SEWINGS TO-DO-LISTE – SERIE ZUR DEUTSCHEN BANK (TEIL 3): DIE IT

Mit dem Panzer gegen Wildwuchs

Der Deutschen Bank muss die Erneuerung ihrer IT gelingen - COO Kuhnke hat ein dickes Brett zu bohren

Mit dem Panzer gegen Wildwuchs

Wenn die Deutsche Bank ihre Ertragskraft steigern will, muss ihr endlich die Erneuerung ihrer IT gelingen. Mit dieser Aufgabe hat der neue Chief Operating Officer Frank Kuhnke ein dickes Brett zu bohren. Seine Vorgänger haben sich beim Versuch, die Strukturen zu modernisieren, jeweils die Zähne ausgebissen. Von Bernd Neubacher, FrankfurtWas sind Banken, wenn nicht allein ihr Personal und ihre IT? So lautet eine im Finanzsektor gern bemühte Weisheit. Nichts, kommt dann nach einer dramaturgischen Pause stets die Antwort. Was das Personal angeht, muss der neue Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sparen und zugleich zusehen, dass er die entscheidenden Leute hält. In Sachen IT geht es derweil wie schon vor Jahren darum, endlich eine Harmonisierung der Systeme durchzusetzen. Wünsch-Dir-was-ITDie Informationstechnik des Haus hat Jahre des Wildwuchses hinter sich. Denn lange Zeit durfte jede Sparte ihren eigenen Vorlieben frönen und IT als Wünsch-dir-was-Programm betrachten – so hatten einzelne Teams in den Londoner Handelsräumen die Wahl zwischen mehr als 100 verschiedenen Plattformen, die zur Einpflege von Daten in das zentrale System manueller Nachträge bedurften. Wie man sich bei langjährigen Kennern des Hauses erinnert, hatte sich schon der 2012 mit 56 Jahren und warmen Worten verabschiedete Chief Operating Officer Hermann-Josef Lamberti nicht durchsetzen können, weder gegen die mächtigen Investmentbanker, wenn es galt, vor sich hin wuchernde Verästelungen im IT-Biotop der Bank zurückzuschneiden, noch im Vorstand, wenn es darum ging, zu Lasten der Eigenkapitalrendite in den Aufbau einer gescheiten IT-Struktur zu investieren. Sein letztlich über den Zinsskandal stolpernder Nachfolger Henry Ritchotte hinterließ kaum Spuren, so dass die Bestandsaufnahme des ohnehin recht prosaisch veranlagten Chief Executive Officer John Cryan im Herbst 2015 wenig schmeichelhaft ausfiel: 35 % der im Konzern eingesetzten Hardware befanden sich nahe dem Ende ihres Lebenszyklus oder “darüber hinaus”, und 80 % von insgesamt 4 400 Applikationen in der Bank lagen in den Händen externer Anbieter, waren mithin nicht mehr geistiges Eigentum der Bank, geschweige denn, dass sie gemeinsamen Standards entsprechen.”Unsere Systeme arbeiten nicht zusammen, sind umständlich in der Anwendung und oft nicht kompatibel”, resümierte Cryan. Man wolle “wieder mehr eigene Leute in der Bank haben, die vertraut sind mit der IT-Landschaft, und nicht so abhängig sein von externen Dienstleistern”, äußerte der damalige Finanzvorstand Marcus Schenck einen durchaus verständlichen Wunsch. Offenbar hatten sich nicht wenige IT-Leute der Deutschen Bank im Laufe der Jahre auslagern lassen, um ihre Lösungen fortan teuer in die Bank hineinverkaufen zu können. Zu wenig DurchschlagskraftRichten sollte es Kimberly Hammonds. Ende 2013 von Boeing gekommen und als Chief Information Officer und Global Co-Head of Group Technology & Operations in die Deutsche Bank eingetreten, wurde die IT-Fachfrau per Anfang 2016 auch als Chief Operating Officer berufen. Schon 2015 hatte die Bank nicht weniger als 1 500 Leute eingestellt, um “kritische Bereiche wie die Anwendungsentwicklung zurück in die Bank” zu bringen, wie sie Anfang 2016 berichtete. Die Pläne damals waren groß: Von 45 operativen Systemen sollten nur vier verbleiben, die manuellen Systemabgleiche von ungefähr 1 000 auf 300 reduziert werden, die private Cloud-Nutzung von 