Kreditvergabeprozess vollständig digitalisieren

Partnerbanken zusätzliche Services und Leistungen anbieten, mit denen sie sich im Wettbewerb abheben können - Vorteile von Kooperationen nutzen

Kreditvergabeprozess vollständig digitalisieren

Die Chancen, die die Digitalisierung in der Wohnimmobilienfinanzierung bietet, zeigen sich nicht auf den ersten Blick. Die Finanzierungsanbieter profitieren seit bald zehn Jahren von guten Rahmenbedingungen. Umsätze, Kaufpreise und Mieten sind im Jahr 2018 weiter gestiegen. Und auch für das laufende Jahr erwarten die Experten, dass die gute Immobilienkonjunktur anhält.Ein wesentlicher Grund dafür ist die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Eine Änderung der Zinspolitik ist weiter nicht in Sicht, sodass das Zinsumfeld den Erwerb von Häusern und Wohnungen weiter begünstigt. Hinzu kommt, dass seit einigen Jahren zwar die Kaufpreise stärker als die Mieten steigen. Dennoch ist der Kauf einer Immobilie aktuell und auf lange Sicht und insbesondere mit Blick auf die private Altersvorsorge immer noch günstiger als zur Miete zu wohnen. Somit kommt es nicht überraschend, dass nach einer aktuellen Studie der Sparda-Banken derzeit rund jeder dritte Mieter unter 50 Jahre plant, eine Wohnimmobilie zur Eigennutzung zu erwerben.Da Wohnimmobilien in der Regel zumindest teilweise kreditfinanziert werden, ist auch das Neugeschäft der Immobilienfinanzierer in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gewachsen. 2018 belief sich das Neugeschäft in der Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland auf 228 Mrd. Euro. Im Jahr 2009, am Beginn des Immobilienbooms, waren es noch rund 100 Mrd. Euro weniger. Allein im Jahr 2018 ist das Neugeschäft nach den Erhebungen des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken um 6,3 % gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Dabei konnten vor allem die Institute der genossenschaftlichen Finanzgruppe von ihrer ausgeprägten Kundennähe profitieren und ihren Marktanteil in der privaten Wohnimmobilienfinanzierung ausbauen.Wenn sich ein Geschäftsfeld so positiv entwickelt, ist die Bereitschaft für Veränderungen und das Erschließen neuer Wege oftmals nicht sehr ausgeprägt. Doch dabei wird leicht übersehen, dass sich die Erwartungen und Ansprüche der Kunden an eine zeitgemäße und leistungsfähige Immobilienfinanzierung derzeit massiv verändern. Das liegt zunächst auch an den Entwicklungen am Immobilienmarkt.Trotz des Immobilienbooms wird in Deutschland nach wie vor nicht bedarfsdeckend gebaut. So hat sich bis Ende 2018 ein Bauüberhang von genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Bauvorhaben von über 650 000 Wohnungen aufgestaut. Zugleich ist die Verkaufsbereitschaft der Wohnungseigentümer nicht stark ausgeprägt. Seit 2011 stagniert die Zahl der verkauften Wohnungen und Häuser mit leicht rückläufiger Tendenz. Wer also eine Immobilie kaufen will und die richtige gefunden hat, darf nicht zu lange warten, wenn er den Zuschlag erhalten will. Deshalb wird es den Kunden immer wichtiger, möglichst schnell eine Finanzierungszusage zu erhalten, um diese vorlegen zu können.Dieser Erwartung werden die Banken heute in der Regel noch nicht gerecht. Denn in der Banken-IT herrschen weiterhin mächtige Kernsysteme vor. Diese sind zwar sicher in der Anwendung und erfüllen in hohem Maße die aufsichtlichen Anforderungen, sind aber oft auch teuer und vor allem unflexibel. Viele Schritte im Kreditvergabeprozess sind noch in wesentlichen Teilen