IM INTERVIEW: THOMAS PFAFF

"Keine falsche Scheu vor der Digitalisierung"

Der Chef des S-Broker will das Online-Wertpapiergeschäft stärker mit der Sparkassen-IT sowie dem Filialgeschäft verzahnen - Teil der großen Online-Offensive

"Keine falsche Scheu vor der Digitalisierung"

Die Sparkassen-Gruppe hat 2013 zum Jahr der Online-Offensive ausgerufen – und der S-Broker ist dabei mittendrin als Dienstleister für die Institute vor Ort. Forciert wird nun die Einbindung des Brokerage in die zentrale Finanzinformatik.- Herr Pfaff, beim Thema Wertpapierberatung knirscht es ein wenig. Betrifft das den S-Broker direkt oder nur indirekt?Aus dem Marktumfeld der Sparkassen wird klar ersichtlich, dass hier ein dringender Handlungsbedarf herrscht. Wir haben ja im Brokerage zwei Kerngeschäftsfelder: unser Direkt Depot-Geschäft für onlineaffine Selbstentscheider und unser S-ComfortDepot. Hier führen wir das Depotgeschäft von 33 Sparkassen und sehen so die Sorgen und Nöte der Institute vor Ort. Denen setzt die Regulierung in diesem Bereich ganz schön zu – die Berater sind verunsichert und die Privatanleger sind verwirrt. Die Regulierung greift immer stärker in die Praxis vor Ort ein, erwähnt sei hier zum Beispiel das Beratungsprotokoll. Diese Überregulierung ist schädlich für das Wertpapiergeschäft insgesamt. Es hat sich durch die Auflagen zur Dokumentation eine ungeheure Komplexität ergeben.- Was kann der S-Broker denn beitragen, um die Wertpapierberatung zu vereinfachen?Für unsere Partner-Sparkassen übernehmen wir die administrative Technik inklusive Wertpapierabwicklung und bieten darüber hinaus eine Vertriebsunterstützung sowie weitere Servicepakete an. So können diese sich komplett auf die Beratung konzentrieren. Das sehen wir als Paradedisziplin für den Multikanalansatz an. Denn das Zielbild ist ja, dass sich die Sparkasse auf ihr eigentliches Kerngeschäft der Beratung konzentrieren kann. Der Broker bietet dabei Komfort über technische Funktionalität sowie Vertriebs- und Marketingunterstützung. Das setzt aber voraus, dass wir unsere gemeinsamen Prozessstrukturen in der Finanzinformatik der Gruppe weiter verzahnen müssen. Beim Sparkassen-Broker selbst findet keine Beratung statt, das ist eine klare Abgrenzung im Geschäftsmodell zu den Sparkassen.- Wie passt der S-Broker in die forcierte Online-Strategie der Sparkassen?Wir passen da sehr gut rein, denn wir sind ein Online-Dienstleister. Beim Thema Digitalisierung unterstützten wir die Forderung von Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon daher voll und ganz, die Kundenbeziehung im Netz auf eine neue Ebene zu stellen. Da darf keine falsche Scheu aufkommen, denn es gibt gute Möglichkeiten, das stationäre Angebot mit medialen Inhalten zu verbinden. Und wir sind ein Internet-Nukleus, der seine Fähigkeiten dafür einbringen kann – denn unser Zugangskanal ist das Internet. Außerdem kennen wir die Interaktion mit dem Kunden über Social Media und sind aktiv im Mobile Brokerage über unsere Trading-App. Dieses Know-how wollen wir als Verbundpartner in Zukunft viel stärker einbringen.- Das hört sich noch nicht sehr konkret an.Die Diskussion ist im Moment noch sehr breitflächig und hat gerade erst begonnen. Das ist ein großes Vorhaben, das wollen wir jetzt vernünftig in Maßnahmenpaketen definieren. Die Sparkassen-Finanzgruppe führt den Kundendialog bereits auf verschiedensten Wegen – ich glaube, es gibt keinen anderen Dienstleister, der so viel Interaktion mit dem Kunden unterhält. Die gute Präsenz vor Ort ist die beste Voraussetzung für die nächsten Schritte. Es muss uns nur klar sein, dass für die Veränderungen keine komfortablen Zeitfenster zur Verfügung stehen. Die Entwicklung geschieht durch die Digitalisierung sehr rasch. Deshalb müssen Maßnahmen jetzt initialisiert werden.