20 % auf 80 % hochgedreht, die Virtualisierung auf 90 % verdoppelt sowie 166 veraltete Hardware- und Software-Systeme abgeschaltet werden. Bis 2020, versprach Cryan, sollten die Datencenter auf dem neuesten Stand sein und die Systeme nicht mehr “in Silos ohne gemeinsame Standards” arbeiten. Dazu hat es zumindest in der nur 28-monatigen Amtszeit von Hammonds als Chief Operating Officer nicht gereicht: Die Zahl der operativen Systeme hat um gerade einmal 13 auf 32 abgenommen, und die Nutzung der privaten Cloud beschränkt sich auf 37 % (siehe Kasten). Beobachter bezweifeln, dass Hammonds bis 2020 Vollzug hätte melden können: In der nach wie vor testosterongeschwängerten Welt gerade der oberen Etagen der Deutschen Bank fehlte es der Managerin, die auch wegen eines bei öffentlichen Auftritten getragenen pinken Jacketts intern wahlweise als “Vorstands-Barbie” oder gar “Cindy aus Marzahn” diffamiert wurde, ebenso an Durchschlagskraft wie ihren Vorgängern. Dabei half es offenbar auch nicht, dass die von London aus agierende Managerin dem Vernehmen nach kurz nach Amtsantritt ihr unbotmäßig erscheinende Mitarbeiter wenig ladylike gefeuert und durch Gefolgsleute ersetzt hatte, nur um festzustellen, dass wichtiges Know-how das Haus verlassen hat. Jetzt oder nieDas Scheitern von Hammonds ist dabei vielleicht nicht nur Beleg für einen Mangel an Management-Fähigkeiten, sondern ebenso Ausweis großer enormer interner Widerstände gegen jegliche Veränderung der IT gewesen. Da aber, wie das erste Quartal gezeigt hat, mittlerweile gerade dem Investment Banking die Ergebnisse fehlen, um technische Idiosynkrasien rechtfertigen zu können und überhaupt der Kostendruck zugenommen hat, bietet sich nun mehr denn je eine Chance, den Apparat zu begradigen. Vor diesem Hintergrund dürfte sich Deutsche-Bank-Chef Sewing mit Bedacht für ein Kontrastprogramm zu Hammonds entschieden haben, um die Flurbereinigung in der Informationstechnik zu meistern. Der neue Chief Operating Officer Frank Kuhnke, ein langjähriger Weggefährte Sewings, kennt das Haus seit Jahren, und er ist nach Angaben aus der Bank in der Lage, sich durchzusetzen. Vermutlich nicht ohne Grund kennt man ihn dort als “Frank the Tank” (Frank der Panzer). Dem Manager wird ein nachgerade fotografisches Gedächtnis bescheinigt, mit dessen Hilfe er das Assetmanagement des Instituts in der Finanzkrise vor mancher Unbill bewahrte, wie es heißt. Mit Unterstützung von Sewing werde Kuhnke in der Bank etwas bewegen können, glaubt der Chef eines größeren Finanzdienstleisters und fügt hinzu, vor diesem Hintergrund dürften sich die Investmentbanker im Hause warm anziehen müssen. Es ist nicht alles schlechtDabei darf man bei Betrachtung der Deutsche-Bank-IT durchaus differenzieren: Es ist gar nicht alles so schlecht, wie dies Ex-Chef John Cryan mit seinem Verdikt über die “lausige IT” des Hauses einst nahegelegt hat. Es hapert halt vor allem an einer IT aus einem Guss. Der neue COO Kuhnke hat es mit einem Flickenteppich zu tun. Die Unterschiede sind enorm: Im Devisengeschäft etwa hat sich die Bank schon Mitte der neunziger Jahre ein noch heute hocheffizientes und im Markt führendes System zusammengeschraubt, das automatisch handelt, Transaktionen bis in die Hauptbuchhaltung laufen lässt und auch gleich die entsprechenden Berichte produziert. “Auch die Europäische Zentralbank nutzt uns. Wir sind sehr effizient, wir sind Clearer für Billionen von Dollar täglich, und Sie lesen nie davon, dass uns dabei Fehler unterlaufen”, erzählt ein Insider, um sogleich hinzuzufügen: “Und dann fragen Sie sich, warum die Bank im Bond-Handel nicht dasselbe gemacht hat.” Denn in diesem Segment ist das