Konsequent auf dem Weg der Digitalisierung

Ziel der Reise gewerblicher Immobilienfinanzierung ist noch ungewiss - Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wie es zu Veränderungen kommt

Konsequent auf dem Weg der Digitalisierung

Die Digitalisierung ist überall. Diesen Eindruck bekommt man tatsächlich. Egal ob Medien, Konferenzen oder das persönliche Gespräch mit Kunden und Kollegen, das Wort Digitalisierung fällt häufig. Man merkt dabei aber schnell, dass der Begriff Digitalisierung letztlich nur ein Oberbegriff ist, unter dem sich eine ganze Reihe von ganz verschiedenen Themen und Erwartungen verbergen. Grund genug, an dieser Stelle zunächst einmal mit einer Einordnung zu beginnen, was im Folgenden unter dem Begriff Digitalisierung verstanden werden soll. Landläufige DefinitionGemäß landläufiger Definition wird unter Digitalisierung zum einen die Umstellung von analogen Werten, Prozessen, Medien etc. in ihre digitalen Pendants verstanden. Zum anderen wird unter diesem Begriff aber auch die Einführung neuer digitaler Technologien und Lösungen verstanden, die das Potenzial haben, die Märkte zu verändern.Letzteres wird dabei im Finanzierungsumfeld regelmäßig assoziiert mit Fintechs. Hierbei handelt es sich um Start-ups beziehungsweise jüngere Unternehmen, die unter Nutzung von Internettechnologien Finanzdienstleistungen erbringen, die entweder vollkommen neu sind oder die in der Vergangenheit ausschließlich von den klassischen Anbietern wie Banken und Versicherungen erbracht wurden. Während Fintechs zum Beispiel im Zahlungsverkehr, dem Leasing, im Versicherungswesen etc. bereits in vielerlei Hinsicht die althergebrachten Marktteilnehmer herausfordern, bahnt sich ihre Verbreitung in der gewerblichen Immobilienfinanzierung nur sehr langsam den Weg.Ein wesentlicher Grund hierfür mag sein, dass die gewerbliche Immobilienfinanzierung in der Regel sehr individuell ist. Selbst wenn zum Beispiel beim Ankauf einer Immobilie mehrere Bieter für ein und dasselbe Büroobjekt bieten, sehen die dahinterliegenden Investitionspläne und damit auch die Finanzierungsbedürfnisse in der Regel vollkommen unterschiedlich aus. Dementsprechend ist die Anbahnung einer gewerblichen Immobilienfinanzierung immer auch ein intensiver und sehr individueller Austausch zwischen Finanzierer und Kunde, der sich über mehrere Etappen erstreckt und auch vielfach mitten im Prozess noch Änderungen erfährt. Das macht es – zumindest heute noch – digitalen Anbietern mit internetbasierten Technologien schwer, in dieses Geschäftsmodell einzudringen.Bislang haben daher auch nur wenige Fintechs hier Fuß fassen können. Im Wesentlichen ist es das Crowdlending, das hier gewisse Erfolge vorweisen kann. Ob sich Crowdlending jedoch dauerhaft etablieren wird, ist noch keineswegs ausgemacht.Auch Plattformen, die sich anschicken, in der gewerblichen Immobilienfinanzierung als Mittler zwischen Finanzierungskunden und Finanzierern zu agieren, haben noch nicht richtig Fuß gefasst. Ziel solcher Plattformen ist es, gegen eine gewisse Gebühr, die je nach Marktlage entweder vom Finanzierungssuchenden oder vom Finanzierer zu zahlen ist, die Suche nach der optimalen Finanzierung zu vereinfachen. Angemeldete Kunden stellen nur noch die Daten ihres Finanzierungsvorhabens auf die Plattform, und die Plattform stellt diese Informationen dann potenziellen Finanzierern zur Verfügung. Dies kann passiv erfolgen, indem die Plattform vergleichsweise wahllos einer größeren Anzahl an angemeldeten Finanzierern einen Zugang zum jeweiligen Datenraum einräumt.Ihr wahres Potenzial spielen Plattformen aber erst aus, wenn die Suche nach der optimalen Finanzierung aktiv unter Einsatz von Algorithmen