IM GESPRÄCH: ANKE SAHLÉN UND DANIEL KALCZYNSKI

Mifid II bremst Deutsche Bank

Bundesweites Wealth Management des Konzerns liegt 2018 bislang unter Plan - IT-Umbau soll Prozesse vereinfachen

Mifid II bremst Deutsche Bank

Die Einführung des Regelwerks Mifid II zeigt nicht nur im gewöhnlichen Massengeschäft der Banken Wirkung. Auch die Betreuung vermögender Kunden im Wealth Management sei nun schwieriger als zuvor, berichtet die Deutsche Bank. Das wirkt sich auch auf die Erträge aus.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Deutsche Bank stellt sich im laufenden Jahr auf rückläufige Erträge und auf ein sinkendes Ergebnis im deutschen Wealth-Management-Geschäft ein – trotz Nettomittelzuflüssen. Dies ist in einem Gespräch der Börsen-Zeitung mit den beiden Co-Heads Wealth Management Germany, Daniel Kalczynski und Anke Sahlén, deutlich geworden. Ursachen sind Bremsspuren durch die Einführung der Richtlinie Mifid II, abflauende Sonderertrage, die Integration von Sal. Oppenheim sowie Investitionen. Sahlén spricht von einem Übergangsjahr und äußert sich zu 2019 deutlich optimistischer.Konkrete Zahlen nennt die Bank fürs deutsche Geschäft nicht. Allerdings ist klar, dass sie bundesweit im bisherigen Jahresverlauf unter Plan liegt. “Auf der Ertragsseite haben wir die neue Regulierung zu spüren bekommen”, berichtet Kalczynski mit Blick auf Mifid II. Wegen der neuen Vorgaben dauere es schlicht länger, mit Kunden zu sprechen. Das Geschäft sei daher nach Einführung von Mifid II nicht mehr so aktiv gewesen. “Ausmaß und Dauer hatten wir anders eingeschätzt”, räumt Kalczynski ein. Büroleiter Rogge gehtDie zu Jahresbeginn eingeführte Finanzrichtlinie sorgt mit umfangreichen Vorgaben zum Beratungsgeschäft in der gesamten Branche für Verdruss. Der Privatkundenvorstand einer größeren deutschen Bank spricht hinter vorgehaltener Hand von einer “Katastrophe”, da Kunden sich angesichts des mit den Vorgaben verbundenen Zeitaufwands vom Beratungsgeschäft abwendeten.Daneben hat sich die Integration von Sal. Oppenheim ausgewirkt, wie Kalczynski erläutert. Diese hat etwa Friedrich Rogge, der frühere Leiter des Düsseldorfer Oppenheim-Büros, zum Anlass genommen, dem Haus den Rücken zu kehren und mit seinem Team bei Rothschild & Co anzuheuern, wie seit kurzem bekannt ist. Zwei Drittel der von Oppenheim verwalteten Gelder hat die Deutsche Bank im Zuge der Integration indes halten können, wie Sahlén berichtet.Laut Kalczyinski hat die Bank dem Ertragsausfall mit Kosteneinsparungen entgegengewirkt, so dass der Vorsteuergewinn nicht im gleichen Ausmaß gefallen und sogar einigermaßen stabil geblieben sei.Für ihr globales Wealth Management hat die Deutsche Bank im Halbjahresbericht für die ersten sechs Monate einen Ertragsrückgang um 243 Mill. Euro oder 21 % ausgewiesen, was sie auch mit Effekten aus der Fremdwährungsumrechnung begründet hat. Ohne Sondereffekte hätten sich die Einnahmen leicht erhöht, heißt es im Zwischenbericht per Ende Juni. Ertragswachstum in der Region Asien-Pazifik und in der Region Amerika habe dabei geringere Erträge in Europa, dem Nahen Osten und Deutschland kompensiert.Ungeachtet der jüngst schwierigen Ertragslage zählt das Wealth Management schon seit längerem zu den Lieblingsaktivitäten des Instituts. Der Grund ist simpel: Es handelt sich, im Gegensatz zum volatilen Investment Banking, um ein Geschäftsfeld, das kaum Eigenkapital bindet, wenig Potenzial für Reputationsschäden besitzt und vor allem stabile Erträge