Haus angewiesen auf “wirklich alte Systeme, von denen es einige schon gab, als ich noch ein Junge war”, hat der Börsen-Zeitung ein stramm auf das Alter von 60 Jahren zugehender Manager anvertraut: “Sie sind sehr ineffizient, es gibt viele Neubuchungen und manuelle Arbeit.” Und je stärker die Aufseher riskante Aktivitäten wie die Vereinbarung von Kreditausfall-Swaps durch ihre Kapitalmindestanforderungen verteuert haben, um so mehr hat die Bank festgestellt, dass sie zu wenig in die Effizienz ihres Systems im gewöhnlichen, von hohen Volumina und niedriger Komplexität geprägten “Flow-Credit-Geschäft” investiert hat, um dort auf Dauer mit der Konkurrenz mithalten zu können. Im Aktiengeschäft soll die Lage unterdessen “noch gemischter” aussehen, wie berichtet wird: Das Geschäft mit börsengehandelten Derivaten etwa werfe zwar nicht sehr viel Geld ab, laufe aber über “ein Supersystem”. Im Aktienhandel sei die Struktur dagegen nicht besonders effizient. Das System gehe nicht direkt in die Buchhaltung, weshalb dort Investitionen nötig seien. “Eigentlich machen wir gar kein Geld im Aktienhandel, weil unsere Kosten zu hoch sind”, lautet der ernüchternde Befund. Reibungsverluste in der für die reine Verwaltung erforderlichen Infrastruktur runden einen disparaten Eindruck ab. Als Albtraum wird bei Beschäftigten etwa schon die interne Verwaltung von Urlaubstagen bezeichnet. Vielleicht hat es ja einen tieferen Grund, dass als das profitabelste Geschäft in der Bank ein Bereich gilt, in dem hochleistungsfähige und komplexe IT-Apparaturen am wenigsten vonnöten sind: Die Credit Solutions Group schneidert Firmenkunden maßgeschneiderte Angebote auf den Leib. Die Bank hat schon länger erkannt, was die Stunde geschlagen hat, und bemüht sich um einen besseren Apparat. Auf Anfrage erklärt die Bank, sie investiere im Zeitraum von 2016 bis 2018 “jedes Jahr über 1 Mrd. Euro in die Erneuerung unserer IT”, und zählt zahlreiche Initiativen und Verbesserungen auf, von einer Vereinfachung der Kernplattform über eine Modernisierung der Arbeitsplatztechnologie bis hin zur Digitalisierung von Geschäftsbereichen (siehe Kasten). Mit einem Korn SalzZahlen zu IT-Investitionen sind allerdings stets mit einem Korn Salz zu genießen. Schließlich gilt für IT-Aufwendungen in der Branche, was Paula da Silva, Payment-Chefin der schwedischen SEB, jüngst sagte: “70 bis 90 % der IT-Kosten einer Bank werden allein für die Instandhaltung der Systeme benötigt.” Vor drei Jahren hatte die Deutsche Bank zum Beispiel angekündigt, bis 2020 insgesamt 1 Mrd. Euro in ihre Transaktionsbank zu investieren. Kurz darauf räumte Transaktionsbank-Chef Werner Steinmüller im Interview ein, dass rund ein Drittel dieser Summe nicht in operative Verbesserungen fließt, sondern für die Erfüllung aufsichtsrechtliche Vorgaben aufgewendet wird. Und nicht zuletzt kommt es auch immer darauf an, bereit gestellte Mittel klug zu investieren. So hatte 2012 schon Kuhnkes und Hammonds Vorgänger Henry Ritchotte das Hohelied von “Standardisierung, Automation, Integration und Datenqualität” gesungen und Infrastruktur-Investitionen von 1,8 Mrd. Euro angekündigt, um damit jährliche Einsparungen von nicht weniger als 1,7 Mrd. Euro zu erzielen – ohne dass dies durchschlagende Effekte nach sich zog. Wie sonst hätte Hammonds den Eindruck gewinnen können, die Deutsche Bank sei “das dysfunktionalste Unternehmen”, für das sie je gearbeitet habe – die Äußerung wurde an Medien getragen und beendete ihre Laufbahn bei der Bank. Hammonds Nachfolger Frank Kuhnke dürfte sich dies ersparen wollen. —-Bisher erschienen:- Ein tüchtiges Facelift tut not (15. Mai)- Ein Kahlschlag steht ins Haus (16. Mai)