beziehungsweise Artificial Intelligence (AI) erfolgt. Die Plattform würde dann nicht nur einfach die Infrastruktur zum Austausch von Informationen und zur Kommunikation zwischen Kunde und Finanzierer bereitstellen. Vielmehr würde die Plattform in genauer Kenntnis der Produktpaletten, der Risikoneigung, der preislichen Fähigkeiten und der strategischen Ausrichtung der angebundenen Finanzierer aktiv an der Optimierung der Finanzierungsstruktur mitwirken, um dann den passenden Finanzierer beziehungsweise die passende Kombination an Finanzierern zu finden. Noch ZukunftsmusikPlattformen würden damit einen Großteil der Arbeit erledigen, die Banken heute tun. In diesem Szenario würden Banken zu recht austauschbaren Produktlieferanten reduziert werden, deren Produkte nach Bedarf automatisch in eine Finanzierung integriert werden – oder eben auch nicht.Das letztere Szenario ist zugegebenermaßen noch Zukunftsmusik. Die Anzahl an Plattformen nimmt zwar seit Jahren zu, aber nur die wenigsten Plattformen haben in wirklich nennenswertem Umfang tatsächlich Vermittlungsleistungen vorzuweisen. Auch beschränken sich die Plattformen derzeit noch auf die passive Vermittlung zwischen Kunde und Finanzierer. Von einer ernsthaften Konkurrenz für die etablierten Finanzierer kann daher zum heutigen Zeitpunkt noch überhaupt keine Rede sein.Trotzdem sollten sich die etablierten Finanzierer nicht allzu sicher sein, dass ihr Geschäftsmodell in Zukunft nicht doch massiv durch digitale Herausforderer angegriffen wird. Technologien wie zum Beispiel die Blockchain oder die intensive Nutzung von Big Data und Artificial Intelligence stehen erst ganz am Anfang ihrer wirtschaftlichen Nutzung und haben heute wohl auch erst nur einen Bruchteil ihres Potenzials entfaltet.Wohin die Reise der Digitalisierung in der gewerblichen Immobilienfinanzierung also gehen wird, ist noch ziemlich ungewiss. Aber auch wenn der größte Teil der Industrie in diesem Punkt noch ziemlich im Nebel stochert, ist es keine Frage, ob die Digitalisierung die gewerbliche Immobilienfinanzierung grundlegend verändern wird, sondern eher wann und wie.Was also tun, wenn das Ziel der Reise unklar ist? Viele Banken konzentrieren sich aktuell darauf, mit Hilfe der Digitalisierung – verstanden im Sinne der oben genannten Umstellung von analog auf digital – die Kundenbindung zu erhöhen beziehungsweise den Kundennutzen ihrer angestammten Tätigkeit zu verbessern. Erfolgversprechende Handlungsfelder sind hier unter anderem die vollständige Digitalisierung der internen Bankprozesse sowie die technische Anbindung der Kunden an die Bank. Darunter fällt auch, dass man dem Kunden den Zugang zur Bank so angenehm und komfortabel wie möglich gestaltet – häufig wird in diesem Zusammenhang von Convenience gesprochen.Alles Analoge wie zum Beispiel der Austausch von Listen und anderen Dokumenten oder das handschriftliche Unterzeichnen von Dokumenten – um nur eine kleine Auswahl zu erwähnen – soll künftig digital erfolgen. Hinzu kommt, dass durch die Nutzung digitaler Technologien die Transparenz über die gesamte Geschäftsbeziehung deutlich erhöht werden kann. In der Geschäftsbeziehung können Kunden künftig über Dashboards in Echtzeit sehen, in welchem Stadium sich zum Beispiel eine Finanzierungsentscheidung befindet, welche Dokumente es noch auszutauschen gilt oder ob die zu Beginn der Gespräche vereinbarten Termine – zum Beispiel Genehmigung und Auszahlung – noch zu halten sind. Banken können durch eine weitgehende Digitalisierung ihrer internen Bearbeitungsprozesse die Flexibilität und die Geschwindigkeit der Bearbeitung erhöhen.Diese Schritte klingen zwar vor dem Hintergrund von Blockchain-Technologien, AI und Ähnlichem