PROKON-INSOLVENZ ERHITZT DIE GEMÜTER

Krisenkonferenz in Itzehoe

Prokon-Chef räumt Mängel bei Finanzierungsstruktur ein - Insolvenzverwalter vertröstet Anleger

Krisenkonferenz in Itzehoe

Die Prokon Regenerative Energien GmbH ist pleite, aber noch nicht am Ende. Firmenchef und vorläufiger Insolvenz- verwalter deuten vor Medien und Mitarbeitern Chancen für einen Fortbestand an, Anleger werden vertröstet.Von Carsten Steevens, ItzehoeEin Dutzend Kameras haben Fernsehsender schon in Position gebracht, als Mitarbeiter des insolventen Windkraftanlagenbetreibers Prokon in Scharen die große, zugige Produktionshalle betreten, in der Unternehmenschef Carsten Rodbertus und der tags zuvor vom Amtsgericht Itzehoe bestellte vorläufige Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin schon auf einem provisorisch errichteten Podium auf ihren Auftritt warten. Am Firmensitz ist kurzfristig eine Pressekonferenz anberaumt, nachdem die Prokon Regenerative Energien GmbH am Mittwoch Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte.Gespannt lauschen die von der Insolvenz betroffenen Beschäftigten – von den konzernweit 1 300 Mitarbeitern sind das insgesamt 480 -, aber auch die Medienvertreter den Stellungnahmen. Seit Mai 2013 hat Prokon-Chef Rodbertus, der das Unternehmen 1995 gründete, den direkten Dialog mit Medien eingestellt. Für die Misere seiner Firma – Folge zahlreicher Kündigungen verunsicherter Anlegern in den vergangenen Monaten – macht er eine mediale Hetzkampagne verantwortlich.Nun steht er da, die langen ergrauten Haare zum Zopf geflochten, in dunkelblauer Windjacke – neben ihm der Hamburger Anwalt Penzlin. Angesichts des sehr großen Informationsinteresses sei man Medien, Gläubigern und den Verfahrensbeteiligten diese schnell einberufene Pressekonferenz, die gut eine halbe Stunde dauern wird, schuldig, erklärt Penzlin zu Beginn. Den Termin beendet er mit der Auskunft, für weitere Presseanfragen und Interviews während der kommenden Wochen nicht zur Verfügung zu stehen. Die Prüfung der Liquiditätslage und die Stabilisierung des Geschäftsbetriebs stünden jetzt im Vordergrund. Viel ApplausDie anwesenden Mitarbeiter applaudieren laut, ehe Rodbertus seine Erklärung abgibt. “Wir haben viel durchlebt zuletzt”, dankt er ihnen für ihren Einsatz in den vergangenen Tagen, als das Unternehmen mit einem Ultimatum versuchte, die insgesamt rund 75 000 Inhaber von Genussrechten von Kündigungen abzuhalten. Das Ziel, bis zum 20. Januar Zusagen für mindestens 95 % des mit hohem Werbeaufwand und einem Zinsversprechen von bis zu 8 % eingeworbenen Genussrechtskapitals von 1,4 Mrd. Euro zu erhalten, verfehlte Prokon jedoch deutlich. Nun bangen nicht nur die Beschäftigten um ihren Arbeitsplatz, sondern viele Kleinanleger auch um ihr Geld.Wie schon zuvor in Botschaften auf der Firmen-Webseite signalisiert Rodbertus, dass er an eine Zukunft seines Unternehmens glaubt. Die “Zeit der Zäsur” werde man mit “größtmöglicher Transparenz” begleiten, kündigt er an und spricht von der Möglichkeit eines neuen Anlegerbeirats. Er betont, dass Prokon keinerlei Zahlungsrückstände bei anderen Gläubigern wie Lieferanten habe. Ob tatsächlich Zahlungsunfähigkeit vorliege, werde in Rechtsgutachten geprüft. Rodbertus teilt mit, einen Teil der Windparks zu verkaufen, um Geld in die Kassen zu bekommen. Gespräche mit Marktteilnehmern seien geführt worden, in Kürze würden Angebote erwartet. “Mit dem Verkauf werden wir beweisen, dass es stille Reserven im Unternehmen gibt – in Form der Windparks.” Professoren prüfenDer vorläufige Insolvenzverwalter Penzlin betont, die Fortführung des Kerngeschäfts stehe für ihn nach dem ersten Tag außer Frage, allerdings nur mit der Belegschaft. Wenigstens bis Ende April sei das Gehalt der betroffenen Beschäftigten über Insolvenzgeld vorfinanziert, für Montag wurde eine Betriebsversammlung einberufen. An die Adresse der Anleger gerichtet sagt der Anwalt, die Rückzahlung von Zinsen und Kapital sei während des Insolvenzeröffnungsverfahrens bis Ende April ausgeschlossen. Er bestätigt, drei Rechtsprofessoren seien beauftragt, innerhalb von zwei bis drei Monaten zu prüfen, ob Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund vorliegt. Schneeballsystem?Zur Ertragslage von Prokon erklärt Penzlin, für den noch ausstehenden Jahresabschluss 2012 stehe eine Verweigerung des Testats im Raum. Für das Jahr 2013 werde man einen neuen Abschlussprüfer beauftragen. Es sei von vorrangigem Interesse, so schnell wie mögliche eine feste Zahlenbasis zu erhalten. Prokon selbst hat einen Verlust von 210 Mill. Euro per Ende Oktober ausgewiesen. Ob Prokon ein Schneeballsystem betrieben habe, indem neues Kapital zur Zahlung von Zinsen verwendet wurde, lässt der Anwalt offen. Ein Urteil wäre voreilig, nach den ersten 24 Stunden im Amt sei die Frage nach Hinweisen zu verneinen.Firmenchef Rodbertus räumt Mängel in der Finanzierungsstruktur ein. Darauf werde man reagieren. Persönliche Fehler gesteht er vor den Medien nicht ein. Das werde intern geklärt. Über die Ursachen für die Schieflage seines Unternehmens will er sich an diesem frostig kalten Nachmittag nicht weiter auslassen.