analog und können deshalb die von den Kunden erwartete schnelle und effiziente Kreditzusage nicht gewährleisten.Doch der Druck auf die etablierten Anbieter, ihre Kreditvergabeprozesse einfacher zu gestalten, steigt. Sie werden zweifach herausgefordert. Erstens durch den Wettbewerb. Dieser hat sich aufgrund des Immobilienbooms und der niedrigen Zinsen enorm intensiviert. Viele der heutigen Anbieter von Wohnimmobilienfinanzierungen sind in den vergangenen Jahren entweder in den Markt zurückgekehrt oder haben diesen für sich neu entdeckt. Der Wettbewerb wird derzeit noch vor allem über die Konditionen ausgetragen. Hier ist die Digitalisierung schon länger stark entwickelt. Auf zahlreichen Vergleichsportalen und Maklerplattformen können die Kunden sich über Konditionen und Angebote umfassend informieren. Die Verbraucher profitieren von der dadurch geschaffenen Transparenz.Zweitens werden die Banken durch Fintechs herausgefordert, ihre Prozesse zu digitalisieren. Fintechs bieten moderne Technologien im Finanzdienstleistungsbereich an und zeichnen sich durch hohe Performance in Spezialdisziplinen des Banking aus. Durch ihre innovativen Technologien und Lösungen werden Fintechs Banken nicht vom Markt verdrängen, haben aber das Potenzial, den Markt zu verändern. Denn sie nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung durch einfache fokussierte Anwendungen, die jederzeit und an jedem Ort verfügbar sind, konsequent aus. Das spricht immer mehr Kunden an, nicht nur digitalaffine. Online-AbschlussfähigkeitDer Wunsch nach einem komplett digitalisierten Angebot der Banken, das individuell auf die Bedürfnisse zugeschnitten ist, wird deshalb immer deutlicher von den Kunden artikuliert. Laut einer Studie von PwC sucht bereits nahezu jeder zweite Kunde nicht mehr die örtliche Filiale auf, um Bankgeschäfte zu tätigen. Übertragen auf die Immobilienfinanzierung bedeutet dies: Es reicht nicht mehr aus, nur über Produktangebote und Konditionen online zu informieren. Die Kunden erwarten zunehmend, auch ihre Baufinanzierung online abschließen zu können.Technisch ist dabei vieles heute bereits machbar. Die Voraussetzungen für eine vollständige digitale Baufinanzierungsgenehmigung und Vertragserstellung, auch unter Berücksichtigung aller regulatorischen Anforderungen, sind gegeben. Insbesondere die neue Richtlinie PSD 2 erleichtert und sichert dabei die Kreditvergabeentscheidung ab. Allein der fehlende Netzausbau und mangelnde Bandbreite wirken derzeit noch verzögernd. Dies sind jedoch Probleme, die vorübergehen werden. Der Netzausbau gewinnt an Geschwindigkeit und mit dem neuen Standard 5G wird die Datenübertragung enorm verbessert, sodass noch mehr neue Möglichkeiten entstehen werden.Klassischerweise versuchen Banken den gesamten Kreditvergabeprozess einschließlich Produktion und Infrastruktur bei sich zu integrieren. Dies führt im Zeitalter der Digitalisierung allerdings in der Regel zu Lösungen, die zu umfangreich gedacht sind, damit zu schwerfällig in der Umsetzung sind und die Gefahr bergen, an den Kundenwünschen vorbei zu gehen. Die Generationen, die mit der Digitalisierung aufwachsen, suchen einfache, auf den aktuellen Bedarf fokussierte Lösungen, die zu einem sofortigen oder zumindest zeitnahen Abschluss führen.Die Aufgabe der Banken ist es daher, den Kreditvergabeprozess modularer zu gestalten. Dabei gilt es in zwei Dimensionen zu denken. Innerhalb der Bank sind die Core-Systeme zu modernisieren, die Informationen voranzutreiben und dabei den