nicht sonderlich spektakulär, Banken tun aber gut daran, auf dem Weg zügig und konsequent voranzuschreiten. Dies ist insbesondere aus zwei Gründen wichtig. Zum einen wäre ein Nachlassen bei den Digitalisierungsaktivitäten deshalb schlecht, weil digitale Technologien oftmals ein exponentielles Wachstum aufweisen. Das bedeutet, dass anfänglich der Nutzen oder die Verbreitung der Technologie kaum zu bemerken sind und die Wachstumsraten eher bescheiden wirken. Ab einem bestimmten Punkt jedoch steigen die Wachstumsraten überlinear.Wer es somit in den frühen Phasen versäumt hat, die Basis für diese Technologien zu schaffen beziehungsweise bei sich zu implementieren, wird es später, wenn ein bestimmter Punkt erreicht ist, schwer haben, bei der dann herrschenden Geschwindigkeit der Entwicklung mitzuhalten. Im günstigsten Fall kann man einen Rückstand mit enormen finanziellen Mitteln wieder wettmachen, im schlimmsten Fall besteht die Gefahr, aus dem Markt gedrängt zu werden.Diese Entwicklung wird zum anderen auch dadurch verschärft, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren in fast allen Unternehmen, die mit gewerblichen Immobilien zu tun haben, Entscheidungsträger in verantwortliche Positionen gelangen, die mindestens als Digital Immigrants, in zunehmendem Maße aber auch als Digital Natives zu bezeichnen sind. Für diese Menschen hat ein hoher Digitalisierungsgrad in der Geschäftsbeziehung einen viel wichtigeren Stellenwert, als er heute in der Finanzierungsindustrie bekannt ist. Persönliche KomponenteDas bedeutet aber nicht, dass durch die Digitalisierung der persönliche Austausch zwischen Menschen beziehungsweise zwischen Kunde und Finanzierer an Bedeutung verliert. Bei den typischerweise sehr hohen Finanzierungsvolumina in der gewerblichen Immobilienfinanzierung wird die persönliche Komponente wohl auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Besonders im Hinblick auf die Rechenschaft, die Banken und Kunden ihren jeweiligen Stakeholdern gegenüber ablegen müssen, wird es eine rein digitale Bearbeitung inklusive Geschäftsabschluss wohl auf unabsehbare Zeit nicht geben.Banken beginnen aber allmählich, den Wert der in ihren Systemen gespeicherten Daten zu erkennen. Durch die konsequente digitale Bearbeitung entsteht ein Datenschatz, der es Banken einfacher macht, Kunden antizipativ zu betreuen. Predictive Analysis kann Banken in die Lage versetzen, auf Basis von umfangreichen Daten der Vergangenheit und unter Zuspielung aktueller Marktdaten Finanzierungswünsche ihrer Kunden zu antizipieren, bevor diese mit ihrem Finanzierungsvorhaben an die Banken herangetreten sind. CRM-Systeme werden zu diesem Zweck mit Big-Data-Analysen eng miteinander verzahnt werden. Gelingt dies, könnten Banken beispielsweise eine Finanzierungslösung bereits im Vorfeld einer Anfrage vorbereiten und so für den Kunden deutliche Zeit- und Effizienzvorteile generieren.Die Münchener Hypothekenbank schreitet auf dem Weg der Digitalisierung konsequent voran. In einem ersten Schritt wurden die Medienbrüche in der Bearbeitung beseitigt. Derzeit arbeitet die Bank an der Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette von der ersten Ansprache des Kunden über Genehmigung und Auszahlung bis hin zum Bestandsmonitoring und der Rückzahlung eines Darlehens. Dazu gehört neben dem komfortablen Austausch von finanzierungsrelevanten Informationen auch die Bereitstellung eines Dashboards. Kunden sollen damit weitgehend unabhängig von Standort und gewähltem Gerät jederzeit Übersicht über den Fortgang ihrer Geschäftsbeziehung erhalten und auch aktiv in die Bearbeitung eingreifen können.—-Bernhard Heinlein, Vorstandsmitglied der Münchener Hypothekenbank