Leuchtturm-Projekt für Cerberus
Bei der erstmaligen Privatisierung einer Landesbank spielte Cerberus eine wesentliche Rolle. Nun wird die in HCOB umbenannte HSH Nordbank unter Begleitung der US-Private-Equity-Firma auf Rendite getrimmt, um in die Einlagensicherung der Privatbanken zu gelangen. Ein Börsengang könnte bald folgen.Von Carsten Steevens, HamburgNun beginne für das Institut eine neue Zeitrechnung, erklärte Vorstandschef Stefan Ermisch, als vor gut einem Jahr – Ende Februar 2018 – die Verträge zum Verkauf der HSH Nordbank an ein Konsortium von Finanzinvestoren unterschrieben waren. Erstmals wurde die Privatisierung einer Landesbank besiegelt – ein Ereignis, das der inzwischen in Hamburg Commercial Bank (HCOB) umbenannten Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein weiterhin ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit bescheren wird, auch wenn sie mit einer Bilanzsumme von rund 55 Mrd. Euro im internationalen Branchenmaßstab als eher kleines Institut anzusehen ist. Nicht abgewickeltDie im Zuge der Finanzmarktkrise 2009 mit Milliardenhilfen der beiden Bundesländer über Wasser gehaltene Bank, die in den Folgejahren als bedeutender Schiffsfinanzierer unter großem Druck blieb, galt lange als möglicher Kandidat für eine Abwicklung. Doch das Schicksal der 2012 untergegangenen WestLB blieb der HSH Nordbank und ihren Ländereignern, die auch künftig noch an Milliardenlasten der Rettung zu arbeiten haben, erspart. Neben dem seit 2006 beteiligten US-Investor J.C. Flowers, der heute 35 % hält, fanden sich Golden Tree Asset Management (12,5 %), Centaurus Capital (7,5 %) sowie die Private-Equity-Firma Cerberus (42,5 %) für die Übernahme zu einem Kaufpreis von 1 Mrd. Euro bereit. Zuvor hatte die EU-Kommission ein Bieterverfahren veranlasst. Erleichterung über den durch die Brüsseler Kommission mit Bedingungen verknüpften Ausgang der Verhandlungen, der auch mit der Trennung eines Milliardenportfolios maroder Schiffskredite einherging, war der Bank anzumerken: Die neuen Eigentümer gehörten zu den weltweit erfahrensten Finanzinvestoren im Bankensektor, freute sich Vorstandschef Ermisch vor Jahresfrist. Die Erfahrung der Eigner eröffne dem Institut zusätzliche Chancen, im Wettbewerb ohne die bisherigen Auflagen der EU zu agieren. Parallelen zu Bawag Die größte Beachtung als neuer Miteigentümer dürfte Cerberus finden. Der “Höllenhund” aus New York führte im Oktober 2017 nicht nur Teile der zehn Jahre zuvor übernommenen österreichischen Krisenbank Bawag nach einem gelungenen Turnaround an die Börse – ein Schritt, der in einigen Jahren ebenso auf die HCOB zukommen könnte. Die Amerikaner engagierten sich 2017 auch – mit geringen Anteilen – bei Deutscher Bank (3 %) und Commerzbank (5 %). Beide Institute wollen nun einen Zusammenschluss prüfen (vgl. Schwerpunkt Seite 2 und 3). Die Beteiligungen zeigen: Der opportunistische Investor, der ein Vermögen von 35 Mrd. Dollar verwaltet und weltweit in unterschiedlichen Branchen investiert ist, sieht Chancen im deutschen Bankensektor.Cerberus hatte über die Wiener Tochter Bawag vor knapp zwei Jahren den in Stuttgart ansässigen Mittelstandsfinanzierer Südwestbank (Bilanzsumme: rund 7 Mrd. Euro) von den Hexal-Gründern Strüngmann übernommen und ist nun auch mit 2,5 % in Hamburg beteiligt. Der US-Investor gehe “eine Art Makrowette auf das deutsche Bankensystem ein”, so ein Brancheninsider. Mit einer starken Industrie und einigen Sektoren auf Weltklasseniveau, einer stabilen Politik und Rechtslage seien wesentliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Entwicklung von Banken in Deutschland gegeben. Als Faktoren für Investitionsentscheidungen dürften ebenso – die sich derzeit belebenden – Fusionsfantasien sowie die Aussicht auf ein Ende der Null- und Negativzinsphase eine Rolle spielen. FusionsfantasienSkepsis wird in Anbetracht von Spekulationen deutlich, die Private-Equity-Firmen könnten ein strategisches Konsolidierungsinteresse im deutschen Bankenmarkt verfolgen und darauf aus sein, die HCOB mit einem anderen Finanzinstitut zusammenzuführen. Jede Transaktion und Investition müsse sich selbst rechnen, heißt es im Investorenumfeld. Schließlich bestünden gegenüber den Eigenkapitalgebern Rückzahlungsverpflichtungen.Für die im Bankensektor und in der deutschen Politik vernetzte