Klare Ansagen auf gut Deutsch
Nüchtern erklärt Deutsche-Bank-Co-Chef John Cryan, wo es hapert im Institut. Für seine Vorgänger fällt die Diagnose wenig schmeichelhaft aus.Von Bernd Neubacher, FrankfurtAls John Cryan bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Deutsche-Bank-Co-Chef die ersten Worte an die im Saal versammelten Journalisten richtet, ist eines schon klar: Der neue Brite im Vorstand des Instituts spricht sehr viel besser Deutsch als der alte, Anshu Jain, dem er Ende Juni als Co-CEO nachfolgte. Während über Jains Deutschkenntnisse stets mehr geredet wurde, als dieser sie unter Beweis stellte, zählt Cryan in fließendem Deutsch nüchtern auf, woran es beim Institut hapert. Die Deutsche Bank habe kein Strategieproblem: “Die Deutsche Bank hat aber ein Problem in der Umsetzung der Strategie”, stellt der 54-Jährige fest. Wenn in der Vergangenheit Ziele kurzfristig eingehalten worden seien, sei dies oft auf Kosten des langfristigen Erfolgs gegangen: “Das muss sich ändern.” Und: “Wir müssen die Komplexität verringern.”Überhaupt soll sich bei der Deutschen Bank, wieder einmal, vieles ändern. Eigentlich hört sich die von Cryan vorgetragene Mängelliste an wie eine schallende Ohrfeige nicht nur für Anshu Jain und den neben Cryan auf dem Podium brav gute Miene machenden Co-Chef Jürgen Fitschen, sondern auch für deren Vorgänger Josef Ackermann. Beinahe mit Händen zu greifen ist der implizite Vorwurf, dass die Bank schon vor 2012 dringend notwendige Investitionen in IT und Infrastruktur zugunsten eines Renditeziels von 25 % vor Steuern vernachlässigt hat. Nicht viele WorteDa muss Cryan nicht viele Worte machen, sondern nur ein paar Zahlen nennen. 35 % der im Konzern eingesetzten Hardware befinde sich nahe dem Ende ihres Lebenszyklus oder “darüber hinaus”. Unterdessen hat offenbar Wildwuchs und Outsourcing-Wahn im Back Office dazu geführt, dass 80 % von insgesamt 7 000 Applikationen inzwischen in den Händen externer Anbieter liegen und nicht mehr geistiges Eigentum der Bank sind, geschweige denn gemeinsamen Standards entsprechen. Ergebnis laut Cryan: “Unsere Systeme arbeiten nicht zusammen, sind umständlich in der Anwendung und oft nicht kompatibel.” Man wolle “wieder mehr eigene Leute in der Bank haben, die vertraut sind mit der IT-Landschaft, und nicht so abhängig sein von externen Dienstleistern”, äußert Finanzvorstand Marcus Schenck einen Wunsch, der sich anhört, als hätten ihn in ebendiesem Wortlaut zuvor die Aufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) formuliert, die sich das Thema IT für 2015 auf die Fahnen geschrieben haben. Die IT-Investitionen der Bank werden deren Ergebnisrechnung in den Jahren 2016 bis 2018 mit jeweils 800 Mill. Euro belasten, wie Schenck erklärt.Ob Cryan der Mann ist, der nicht nur vom Wandel redet, sondern ihn umsetzt? Im Falle des Mannes, der, wenn er später Fragen der Journalisten beantwortet, ohne viel Aufhebens ins Englische wechselt, scheint sich das die versammelte Medienschar zumindest sehr viel besser vorstellen zu können als bei seinen Vorgängern. Diesmal ist Versagen ohnehin keine Option. Denn deutet man die Signale im Zuge der jüngsten aufsichtlichen Überprüfung und Bewertung (SREP) durch die EZB richtig, gilt zumindest für die neue Zurückhaltung bei Dividenden und Boni: Wenn Cryan es nicht machte, würde die Aufsicht darauf dringen, dass der Konzern sein Kapital zusammenhält. Er stehe in intensivem Dialog mit den Regulatoren, und dies werde sich in den kommenden Monaten auch nicht ändern, sagt Cryan.Die Liste der Maßnahmen, die er präsentiert, nachdem das Haus in den vergangenen Wochen bereits einen Rekordverlust sowie einen umfangreichen Vorstandsumbau angekündigt hat, enthält nach der ersten Strategiepräsentation im April nun nicht mehr die ganz großen Überraschungen, wartet aber mit konkreten Details auf: So will die Deutsche Bank, über die geplante Veräußerung der Tochter Deutsche Postbank hinaus, bis 2018 netto 9 000 interne Vollzeitstellen streichen (siehe Grafik), ferner 6 000 von 30 000 externen Mitarbeitern. Brutto sind Einsparungen von 3,8 Mrd. Euro geplant. Dem gegenüber stehen 3 Mrd. bis 3,5 Mrd. Euro an Kosten für Restrukturierungen und Abfindungskosten, welche zu zwei Dritteln bis 2016 anfallen sollen. Bis 2018 will die Bank zudem ihre Risikoaktiva um rund 90 Mrd. Euro reduzieren. Dies soll ausgleichen, dass die Bank infolge veränderter regulatorischer Anforderungen mit einer Inflation ihrer Risikoaktiva um rund 100 Mrd. Euro bis 2020 rechnet. In drei Jahren will die Bank nun eine harte Kernkapitalquote von 12,5 % zeigen. Im April hatte man noch ein Ziel von rund 11 % ausgegeben, das aber schon durch die individuelle Kapitalvorgabe der EZB im Zuge des SREP bald obsolet sein dürfte. Schon bis Ende kommenden Jahres plant die Bank den “weitgehenden” Abbau ihrer Abwicklungseinheit Non-Core Operations Unit. Die um Sonderposten bereinigte Kostenbasis der Bank soll bis 2018 auf unter 22 Mrd. Euro sinken. Nicht zuletzt gibt das Institut sein Onshore-Geschäft in zehn Staaten auf, und zwar in Argentinien, Chile, Mexiko, Peru, Uruguay, Dänemark, Finnland, Norwegen, Malta und Neuseeland. Spekulationen um einen Rückzug etwa aus Italien haben sich damit nicht bewahrheitet. “Normale Optimierung”Im europäischen Ausland finde großteils nur die “normale Optimierung statt”, erklärt Privatkundenvorstand Christian Sewing. Dort habe sich das Retail-Geschäft im Jahresverlauf wie erwartet erholt. Von den 9 000 internen Stellen, welche der Konzern netto abbauen will, entfallen seinen Angaben zufolge 4 000 auf Deutschland, wo die Bank bis Ende 2017 rund 200 Filialen vor allem in Ballungsräumen schließen will.Statt eines “divisionalen Ansatzes”, in welchem das Privatkundengeschäft, das Wealth Management sowie das Investment Banking jeweils eigene regionale Aufteilungen pflegten, mit 16 Regionalleitungen allein im Privatkundengeschäft, soll es nur mehr sieben divisionsübergreifende Regionen geben, in deren Management die drei Geschäftsbereiche zusammenarbeiten. Dies soll Komplexität reduzieren und kundenfreundlicher sein. Ziel sei, wieder “die eine” Deutsche Bank an den Kunden zu bringen, erklärt Sewing.