Anforderungen auch regulatorisch gerecht zu werden. Nach außen sind moderne, digitale und einfache Dienstleistungen zu entwickeln. Für beide Dimensionen sind nach meiner Meinung, um Kosten zu sparen und Geschwindigkeit zu gewinnen, Kooperationen notwendig, über die Teilleistungen spezialisierter Anbieter integriert werden. Kompetenzen ergänzenDabei nehmen Fintechs eine wichtige Rolle als Partner ein. Kurz gesagt: Fintechs haben die Technik und Banken haben die Kunden. Durch entsprechende Kooperationen können sich die unterschiedlichen Kompetenzen sinnvoll ergänzen. In der MünchenerHyp arbeiten wir seit zwei Jahren zum Beispiel sehr erfolgreich mit dem Hamburger Fintech Deposit Solutions zusammen und konnten dadurch unseren Refinanzierungsmix erweitern. Gemeinsam haben wir ein Festgeldprodukt entwickelt, das wir über die deutschen Genossenschaftsbanken anbieten und seit Anfang dieses Jahres auch in der Schweiz.Vergleichbare Kooperationen sind auch in der privaten Immobilienfinanzierung möglich. Dazu wird es jedoch nicht ausreichen, den Kunden lediglich verschiedene Apps anzubieten. Die Kunden erwarten vor allem Prozesse und Services, die einen Mehrwert bieten. Dies bedingt die Entwicklung eines End-To-End-Prozesses und eines Sozio-Systems, das in der Lage ist, viele Anwendungen intelligent zu verknüpfen. Dabei gilt es zu gewährleisten, dass die Angebote ohne Brüche oder Übergänge zwischen den jeweiligen Anbietern zur Verfügung stehen, der Kunde also einen einfachen und schnellen Prozess erlebt. Zeit ist dabei insofern von Bedeutung, als dass der Kunde die Sicherheit sucht, dass seine Anforderungen und Erwartungen zuverlässig erfüllt werden. Dabei steht die verlässliche Kreditzusage im Vordergrund. Die vertragliche Abwicklung sowie eine mögliche Angebotsoptimierung hingegen können immer noch nachgelagert erfolgen. Position weiter ausbauenAls Experte für langfristige Immobilienfinanzierungen in der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist es die Aufgabe der MünchenerHyp, ihren genossenschaftlichen Partnerbanken die Möglichkeiten der Digitalisierung zu erschließen. Konkret bedeutet dies, über hochautomatisierte Prozesse die Zusage für eine Finanzierung erheblich zu beschleunigen, damit die Finanzgruppe ihre starke Wettbewerbsposition in der Immobilienfinanzierung weiter ausbauen kann. Im vergangenen Jahr haben wir dazu zum einen unser Vereinfachtes Verfahren deutlich ausgebaut.Von der Beratung bis zur Vertragsunterschrift ist nunmehr alles vollständig in die Frontend-Systeme bank21, agree21, HypoLine Web und Genopace integriert. Damit können unsere Partnerbanken ihren Kunden jetzt eine verbindliche Darlehenszusage innerhalb weniger Stunden geben und diese damit schnell auf interessante Immobilienangebote reagieren. Zum anderen haben wir unsere Online-Services in das VR-eBanking integriert. Damit besteht für alle Kunden ein Online-Zugang zu ihren Darlehen bei der MünchenerHyp. Hinzu kommen Online-Services, wie die Änderung des Einzugskontos oder die Berechnung und der Abschluss von Prolongationen. Diese sind bereits mit den Systemen der Rechenzentrale Fiducia & GAD IT AG verknüpft und damit omnikanalfähig.Diese Entwicklungen sind jedoch erst ein Anfang. Wir arbeiten weiter daran, den gesamten Kreditvergabeprozess zu digitalisieren und auf diesem Weg unseren Partnerbanken zusätzliche Services und Leistungen anzubieten, mit denen sie sich im Wettbewerb abheben können. Michael Jung, Vorstandsmitglied der Münchener Hypothekenbank eG