"Marktplätze wie Auxmoney fallen aus dem Raster"
Kreditmarktplätze stoßen vermehrt auf Interesse bei institutionellen Investoren. Dabei beschränken sich einige Plattform-Betreiber wie Funding Circle und Auxmoney auf die reine Vermittlertätigkeit – was Bernhard Fuhrmann von der Varengold Bank ein Dorn im Auge ist. Ohne eigenen Risikobehalt des Maklers könne es auf Dauer nicht funktionieren, so der Experte des auf Marktplatz-Kredite spezialisierten Hamburger Instituts. Denn nur dieser Anreiz diszipliniere entsprechend, um höchste Risikostandards durchzusetzen.- Herr Fuhrmann, bei Kreditmarktplätzen wird Investoren eine Rendite von 5 bis 7 % in Aussicht gestellt. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?Es gibt nicht den allgemeingültigen Marktplatz, sondern es werden ganz unterschiedliche Finanzierungen wie Konsumentenkredite, besicherte KMU-Kredite oder Immobilien-Brückendarlehen getätigt. Bei all diesen unterschiedlichen Marktplätzen sind wir mit Funding aktiv. Und wenn man noch die regionale Komponente hinzunimmt, dann streuen die Renditen doch ganz schön. Für die Varengold Bank beträgt die Zinsspanne derzeit 4 bis 9 %. Mittlerweile haben wir in den letzten beiden Jahren mehr als 100 Mill. Euro über Marktplätze investiert.- Und wie sieht es mit der Risikoverteilung im Marktplatzmodell aus, wenn es zu Ausfällen kommt?Das ist die zentrale Frage, die wir uns grundsätzlich stellen. Denn was sich jetzt am Markt beobachten lässt, ist, dass sehr viele Marktplätze Funding einsammeln und diese ohne eigene Risikobeteiligung investieren. Ich bezweifele, dass dieses Modell zielführend ist.- Warum?Am Ende ist es doch so, dass es ohne “skin in the game” nicht geht. Verluste einfach an die Investoren durchzureichen, wird auf Dauer nicht funktionieren. Deshalb begleiten wir nur Marktplätze, die selbst “First Loss Pieces” tragen. Wir sind davon überzeugt, dass ein Marktplatz sich nur unter dieser Voraussetzung nachhaltig durchsetzen wird. Institutionelle Investoren fühlen sich nun mal deutlich wohler, wenn derjenige, der ihre Gelder anlegt, durch eigene Verlustbeteiligung incentiviert ist, hohe Risikostandards anzusetzen. Das großvolumige Geschäft mit syndizierten Kreditvergaben durch Banken funktioniert seit Jahren nur auf dieser Basis. Und das soll jetzt alles falsch sein?- Keinesfalls. Das war ja auch eine der vielen Lehren aus der Finanzkrise.Für uns müssen Marktplatzfinanzierungen einen Kundennutzen stiften, also dass Kunden eine Finanzierung erhalten, die sie sonst nicht erhalten hätten. Diesem Leitgedanken entsprechen viele Marktplätze, wurden sie doch im Nachgang zur Finanzkrise gegründet, als die Kreditvergabe durch Banken ermüdete. Allerdings sehen wir heute ein Marktverhalten, welches in fataler Weise an die Zeit vor Lehman erinnert: Wenn es stimmt, dass beispielsweise Funding Circle von einem einzelnen Investor (Waterfall Asset Management) 1 Mrd. Pfund zugesagt bekam, wie kürzlich zu lesen war, und diese Gelder ohne Risikobeteiligung seitens des Marktplatzes investiert werden, werden falsche Anreize – zugunsten eines reinen Volumendenkens – gesetzt. Was denken sie sich dabei? Bei Subprime ist heute allen klar, dass das blöd war und zu hohen Verlusten für die Investoren führte. Und einen solchen Fehler wollen wir heute wiederholen?- Wie sieht denn ein vernünftiges Risk Sharing im Kreditmarktplatz-Modell aus?In unserem Portfolio erwarten wir First Loss Pieces von üblicherweise 5 bis 15 % durch den Marktplatzbetreiber. In manchen Fällen allerdings stellen wir zusätzlich auch auf Garantien der Marktplatzbetreiber ab. Man muss individuelle Lösungen entwickeln, da nicht viele Marktplätze in einer frühen Unternehmensphase Cash-flow-positiv sind.- Wie sieht die Risikosteuerung für die Varengold Bank als Kreditgeber konkret aus?Was auf Marktplatzseite passieren muss, ist die Risikoprüfung mindestens genauso gut zu gestalten, wie das üblicherweise von Bankenseite erfolgt. Das allein reicht aber noch nicht aus. Wenn wir heute Marktplätze anbinden, dann unternehmen wir zunächst eine fundierte Kreditanalyse, prüfen also deren Kreditmodell. Dann klären wir zusätzliche Fragen wie Servicing- und Veritätsrisiken. Für den Fall, dass ein Marktplatz insolventgeht, muss man wissen, was mit den Forderungen passiert. Wenn da auf einmal 200 000 Einzeldarlehen stehen, muss schon vorab ein Ersatzservicer bestellt worden sein.