Beteiligungsfirma Cerberus dürfte gerade das Engagement bei der HCOB von großer Bedeutung sein, um sich in Deutschland als verlässlicher Investor zu profilieren. Das Heuschrecken-Image, das den auf Problemfällen ausgerichteten Investoren angeheftet wurde, habe in Deutschland lange dafür gesorgt, dass angelsächsische Private-Equity-Firmen “an die richtig guten Bank-Assets” nicht herankamen, sagte der Insider. Inzwischen habe sich der Investor Cerberus, der mit seinen Teams Beteiligungen so gründlich auf Risiken und Potenziale durchleuchte wie kaum ein anderer, Vertrauen erarbeitet – Vertrauen, das vor allem mit dem Leuchtturm-Projekt der HCOB-Beteiligung in den kommenden Jahren ausgebaut werden soll.Mit der Ende November vorigen Jahres vollzogenen Transaktion habe für die Bank ein “durchgängiger Sprint” bis 2022 begonnen, so die Einschätzung bei der HCOB. Zwar gaben europäische und nationale Bankenaufseher sowie die EU-Kommission nach den erfüllten Auflagen des zweiten EU-Beihilfeverfahrens grünes Licht für die Privatisierung. Doch um in knapp drei Jahren “nahtlos” von der Institutssicherung der Sparkassen-Finanzgruppe in die Einlagensicherung des privaten Bankenlagers wechseln zu können, muss die HCOB einer nach zähen Verhandlungen zwischen dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) erreichten Verständigung vom vergangenen Herbst zufolge noch einige Voraussetzungen erfüllen.Vor allem bei der Rentabilität liegt die Bank weit von geforderten Kennzahlen entfernt. Die Anforderungen sehen neben einer harten Kernkapitalquote von mindestens 15 % eine Eigenkapitalrendite von mehr als 8 % sowie ein Aufwand-Ertrags-Verhältnis von rund 40 % vor. Diese von den neuen Eigentümern akzeptierten Werte will die im Zuge der Transaktion weitgehend von ihren Altlasten befreite Bank mit bisherigen Geschäftssegmenten wie Immobilien und Shipping, Unternehmenskunden und Projektfinanzierung sowie kapitalmarktorientierten Dienstleistungen erreichen, die an manchen Stellen noch leicht ergänzt werden könnten – etwa durch Leasing oder Engagements im Ausland. Für 2018 weist die HCOB vorläufigen Zahlen zufolge eine Eigenkapitalrendite vor Steuern von 2,2 % auf, wobei das Ergebnis stark von Sondereffekten geprägt wurde. Da sei noch viel Luft nach oben, heißt es. Geld verdienen will die Bank im Zuge der anstehenden Transformation mit profitablen Produkten und einem effizienten Vertrieb auf Basis eines disziplinierten Kapitaleinsatzes und einer wettbewerbsfähigen Refinanzierung.Große Bedeutung haben aber auch Einsparungen, um die Kostenbasis um mehr als 100 Mill. auf 300 Mill. Euro zu drücken. Eine weitere Reduktion von zuletzt noch gut 1 700 auf rund 930 Stellen ist Teil des Plans – etwa durch Auslagerung der IT-Anwendungsentwicklung sowie der Einstellung oder Vereinfachung von Aktivitäten. Bei der HCOB zeigt man sich zuversichtlich, als mittelständische Bank gute Aussichten zu haben und die Voraussetzungen für den Übergang in die private Einlagensicherung rechtzeitig zu erfüllen.Die Zeit ist allerdings knapp, und die Bank ist zum Erfolg verdammt. Einen Notfallplan, einen “Plan B” gibt es offenbar nicht, – etwa für den Fall einer deutlichen Verschlechterung externer Faktoren. Die Devise laute “Make or break”, heißt es im Umfeld der Bank. Diese sieht sich mit Unwägbarkeiten auch im Zuge etwa einer Milliardenklage durch eine Gruppe institutioneller Anleihegläubiger konfrontiert. Diese Investoren sehen sich im Zusammenhang mit dem Verkauf der Landesbank an private Finanzinvestoren benachteiligt und streiten vor Gericht um Schadenersatzforderungen von 1,4 Mrd. Euro. Eine Frage des VertrauensAuf ihrem weiteren Kurs kann sich die HCOB darauf stützen, dass der Erfolg an der Elbe für die neuen Eigentümer von erheblicher Bedeutung sein dürfte. Ein Misserfolg bei diesem spektakulären Projekt der Restrukturierung der ersten privatisierten Landesbank würde dem Vertrauen in die Turnaround-Spezialisten aus dem Private-Equity-Lager in Deutschland schaden. Sollte die Bank jedoch die erforderliche Eigenkapitalrendite erreichen und der Übergang in die Einlagensicherung der Privatbanken reibungslos ablaufen, könnte dies die künftige Rolle der Finanzinvestoren im deutschen Finanzsektor stärken.—-Zuletzt erschienen:- BMW und Daimler (15.3.)- Henkel (12.3.)- Linde (8.3.)