liefert. Nicht zuletzt ist die Deutsche Bank in dieser Disziplin bundesweit mit Abstand Marktführer, selbst wenn man die bloß verwalteten Volumina hinausrechnet (siehe Grafik). Ein Plus von 3 Mrd. EuroIm zweiten Quartal ist das Volumen der verwalteten Mittel, nach Stillstand im Startquartal, laut Angaben der Bank um rund 3 Mrd. auf 93 Mrd. Euro angewachsen. Die Nettomittelzuflüsse beziffert die Bank auf Anfrage nicht konkret. Der Markt habe in den ersten sechs Monaten indes kaum geholfen, sagt Kalczynski und deutet damit an, dass sich der Nettomittelzufluss in einer ähnlichen Größenordnung bewegt hat.Grundsätzlich will das Management Sahlén zufolge das Volumen der verwalteten Vermögen schneller ausweiten als die Konkurrenten. Der Markt dehnt sich Beratern zufolge in Westeuropa in einem Tempo von jährlich etwa 3,5 % aus. 2017 hätten die verwalteten Mittel sogar doppelt so rasch wie die Branche zugelegt.Im kommenden Jahr soll dann auch die Schere zwischen Volumenwachstum und Ertragsentwicklung nicht mehr auseinandergehen. Schon das dritte Quartal sei zufriedenstellend verlaufen, heißt es. “Und wir sind profitabel”, stellt Sahlén heraus. Gerade kleine Anbieter haben es laut Marktbeobachtern dagegen zunehmend schwer, Gewinn zu erwirtschaften. Spürbare BelebungIm dritten Quartal haben sich Kalczynski zufolge noch immer Spuren der durch Mifid bedingten Verlangsamung gezeigt. Die Bank sei noch nicht zurück auf dem gewohnten Niveau, verzeichne aber bereits eine spürbare Belebung, erzählt er. Für das Schlussquartal habe sich das Institut viel vorgenommen. Die Kundengespräche verliefen erfolgversprechend.Auf die Ertragsdelle durch Mifid hat die Bank Kalczynski zufolge nicht zuletzt mit einem Umbau der IT reagiert. Auf diese Weise sollen Berater das komplizierte Mifid-Prozedere besser bewältigen. Ziel sei es zunächst gewesen, pünktlich zur Mifid-Einführung am 3. Januar den neuen Anforderungen vollauf zu genügen, was nicht überall im Markt der Fall gewesen sei, sagt Kalczynski. Nun müsse Ziel sein, den Prozess zu verbessern. Zugleich forciert die Bank ihre Vermögensverwaltung. Denn wenn sich ein Kunde im Wealth Management zur Umwandlung eines Beratungs- in ein Vermögensverwaltungsmandat entschließt, “haben Sie Mifid mit einem Schritt erledigt”, sagt Kalczyinski. Ein Europa-Chef kommtDerzeit liegen rund 30 % der bundesweit verwalteten Mittel in Vermögensverwaltungsmandaten, wie Sahlén erklärt. “Den Anteil der Vermögensverwaltung wollen wir ausbauen und daneben weiter das Beratungsgeschäft anbieten. Mit unserer Infrastruktur können wir das auch.”Zum einen gibt es Kunden, die bei Anlageentscheidungen das letzte Wort behalten möchten, wie Kalczynski erläutert. Zum anderen geht die Bank auch davon aus, dass kleinere Wettbewerber sich im Laufe der Zeit aus der Wertpapierberatung zurückziehen und dem Marktführer damit Marktanteile überlassen werden. Kalczyinski: “Dann wollen wir bereitstehen.” Dieses Vorhaben wird das Duo unter neuer Führung angehen. Denn während die Deutsche Bank andernorts Managementebenen herausnimmt und etwa den Posten von Alasdair Warren, dem Corporate-Finance-Chef für Europa, den Mittleren Osten und Afrika, nach dessen Abschied kurzerhand nicht neu besetzt hat, schafft sie im Wealth Management per Anfang Dezember die Position eines Europa-Chefs und besetzt sie mit Claudio de Sanctis, der in den vergangenen fünf Jahren das Private Banking der Credit Suisse in Europa verantwortet hat. Kalczynski und Sahlén werden künftig