielt. Die Strategie baut auf den sogenannten Mean-Reversion-Effekt auf. Dahinter steckt, vereinfacht ausgedrückt, die Überzeugung, dass Märkte kurzfristig zu Übertreibungen neigen, aber mittelfristig immer um ihren Mittelwert schwanken. Dieser Effekt lässt sich nutzen. Bei sinkenden Kursen werden bei gleichem Mitteleinsatz größere Wertpapierpositionen aufgebaut. Wenn die Märkte dann zu ihrem Mittelwert zurückkehren, ergibt sich ein entsprechender Effekt auf die Wertentwicklung. Wichtiges Element einer regelbasierten Strategie ist der Rahmen, in dem sie umgesetzt wird. Am Anfang stehen die Auswahl der gewünschten Anlageklasse sowie die Festlegung der jeweiligen Investitionsquote. Für die ausgewählten Anlageklassen werden dann sogenannte Jahreskanäle gebildet. Sie enthalten die gängigen Jahresprognosen für die Anlageklasse (z. B. von IWF, Bundesbank, Sachverständigenrat oder Bankenresearch) unter Berücksichtigung historischer Volatilitäten. Auf diese Weise entstehen Bandbreiten mit festen Ober- und Untergrenzen. Innerhalb dieser Bandbreiten werden die Kursschwellen definiert, an denen ge- oder verkauft wird. Entsprechend dem antizyklischen Ansatz sollte an der unteren Grenze des Jahreskanals die maximale Investitionsquote erreicht sein, umgekehrt wird an der Obergrenze der Investitionsgrad der Anlageklasse auf seinem Minimum sein. Durch die Festlegung von Ober- und Untergrenzen bei den Jahreskanälen wird zugleich der Aufbau ex­tremer Positionen bei einem kurzfristigen Überschießen des Marktes verhindert. Bewegen sich die Kurse außerhalb der Bandbreiten, verhält sich die Strategie neutral, d. h., es wird nicht gehandelt, bis die Kurse wieder den Jahreskanal erreicht haben. Ganz ohne Prognosen kommt also auch eine regelbasierte Strategie nicht aus, allerdings liefern diese keine Handlungsimpulse. Damit sind regelbasierte Strategien deutlich transparenter und ihre Bewegungen leichter nachzuvollziehen. In der Praxis hat der antizyklische Ansatz bewiesen, dass sich mit ihm Volatilitäten sowohl auf der Aktien- als auch auf der Rentenseite mittelfristig glätten lassen. Das Ergebnis sind eine deutlich verbesserte Risikokontrolle und eine Stabilisierung der Wertentwicklung. Aktuell mag es für eine deutliche Risk-off-Positionierung noch zu früh sein. Aber mit zunehmender Dauer der aktuellen Bullenmärkte an den Börsen wächst das Bedürfnis nach Risikokontrolle, suchen Investoren Sicherheit durch Diversifikation hin zu risikoarmen Anlageklassen. Die Finanzkrise hat allerdings gezeigt, dass Anlageklassen wie Aktien und Renten unter Umständen stark korrelieren können. Eine Diversifikation, die nur auf unterschiedlichen Anlageklassen aufbaut, hat deshalb Grenzen. Eine mögliche Ergänzung ist die Einbindung unterschiedlicher Investmentstile. Die beschriebene antizyklisch-regelbasierte Strategie agiert unabhängig von Prognosen und zeigt ein anderes Anlageverhalten als klassische diskretionäre Strategien. So lassen sich Risiken im Portfolio senken, um das Vermögen zu erhalten.