Leithner plädiert für regelbasierte und handelbare Indizes
lee Frankfurt – Die zunehmende Bedeutung passiver Anlageprodukte, Smart-Beta- sowie thematischer Anlagestrategien stellt hohe Ansprüche an die Qualität von Benchmark-Indizes. Das arbeitete Stephan Leithner, Vorstandsmitglied der Deutschen Börse, auf dem diesjährigen Eurobörsentag der WM Gruppe heraus. In seinem Vortrag “Indizes der Finanzwirtschaft. Mehr als nur ein Stimmungsbarometer” zeichnete der für das Indexgeschäft des Börsenbetreibers zuständige Fachmann die historische Entwicklung des Index vom reinen Informationsinstrument über die Referenz- und Benchmark-Funktion bis zum Instrument für das Underlying für Absicherungsgeschäfte auf.Letzteres sei auch für die Entwicklung des risikolosen Referenzzinssatzes Estr, der im unbesicherten Interbankenmarkt den wegen Manipulationsvorfällen in Misskredit geratenen Eonia ablösen soll, von Bedeutung gewesen. “Eine zentrale Frage war, ob es ein zugrundeliegendes Basisgeschäft gibt”, sagte Leithner.Auch die Deutsche Börse hatte sich mit einem Modell für einen Index in die Debatte eingebracht. Ihr GC Pooling Deferred Index stellt Leithner zufolge einen volumengewichteten Durchschnittswert aller Repo-Transaktionen eines Tages dar. Der Vorschlag konnte sich jedoch nicht gegen den von der Arbeitsgruppe präferierten Estr durchsetzen. Leithner äußerte jedoch die Hoffnung, dass der Alternativindex trotzdem noch zum Einsatz kommt. Chancen dafür sieht er im besicherten Interbankenmarkt.Neben der Handelbarkeit nannte Leithner die Unabhängigkeit und die Transparenz sowie Regelbasiertheit als wesentliche Qualitätsmerkmale von Benchmark-Indizes. Damit zählte er zugleich die Schwachpunkte der alten Referenzzinssätze auf, die nicht auf der Grundlage unabhängig erhobener Daten berechnet, sondern von den beteiligten Banken selbst festgelegt wurden. Da die Höhe des Referenzzinssatzes bei vielen Geschäften maßgeblich dafür ist, wie viel die Banken verdienen, lag hier ein klarer Interessenkonflikt vor. Fehlende TransparenzAuch die Transparenz des Prozesses ließ Leithner zufolge zu wünschen übrig. Zwar sei das tägliche Fixing von Eonia und Libor kein geheimer Vorgang gewesen. “Es hat allerdings erstaunlich wenige Menschen interessiert, wie die Referenzzinssätze zustande kamen”, sagte er. Und das, obwohl allgemein bekannt war, dass es sich dabei nicht um eine Kleinigkeit handelt. Am Eonia hängen Leithner zufolge Zinsderivate in Höhe von 22 Bill. Euro, am Euribor sogar von 109 Bill. Euro. Die Bedeutung von Benchmark-Indizes steige in allen Marktsegmenten, sagte der Manager. In den Aktienmärkten werde dies unter anderem durch den Trend zu passiven Anlageprodukten getrieben. Seitdem die ersten börsengehandelten Indexfonds (ETFs) Ende der neunziger Jahre an den Markt kamen, sei die Nachfrage massiv gestiegen. Als die Deutsche Börse im Jahr 2000 in das Geschäft einstieg, sei sie mit zwei Titeln gestartet. Heute sind es fast 1 400. Allein auf den Dax seien ETFs mit einem Umsatz von 29,5 Mrd. Euro im Umlauf, Indexfonds, die den Euro Stoxx nachbilden, bringen es demnach auf 17,4 Mrd. Euro.Leithner unterstrich, dass auch die sogenannten Smart-Beta-Strategien aus den traditionellen Indizes ableiten. Ein Beispiel dafür seien die “Stoxx-Minimum-Variance-Indizes”, die darauf abzielen, Risiko durch eine Minimierung der Volatilität abzusichern. Um das Geschäft mit Smart-Beta-Strategien auszubauen, hat die Deutsche Börse kürzlich für 850 Mill. Euro die US-Firma Axioma übernommen, die cloudbasierte Softwarelösungen für das Portfolio- und Risikomanagement anbietet.Auch thematische Indizes zu den Bereichen Klima, Demografie oder Technologie gewinnen Leithner zufolge zunehmend an Bedeutung, wobei der Fokus auf Nachhaltigkeitsthemen (ESG) liege. “Auf den ersten Blick haben wir es hier mit Aktien zu tun”, sagte Leithner. Früher oder später werde das Thema jedoch auch zinsseitig interessant werden: “Der nach ESG-Grundsätzen handelnde Investor wird sich irgendwann auch die Frage stellen, auf welchen Daten der Referenzzinssatz basiert und ob auch die des Klimasünders enthalten sind.”