Gastbeitrag

Kreditplattformen: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

Der Abbau der Problemkredite auf den Büchern der europäischen Banken ginge am besten über eine öffentlich-rechtliche Börse, glaubt Gastautor Johann Rudolf Flesch von der European Platform for Credits

Kreditplattformen: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

Seit längerer Zeit bemüht man sich auf europäischer Ebene, den regulatorischen Rahmen für den Kauf und Verkauf von Bankkrediten – hier insbesondere der so genannten NPLs (Non-performing Loans) festzulegen. Die EU-Kommission hatte bereits im Frühjahr 2018 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der den Rahmen für Sekundärmärkte und Kreditkäufer abstecken sollte, und man zeigte sich optimistisch, dass damit nun ein europäischer Binnenmarkt für Kreditkäufer und Kreditdienstleister geschaffen werde. Den darin geäußerten Zielen kann man nur zustimmen: „Dies wird den Wettbewerb fördern, den durchschnittlichen Verkaufspreisen Verein Deutsche Kreditmarkt-Standards e.V. (DKS), (notleidender) Kredite erhöhen und die Servicekosten zugunsten der Kreditnehmer deutlich senken”. Dieser Zielsetzung sollte auch dienen, dass es in den EU-Staaten eine öffentlich zugängliche aktuelle Liste oder ein nationales Register aller Kredit-Dienstleister geben sollte. Darüber hinaus sollten für die neuen Regeln die Verbraucher- und die Hypothekenkreditrichtlinie geändert werden, um einen hohen Schutz der betroffenen Kreditnehmer sicherzustellen. 

Die ursprüngliche Initiative sah einen Aktionsplan des EU-Rats vor, der die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und die European Banking Authority (EBA) aufforderte, den Aufbau von (NPL-)Transaktionsplattformen zu entwickeln. Die EU-Kommission äußerte damals, dass sie jeglichen Beitrag privater Stakeholder begrüße, die zusammen an Branchenstandards für Plattformen arbeiteten, um die Sekundärmärkte zu verbessern. Daraus ist bisher nichts geworden. Im Sande verlaufen ist auch ein Vorstoß des damaligen EBA-Chefs Andrea Enria, der zunächst eine paneuropäische Bad Bank vorschlug und dann einen europäischen Verbund nationaler Abwicklungsplattformen propagierte.

Nun will man dem Sekundärmarkt durch Standardisierung Leben einhauchen. Unter der Federführung der DKS werden durch immer neue Initiativen Details des geplanten Standards entwickelt. Dazu werden Marktteilnehmer befragt. Sie sollen angeben, was sie bisher daran gehindert hat, Problemkredit-Plattformen zu nutzen, ob ein Zugang zu Marktdaten sie auf eine Plattform locken könnte oder ob andere Anreize wirken könnten. Weiterhin was eine Plattform ihrer Meinung nach leisten soll und welchen Preismechanismus sie bevorzugen. Bei der EU-Kommission heißt es, es sei wichtig, dass jegliche Arbeiten an Branchenstandards eine europäische Perspektive einnehmen und „einen Fokus auf einen oder wenige Marktmitgliedsstaaten vermeiden“.

Transparenz unerwünscht

Insbesondere die von der EBA im Sommer 2021 vorgelegten Entwürfe für taugliche Datenfelder der zu handelnden Kredite stießen allerdings auf den Widerstand des Bankensektors, der unter der Federführung der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) die Vorschläge als zu kompliziert und zu kleinteilig zurückwies. Die in Sonntagsreden immer wieder heraufbeschworene Transparenzverbesserung ist wohl eher nicht gewünscht, denn die Institute verwerten zu verkaufende Kredite bislang zu zwar erheblichen Kosten und auch aufwändigeren Vertragswerken, aber doch lieber bilateral im Stillen.

Da auch von der EZB bisher keine validen Äußerungen zu diesem Thema bekannt sind, muss man annehmen, dass auch ihr eine Transparenz insbesondere im Markt für Problemkredite eher gefährlich erscheint. Öffentlich bekannte Preise von über Plattformen abgewickelten Geschäften wären dann Werte, die bei der Bilanzierung der Banken nicht unberücksichtigt bleiben könnten und je nach Entwicklungen des Marktes entsprechende Bewertungsnotwendigkeiten von Bilanzbeständen auslösen würden. Da ist es der EZB schon lieber, mit den Banken „im Stillen“ Bewertungen abzusprechen, die sie immer mit Hinweis auf die Notwendigkeit von „Maßnahmen zur Vermeidung von Systemkrisen” begründen kann.

Ohne Zweifel wäre durch ein verbindliches Regelwerk, das die Daten und Informationen für Kreditnehmer festlegt, eine geeignete Grundlage für einen gesicherten Handel von Forderungen im Primär- und Sekundärmarkt. Die Preisbildung würde sich in einem liquiden Markt nach dem Rating aus den aktuellen Daten der harten und weichen Fakten bilden, und zwar unabhängig davon, ob man die ganze Forderung oder „nur einen Bruchteil“ der Nominalsumme handelt.

Wenn man die Notwendigkeit des Aufbaus von funktionierenden Wettbewerbsmärkten mit festgelegten Standards, transparenten Preisbildung-Prozessen, stabilen Transaktionsverträgen, Kundenschutz- und Datenschutz-Vorschriften sowie sicherem Kredit-Servicing ernst meint, so gibt es für eine Plattform nur die Lösung in Gestalt einer öffentlich-rechtlichen Börse. Die Vorteile und Ausgestaltung einer solchen Lösung wurde auch in dieser Zeitung schon des Öfteren dargestellt. Diese endlich umzusetzen, wäre ein überzeugender Baustein einer Wirtschaftspolitik, die, wie es die künftige Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verspricht, mehr Fortschritt wagt.

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