Kein Grund zum Feiern
An der Börse in Mailand herrschte Anfang Juli Feierlaune. Vor allem Bankenwerte legten zu. Grund dafür waren der Verzicht auf die Einleitung eines EU-Defizitverfahrens gegen Italien und die Entscheidung, Christine Lagarde zur neuen EZB-Präsidentin zu ernennen. Damit ist aus italienischer Sicht sichergestellt, dass der weiche geldpolitische Kurs von Amtsinhaber Mario Draghi fortgesetzt wird.Die Banken profitierten vom Rückgang des Zinsabstands zwischen deutschen und italienischen Zehn-Jahres-Staatsanleihen (Spread), der erstmals seit Mai 2018 unter 200 Basispunkte sank. Damit verbessert sich die Kapitalquote der Institute, die fast 400 Mrd. Euro Staatsbonds in ihren Bilanzen stehen haben, spürbar. Es kommt hinzu: Bis Ende 2020 müssen die Banken auslaufende Bonds im Umfang von 250 Mrd. Euro erneuern. Bliebe der Spread auf diesem Niveau oder sänke er weiter, würden die Fundingkosten deutlich sinken. Die Banken, von denen einige zuletzt nur schwer Zugang zum Kapitalmarkt hatten, könnten sich leichter refinanzieren. Kaum zu glauben, dass vor wenigen Wochen viele Beobachter eine Kreditklemme befürchtet haben.Alles gut also? Nein. Zum Jubeln besteht kein Anlass. Die Rahmenbedingungen in Italien bleiben schlecht. Die Verschuldung ist mit mehr als 132 % vom Bruttoinlandsprodukt sehr hoch und könnte weiter steigen. Die Regierungspartner sind im Dauerstreit, Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen. Neue Auseinandersetzungen mit der EU um den Haushalt 2020 sind wahrscheinlich. Und die Wirtschaft stagniert.Immerhin haben die Institute Fortschritte gemacht und ihre Bestände an faulen Krediten allein in den vergangenen zwölf Monaten um weitere 36 % reduziert. Sie weisen überwiegend hohe Eigenkapitalquoten aus, haben ihre Kosten gesenkt, indem sie Mitarbeiter abgebaut und Geschäftsstellen geschlossen haben und haben teilweise hohe Gewinne vermeldet.Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Während Unicredit, Intesa Sanpaolo oder die Investmentbank Mediobanca zu den ertragsstärksten Banken Europas gehören, sind viele kleinere Institute instabil, ertrags- und kapitalschwach, sitzen auf zu hohen Kosten und zu vielen faulen Krediten. Sie könnten Probleme bekommen. Italiens Bankenverband Abi erwartet eine große Konsolidierungswelle bei Volks- und Genossenschaftsbanken. Und Lorenzo Bini Smaghi, Chairman der Société Générale sowie Ex-Direktoriumsmitglied der EZB, rechnet mit der Bildung von zwei weiteren Großbanken. Kandidaten für Fusionen sind Ubi Banca, Bper oder BPM. Letztere hat beim Stresstest im vorigen Jahr schlecht abgeschnitten.Regelrechte Sprengkraft haben einige Krisenbanken, allen voran die Genueser Carige. Die von der EZB eingesetzten Zwangsverwalter versuchen seit Monaten, einen privaten Investor zu finden. Im Gespräch sind nun der Einstieg des Einlagensicherungsfonds Fitd der Privatbanken und des Staates.Potenzielle Interessenten warten darauf, dass die Bank liquidiert wird, um dann zu attraktiven Bedingungen zugreifen zu können. So war es 2017 bei zwei venezianischen Volksbanken, die sich Intesa Sanpaolo gesichert hat. Damals wurden die schlechten Risiken der Institute an eine staatliche Bad Bank übertragen und die Banken zum Nulltarif verscherbelt. Intesa Sanpaolo erhielt auch 4,6 Mrd. Euro vom Staat.Kann sich Italien eine neue Bankenrettung erlauben? Finanziell schon, obwohl der Kapitalbedarf bei Carige ständig steigt. Manche sprechen von einem Fass ohne Boden. Eine Rettung durch den Einlagensicherungsfonds mit unabsehbaren Kosten würde aber das Misstrauen in Deutschland gegen die Einrichtung einer europäischen Einlagensicherung bestätigen und den Widerstand dagegen vergrößern.Außerdem ist Carige nicht die einzige Baustelle. Die Monte dei Paschi di Siena (MPS), die 2017 mit 5,4 Mrd. Euro vom Staat gerettet wurde, der seither mit 68 % an dem Institut beteiligt ist, muss eigentlich privatisiert werden. Das hat Rom seinerzeit mit der EU-Kommission so ausgehandelt. Doch dass es dazu kommt, glaubt niemand in Italien. Ein weiteres Problem schlummert schließlich bei der Volksbank von Bari, die extrem kapitalschwach ist und hohe Verluste ausweist. Die Konsolidierung der süditalienischen Bankenlandschaft, die Rom mit 500 Mill. Euro fördern will, wird nicht ausreichen, um die Probleme zu lösen.Der Feierstimmung könnte schon bald Katerlaune folgen. ——Von Gerhard BläskeViele kleinere Institute sind instabil, ertrags- und kapitalschwach, sitzen auf zu hohen Kosten und zu vielen faulen Krediten.——