- Wer macht das vom Geschäftsmodell und dem operativen Management her gut und wer weniger gut?Ein paar unserer Plattformpartner sind öffentlich bekannt. Grover, einer der europäischen Marktführer für Miet-Commerce in der Unterhaltungselektronik, dessen Finanzierungsangebote über uns laufen, ist ein langjähriger Partner. Auch zu Kreditech haben wir eine intensive Verbindung. In England haben wir einige Marktplätze angebunden, Market Invoice ist einer der größeren. Kürzlich kam Assetz Capital hinzu. Zudem sind wir bei einigen Plattformen für Immobilien-Brückendarlehen engagiert. Mit unserem langjährigen Know-how in Due-Diligence-Prozessen im Kreditsektor fühlen wir uns gerüstet, auch jüngere Marktplätze anzubinden. Die begleiten wir dann punktuell mit weiteren Dienstleistungen, die nichts mit dem Kredit zu tun haben – etwa der Vermittlung von Eigenkapital (ECM), durch Brückenfinanzierungen oder mit regulatorischem Fronting. Marktplätze ohne eigene Risikobeteiligung, wie beispielsweise Auxmoney und Funding Circle, fallen bei uns derzeit aus dem Raster.- Setzen Sie auch Verbriefungen ein?Ja, das machen wir auch. In der Struktur der Finanzierungen gibt es fast nichts, was wir nicht implementiert haben. Verbriefungstechnologie, das Aufsetzen von SPVs (Special Purpose Vehicles) sowie eine dezidierte Beratung über eine sachgerechte Tranchierung sind uns sehr wichtig. Diese breite Palette ist für uns natürlich ein erhöhter Aufwand, doch wir passen uns gerne an die existenten Strukturen der jeweiligen Plattformen an. Unsere Leistung besteht ja auch darin, deren Daten zu verarbeiten – und man kann nicht verlangen, dass die Strukturen bei allen deckungsgleich sind. Deshalb haben wir letztes Jahr in unsere Fähigkeit zur Datenanbindung per API investiert. Das funktioniert jetzt wunderbar reibungslos. Mit der Zeit ist bei uns ein gewisser Datenschatz gewachsen, der uns Einblicke erlaubt, wie sich gewisse Kundengruppen bei bestimmten Marktplätzen verhalten. Das stellt in diesem relativ jungen Marktsegment einen Wert an sich dar.- Was für Kreditarten sind für Sie attraktiv?KMU-Kredite sind zwar definitiv der Renner im Moment. Aber auch da muss man aufpassen mit der Risikobetrachtung, denn der Markt in Deutschland ist überwiegend abgedeckt. Wir können zum Beispiel beobachten, dass erste große Banken das untere Marktsegment der KMU für sich erkannt haben und mit Kampfkonditionen Marktanteile zu gewinnen suchen.- Also wollen Sie eher weniger ins KMU-Segment gehen.Uns gefallen kurzfristige Immobilienfinanzierungen besser, weil diese ein gutes Risikoprofil haben und ich über 30 Jahre gesehen habe, wie langfristige Ausreichungen leistungsgestört werden, während kurzfristige Finanzierungen deutlich besser performten. Bei Konsumentendarlehen sind wir nur begrenzt investiert, weil dort häufig das Risiko-Rendite-Profil nicht stimmt.- Wie beurteilen Sie die grundsätzliche Perspektive von Kreditmarktplätzen?Nun, es ist ein offenes Geheimnis, dass die Marktplatzmodelle noch nicht den kompletten Kreditzyklus erlebt haben. Damit wird meine Einschätzung, dass Marktplätze ohne eigene Risikobeteiligung nicht nachhaltig aufgestellt sind, noch virulenter. Ihre Bewertungen basieren im Wesentlichen auf den gesammelten Nutzerdaten und ihren Wachstumsraten. Wenn das mal heißläuft und kein tragfähiges Geschäftsmodell Substanz bietet, dann werden sich die Investoren von solchen Marktplätzen zurückziehen. Diejenigen allerdings, die sich durchsetzen, haben ein enormes Wachstumspotenzial. Die Branche ist insgesamt ein Wachstumsmotor, der Millionen von Konsumenten und kleineren Unternehmen den Zugang zu dringend benötigtem Kapital ermöglicht.- Mit 20 Plattformen besteht bei Varengold bereits eine Verbindung. Wie viele sollen das werden?Wir erwarten eine deutliche Steigerung der Anzahl der Partnerschaften mit Plattformen, da immer neue Marktteilnehmer aktiv werden. Konkret planen wir eine Verdoppelung der Kreditvolumina in 2019. Wir haben frisch Eigenkapital aufgenommen, das reicht locker dafür. Das Volumen pro Plattform variiert stark, eben je nach Portfoliorisikobetrachtung. Insgesamt achten wir auf eine breite Vielfalt unserer Partner zur eigenen Risikodiversifizierung.- Zum Abschluss noch ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Was ist Stand der Dinge bei der Aufarbeitung von Geschehnissen rund um Cum-ex-Transaktionen?Da geht es um Dinge, die passiert sind, lange bevor ich in der Varengold Bank tätig wurde. Von daher möchte ich da nichts kommentieren. Nur einen Punkt: Unsere Risikoeinschätzung zeigt sich darin, dass sich in unserer Bilanz keinerlei Rückstellungen zu diesem Sachverhalt finden.Das Interview führte Björn Godenrath.