Mehr Transparenz und Branchenstandards
Um den deutschen Zertifikatemarkt ist es in den vergangenen Jahren ruhig geworden. Von der Hausse an den Aktienmärkten war nicht viel zu spüren. Mehr als sieben Jahre nach der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank und des Zertifikateemittenten Lehman Brothers ist das Interesse an Zertifikaten und Hebelprodukten noch nicht gestiegen. Das Marktvolumen fiel von 98,7 Mrd. Euro Ende Dezember 2012 auf zuletzt 71 Mrd. Euro. Noch im September 2007 lag das in Derivaten verwaltete Volumen bei rund 139 Mrd. Euro. Das Marktschwergewicht liegt bei den Kapitalschutzzertifikaten (14,7%) und strukturierten Anleihen (32,2 %). Allerdings verlieren diese beiden Produktgruppen seit Monaten durch das Laufzeitende von Altprodukten kontinuierlich Volumina. Stattdessen ist angesichts der Niedrigzinsen an den Anleihemärkten das Interesse an Express-Zertifikaten und Aktienanleihen deutlich gestiegen. Innerhalb von zwei Jahren sind die in Aktienanleihen verwalteten Anlegergelder um 1,4 Mrd. Euro auf 8,2 Mrd. Euro geklettert. Der Marktanteil liegt bei 13,1 % am Gesamtvolumen des Zertifikatemarkts. Das Open Interest der Express-Zertifikate wuchs im gleichen Zeitraum um 1,5 Mrd. Euro auf 6,1 Mrd. Euro. Der Anteil am Gesamtvolumen beträgt 9,7 %. Das Marktvolumen der strukturierten Retail-Derivate zeigt, dass sich die Bemühungen um eine Imageverbesserung des Zertifikatemarkts noch nicht positiv, das heißt in steigenden Zuflüssen, ausgewirkt haben. Dabei wird der Fairness Kodex des Deutschen Derivate Verbandes (DDV), des Interessenverbandes der Zertifikatebranche, allgemein als Beispiel für eine bislang erfolgreiche Selbstregulierung angesehen. Daneben hat die Branche die Transparenz erheblich verbessert und Branchenstandards gesetzt, indem sie eine Produktklassifizierung in Form der Derivate-Liga vorgenommen und Fachbegriffe vereinheitlicht hat, Muster-Produktinformationsblätter für alle Zertifikatetypen und aussagekräftige Risikokennzahlen für nahezu alle Zertifikate anbietet sowie Zertifikate-Indizes etablierte, mit denen sich die Branche dem Leistungsvergleich mit anderen Finanzprodukten stellen kann. Neben der hohen Risikoaversion der Anleger, die auch andere Finanzproduktanbieter spüren, leidet die Industrie allerdings unter dem Anlegerschutzgesetz und dem damit verbundenen erheblichen Dokumentationsaufwand. So zeigen Umfragen unter Anlageberatern und Emittenten, dass sich die Beratungsprotokolle verkaufshemmend auswirken und viele Kunden durch die Fragenflut abgeschreckt werden. Der hohe Verwaltungsaufwand und die rechtlichen Risiken haben dazu geführt, dass immer mehr Banken das Geschäft mit den Zertifikaten auf Internetplattformen verlagern, um den Beratungsaufwand weiter zu reduzieren. Aufwind haben in den vergangenen Jahren zunehmend diejenigen Plattformen erfahren, die den Vertrieb maßgeschneiderter Produkte ermöglichen. Diese Papiere werden demzufolge erst emittiert, wenn der Anleger bei einer Bank nach einem für ihn geeigneten Produkt anfragt.