- Geht das dann auf Kosten der Filialen?Nein. Das Internet hat einen sehr starken Bezug zum unmittelbaren Umfeld der Nutzer. Ein Online-Angebot ergänzt die Wertschöpfungskette der Sparkassen und spricht spezielle Kundensegmente an. Die Fragestellung ist doch: Was sind künftig die Ansprüche des Kunden an die Filiale? Das ist mit vielen Chancen verbunden. Im Moment herrscht nur viel Verunsicherung, weil das Zielbild noch nicht klar ist. Das arbeiten wir jetzt vorrangig heraus und hinterlegen es mit Maßnahmen.- Gehören geänderte Öffnungszeiten der Sparkassen zu diesen Maßnahmen?Das müssen die Institute vor Ort entscheiden – es wird hier sicher keine pauschalen Vorgaben geben können. Wenn man ein adäquates Internetangebot hat, dann sind die Öffnungszeiten meiner Meinung nach nachrangig. Im Übrigen bieten die Sparkassen ja auch schon heute an, nach Geschäftsschluss den Kunden zu besuchen. Hinzu kommen Konzepte wie Videoberatung.- Was bedeutet das für die Wertpapierberatung?Kunden gehen heute nicht mehr so häufig in die Geschäftsstellen wie früher. Aber sie suchen dort immer noch bestimmte Produkte und Leistungen, wollen aber frei entscheiden können, auch nach Geschäftsschluss Dienstleistungen online abzurufen und abzuschließen. Gleichwohl bleibt die Vertrauensbeziehung zum Berater bewahrt, da manche Geschäfte einfach nicht online getätigt werden – auch wenn sich das Informationsverhalten aufgrund des Internets signifikant verändert hat. Daraus hat sich ein gesteigertes Anspruchsdenken an die Beratung entwickelt.- Wird das Änderungen am Geschäftsmodell des S-Broker nach sich ziehen?Für uns geht es darum, dass wir integraler Bestandteil der gesamten Wertschöpfungskette im Bereich Wertpapier in der Sparkassen-Finanzgruppe werden. Das hatten wir mit unserer Neupositionierung 2009 ja schon angestoßen, indem wir die Zusammenarbeit wesentlich intensiviert haben. Dies müssen wir jetzt konsequent weiterführen.- Das hört sich so an, als solle der S-Broker noch mehr technischer Dienstleister für die Sparkassen werden.Es geht nicht nur um Technik, sondern es geht um einen ganzheitlichen Ansatz! Wir bieten eine Vielzahl von Mehrwertdiensten, also neben Funktionalitäten beispielsweise auch Webinare über die S-Broker Akademie, Online-Kampagnen, die Betreuung der Sparkassen-Berater vor Ort und vieles mehr. Technik ist das eine, aber man muss den Kunden auch ein grundsätzliches Verständnis der Kapitalmarkt-Mechanik vermitteln, damit sie Chancen und Risiken einschätzen können. Es geht ja nicht zuletzt darum, die Markenwerte der Sparkassen-Gruppe wie Verlässlichkeit und Vertrauen ins digitale Zeitalter zu transportieren – und das ist keine rein technische Aufgabe. Auch die Internetkunden wollen mit Menschen kommunizieren, nicht mit Maschinen. Online-Brokerage ist weit mehr als Bits und Bytes.- Äußerungen von Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon könnte man so auslegen, dass das Brokerage stärker an die Deka angelehnt werden soll . . .Wenn man Veränderungen in der Gruppe will und die Deka das zentrale Wertpapierhaus der Sparkassen werden soll, dann muss genau definiert werden, wer für welche Leistungen steht und welche Synergien sich daraus ergeben. Wir verschließen uns da nicht. Es ist aber alles noch in einem sehr frühen Stadium. Die Deka ist ja ein maßgeblicher Eigner des S-Broker, und solche Gespräche finden in einer partnerschaftlichen Atmosphäre statt. