Lobbyist ohne Lobbyingvertrag

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 18.12.2020 Karl-Theodor zu Guttenberg möchte kein Lobbyist sein. Das hat der Ex-Wirtschaftsminister bei seinem Auftritt vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss am Donnerstag gleich zu Beginn zum...

Lobbyist ohne Lobbyingvertrag

Von Stefan Paravicini, Berlin Karl-Theodor zu Guttenberg möchte kein Lobbyist sein. Das hat der Ex-Wirtschaftsminister bei seinem Auftritt vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss am Donnerstag gleich zu Beginn zum Ausdruck gebracht. Seine New Yorker Beratungsfirma, Spitzberg Partners, sei “kein Lobbyunternehmen” und schließe auch “keine Verträge über Lobbyingleistungen ab”, stellte der 49-Jährige klar, der mit seiner Firma ab dem Frühjahr 2016 bis Juni 2020 mit kurzen Unterbrechungen für Wirecard tätig war und damit bis kurz vor dem Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters als externer Berater zur Verfügung stand. Das Beratungsmandat habe zunächst vor allem Leistungen mit Blick auf die Marktdurchdringung in Nordamerika umfasst und Expertise zu Technologiethemen wie der Blockchain. Der Untersuchungsausschuss interessiert sich vor allem für Leistungen von Spitzberg Partners rund um den Markteintritt von Wirecard in China, die auch das Kanzleramt betreffen.Seine Firma biete “advice on engagement with government authorities” an, ohne sich selbst bei Regierungsstellen für Klienten zu verwenden, betonte der Ex-Minister, der 2011 nach einer Plagiatsaffäre seine politischen Ämter niederlegte, bei der öffentlichen Zeugenbefragung vor dem Ausschuss. In 99 % der Fälle würden Bitten um Lobbyingleistungen von Spitzberg Partners deshalb an andere Dienstleister verwiesen, sagte zu Guttenberg. Und dann sind da halt noch die anderen 1 %. Denn als Wirecard bei Spitzberg Partners mit Plänen für den Markteinstieg in China vorstellig wurde, erstellte die Beratungsfirma nicht nur eine Analyse zum Payment-Markt in China und eine Shortlist möglicher Übernahmeziele in der Volksrepublik, sondern unterrichtete auch die deutsche Vertretung in Peking sowie das Bundesfinanzministerium über die Pläne und suchte um politische Unterstützung für das Vorhaben an.Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang September 2019 erwähnte zu Guttenberg die Pläne von Wirecard ebenfalls. Allerdings nur, weil die Kanzlerin auf ihre unmittelbar bevorstehende China-Reise zu sprechen kam. Sachen gibt’s. “Advice on engagement with government authorities”, nur halt gerichtet an die Bundeskanzlerin und mit Blick auf ihren Umgang mit der chinesischen Regierung. Er selbst habe das Thema Wirecard bei dem Treffen mit privatem Charakter ohne Agenda eigentlich gar nicht ansprechen wollen, beteuerte zu Guttenberg lässig. Der Austausch zu Wirecard mit Merkel, mit der zu Guttenberg in den vergangenen zehn Jahren nach seinen Angaben im Schnitt etwa einmal pro Jahr in diesem vertraulichen Format zusammengetroffen ist, habe maximal drei Minuten gedauert, und die Kanzlerin habe eine Unterstützung der China-Pläne des Zahlungsdienstleisters nicht zugesagt, sondern auf die Fachebene im Kanzleramt verwiesen.Die Darstellung des Kontakts zur Kanzlerin habe “geradezu bizarr” angemutet, erklärte der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann nach der Anhörung zu Guttenbergs vor dem Untersuchungsausschuss. Auf die Frage, warum er im Frühjahr 2020 einen Namensartikel zum Thema Leerverkäufe veröffentlicht hat, während er in die Beratung zur Öffentlichkeitsarbeit von Wirecard eingebunden war, die von Short-Sellern attackiert wurde, sei er ebenfalls eine überzeugende Antwort schuldig geblieben. Eine Lobbyingleistung erkennt man auch ohne Vertrag.——Karl-Theodor zu Guttenberg leitet Bitten um Lobbying in den meisten Fällen weiter.——