BILANZSKANDAL IM DAX

Markus Braun geht, James Freis übernimmt

Nach dem Kursabsturz wirft der Wirecard-Chef das Handtuch - Deutlicher Vermögensschaden auch für ihn

Markus Braun geht, James Freis übernimmt

Von Stefan Kroneck, MünchenDie zugespitzte Vertrauenskrise bei Wirecard hat einen Chefwechsel ausgelöst. Einen Tag nach der überraschend abgesagten Vorlage des Jahresabschlusses 2019 aufgrund aufgedeckter Bilanzierungsmissstände im Volumen von 1,9 Mrd. Euro kündigte der unter Druck geratene Zahlungsabwickler an, dass der langjährige Vorstandsvorsitzende Markus Braun (51) seinen Posten mit sofortiger Wirkung räumt.Zu seinem kommissarischen Nachfolger bestellte der Aufsichtsrat unter Leitung von Thomas Eichelmann den gerade beim Dax-Konzern frisch angetretenen James Freis (49). Eichelmann warb den Amerikaner von der Deutschen Börse ab. Der Jurist sollte ursprünglich in der neu geschaffenen Rolle des Compliance-Chefs im Vorstand starten, um Braun bei der Neuorganisation von Wirecard zu unterstützen (vgl. BZ vom 9. Mai). Nun muss Freis das Unternehmen als Interims-CEO nach dem Bilanzskandal wieder ins Lot bringen. Er steht vor einschneidenden Aufräumarbeiten in der Konzernführung, im Rechnungswesen und Controlling, in der Kapitalmarktkommunikation und in der Zusammenarbeit mit vor allem ausländischen Kooperationspartnern.In einer Ad-hoc-Meldung von Wirecard fehlten vom Aufsichtsratchef Thomas Eichelmann zu Brauns Rücktritt Worte des Bedauerns. Seine Entscheidung sei “in Einvernehmen” mit dem Kontrollgremium gefallen.Tags zuvor löste die Pflichtmitteilung von Wirecard in Bezug auf den Jahresabschluss ein Kursdesaster aus. Der Titel stürzte um 62 % ab (vgl. BZ vom 19. Juni). Am Freitag setzte das Papier seine Talfahrt fort. Die Aktie büßte zeitweise um mehr als die Hälfte auf 19,26 Euro ein. Die Nachricht vom Chefwechsel begrenzte die Kursverluste nur geringfügig. Der Anteilschein ging zum Wochenschluss bei 25,82 Euro (- 35,3 %) aus dem Xetra-Handel. Das im September 2018 in den Dax aufgestiegene Unternehmen ist am Markt nur noch 2,4 Mrd. Euro wert. Wirecard droht der Rauswurf aus der deutschen Börsenoberliga.Der Absturz an der Börse traf auch das Vermögen von Braun empfindlich. Der gebürtige Wiener hält als größter Einzelaktionär 7,1 % des in 123,6 Millionen Papiere aufgeteilten Grundkapitals. Ende Mai – mitten in abermaligen, selbstverschuldeten Kursturbulenzen – erhöhte er seine Beteiligung geringfügig um 0,2 Prozentpunkte (vgl. BZ vom 29. Mai). Der promovierte Wirtschaftsingenieur erwarb 27 600 Aktien zu einem Stückpreis von 90,38 Euro. Dafür berappte er 2,5 Mill. Euro. Allein diese Transaktion erwies sich für ihn als Verlustgeschäft. Am Freitag war dieses Paket nur noch 0,53 Mill. Euro wert. Braun versenkte auf dem Papier also 2 Mill. Euro binnen 22 Tagen. In Bezug auf sein Gesamtpaket ist nicht klar, ob er auf dieser Ebene ebenfalls schon im Minus steht. Seine insgesamt 8,75 Millionen Wirecard-Papiere zeigten am Freitag zeitweise nur noch 168 Mill. Euro auf dem Kurszettel an. Ende April war er noch Milliardär. Seinerzeit war sein Paket noch 1,2 Mrd. Euro wert.