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass das Thema Wertpapierhaus noch eine andere Qualität bekommen kann.- Strategisch bleibt es im Brokerage beim Fokus auf die aktiven Trader?Auf jeden Fall. Wir haben ja 2009 eine grundsätzliche Entscheidung getroffen, aktive Kunden zu gewinnen. Nur so zahlen sich die nicht geringen Investitionen in die IT-Architektur und in das Marketing aus. Wir werden keinen Strategieschwenk vornehmen.- Wie gehen Sie mit dem Preiskampf im Online-Brokerage um?Die Frage ist immer, ob die gewonnenen Kunden auch werthaltig sind. Dies über eine aggressive Preisstruktur zu machen, halte ich nicht für zielführend. Wir haben Rabattstufen für Vieltrader eingeführt und fühlen uns mit diesem Preistableau sehr wohl. Bei Lockvogelangeboten im Brokerage werden wir nie mitgehen. Wir sind ein Premiumanbieter, der maximale Verfügbarkeit in allen Börsenphasen und eine hohe Qualität gewährleistet. Wir haben eine IT-Auslastung von nicht mehr als 40 % und damit immer Luft – das gilt für viele Mitbewerber nicht.- Zum Geschäftsverlauf: Wie hat der S-Broker 2012 abgeschlossen?Es war für uns unterm Strich ein gutes Jahr, wir haben zum dritten Mal in Folge schwarze Zahlen geschrieben. Bei den Kunden haben wir zwar noch mal leicht Federn lassen müssen und sind nach 150 000 jetzt bei rund 145 000 Depots. Auch bei den Transaktionen sind gegenüber dem wahnsinnig starken Vorjahr mit dem Markt Rückgänge von etwa 20 % zu verzeichnen. Es ist damit insgesamt ein ambivalentes Jahr gewesen, das wir beim Gewinn aber sogar leicht über dem Vorjahresergebnis von rund 110 000 Euro abschließen werden. Unter den gegebenen Umständen können wir damit zufrieden sein. Beim Ergebnis haben wir von Wertaufholungen in den Eigenanlagen profitieren können. Außerdem gelingt uns das Kostenmanagement jedes Jahr einen Tick besser – trotz erhöhter Aufwendungen für regulatorische Vorgaben.- Über die nächsten drei bis fünf Jahre soll der Bestand auf 180 000 bis 200 000 Kunden wachsen. Ist das noch erreichbar?An diesem Ziel halten wir grundsätzlich fest. Das bedingt aber eine stärkere Integration mit den Sparkassen. Angesichts dieses Potenzials ist das ein realistisches Ziel. In diesem Jahr dürften wir aber nur gering zulegen und danach mit verbesserten Voraussetzungen stärker. Bei den Transaktionen in den ersten Wochen des neuen Jahres spüren wir bereits eine deutliche Belebung. Die Sachanlage in Aktien hat nach einer Phase der Lethargie wieder an Attraktivität gewonnen.- Wie wollen Sie es den Sparkassen denn schmackhaft machen, dem S-Broker verstärkt Kunden zuzuführen?Wir haben ein Betreuungs- und Vertriebskonzept, worauf wir die Sparkassen aufmerksam machen. Dazu gehören auch Veranstaltungen vor Ort. Das baut Berührungsängste zum Wertpapiergeschäft ab. Die Direktbanken nutzen das Wertpapiergeschäft der Sparkassen als Einfallstor, um attraktive Kunden mit Kampfkonditionen abzuwerben. Diesen Trend müssen wir stoppen und umkehren, und dazu muss das Online-Angebot des S-Broker ein viel stärkerer Bestandteil in der Internetfiliale der Sparkassen-Finanzgruppe werden.- Im April wird der S-Broker als vollständige Sparkassen-Tochter zwölf Jahre alt. Welches Fazit ziehen Sie für diese Zeit?Holpriger Start, geschüttelt, gerüttelt, neu justiert und jetzt angekommen in der realen Welt des Online-Vertriebs.—-Das Interview führte Björn Godenrath.