an ihn und nicht mehr an den weltweiten Chef Fabrizio Campelli berichten. Zudem verändert die Bank den regionalen Zuschnitt ihres Wealth Managements.Hintergrund sei, dass die Bank noch stärker wachsen wolle, sagt Sahlén. De Sanctis, der das Private-Banking-Geschäft von Credit Suisse als dessen Leiter stark ausgebaut habe, solle Expertise mitbringen und das Wachstum beschleunigen. Mit Deutschland und Europa zum einen, Amerika zum anderen sowie Nordafrika und dem asiatisch-pazifischen Raum habe die Bank zudem ihr Geschäft künftig in drei Regionen unterteilt, die ähnliche Wachstumsraten und Kundenanforderungen aufwiesen. Die Zahl der Kunden im deutschen Wealth Management der Bank beziffern Kalczyinski und Sahlén nicht. Während DWS-Chef Nicolas Moreau Nettomittelabflüsse im Assetmangement jüngst dem Bild angelastet hat, das der Deutsche-Bank-Konzern in der Öffentlichkeit abgibt, spüren Kalczyinski und Sahlén eigenen Angaben zufolge keine negativen Auswirkungen im Geschäft. “Das Wichtigste ist die persönliche Betreuung vor Ort”, hält Sahlén fest. Man müsse die Dinge erklären, wie sie seien. So habe die deutsche Finanzaufsicht BaFin nicht das Wealth Management der Bank angegriffen, als sie jüngst im Konzern einen Sonderbeauftragten für Geldwäsche einsetzte. “Dass wir neue Gelder gewinnen können für die Bank, zeigt, das die Kunden das Differential herstellen”, sagt Kalczynski. Allgemein spürten die Mitarbeiter eine positive Stimmung, sagt Sahlén: “Wir haben die volle Unterstützung des Senior Managements der Bank.” Die Kunden registrierten, dass der deutsche Branchenprimus in Wachstum investiere.Neue Filialen plant der derzeit in 35 Städten präsente Wealth-Management-Anbieter zwar nicht. Aber: “Wir wollen uns selektiv dort verstärken, wo wir stark wachsen und Talente finden, die zu uns und unseren Kunden passen”, sagt Sahlén. Dies sei in den Ballungsräumen im Norden und im Süden der Republik der Fall.In der Provisionspolitik forcieren viele Anbieter Einmalentgelte anstelle von transaktionsabhängigen Sätzen. Die Deutsche Bank setzt auf eine performanceabhängige Vergütung. Sahlén: “Viele Unternehmen wünschen sich flexible Modelle. Wir lassen uns gerne an der Wertentwicklung messen.” Nicht alle Anbieter könnten oder wollten eine performanceabhängige Vergütung anbieten. Deutsche-Bank-Kunden zahlten grundsätzlich eine Management Fee, die zum Teil performanceabhängig gestaltet sei, dazu ein pauschales oder an Einzeltransaktionen orientiertes Entgelt in der Vermögensverwaltung. Illiquide Anlagen hoch im KursIm Markt macht Kalczyinski derzeit drei Entwicklungen aus. So halte der Trend hin zu illiquiden Assets an. Für die Deutsche Bank sei es dabei wichtig, entsprechende Teams aufgebaut zu haben, um solche Anlagen jetzt auch etwa Family Offices anbieten zu können.Als Zweites spiele die Vererbung von Vermögen eine wichtige Rolle. Sahlén zufolge investiert die Bank sehr stark in die Betreuung der nächsten Kundengeneration. So gebe es einen Kreis von rund 350 Alumni, denen die Bank unter dem Namen “Next Gen” eigens eine App für ein exklusives Netzwerk zur Verfügung gestellt habe.Zum Dritten habe mehr denn je Bedeutung, die Risiken im Griff zu behalten: “Da nutzen wir das Risikomanagement in der Bank für die Kapitalanlage.” So ermögliche die Bank Kunden unter dem Namen Rendite-Risiko-Engineering eine maßgeschneiderte Absicherung auch über Optionen. Sahlén: “Wenn die Kunden den Mehrwert erkennen, sind sie auch bereit, dafür zu zahlen.”