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Mit harter Hand und Elch "Elkette"

Von Gerhard Bläske, Mailand Börsen-Zeitung, 8.8.2019 Die enttäuschenden Quartalszahlen dürften Jean Pierre Mustier bestärken, die Zügel noch fester anzuziehen. Kostendisziplin war von Anfang an ein Schwerpunkt der Arbeit des Unicredit-Chefs. Der...

Mit harter Hand und Elch "Elkette"

Von Gerhard Bläske, MailandDie enttäuschenden Quartalszahlen dürften Jean Pierre Mustier bestärken, die Zügel noch fester anzuziehen. Kostendisziplin war von Anfang an ein Schwerpunkt der Arbeit des Unicredit-Chefs. Der angeblich geplante Abbau von weiteren 10 000 Mitarbeitern könnte zu den geplanten Maßnahmen zählen. Doch dazu will sich der CEO erst am 3. Dezember äußern und außerdem einen neuen Strategieplan vorstellen.Mustier steht seit 2016 an der Spitze der italienischen Großbank. Der Franzose hat seinerzeit ein Himmelfahrtskommando übernommen. Unicredit stand vor dem Kollaps. Mustier stellte alles auf den Kopf: Das Institut vermeldete einen hohen zweistelligen Milliardenverlust. Die entstandene Kapitallücke stopfte er mit einer Kapitalerhöhung von 13 Mrd. Euro. Er baute 14 000 Stellen ab und stieß faule Kredite in großem Stil ab, verkaufte die Beteiligung an der polnischen Bank Pekao, dem Vermögensverwalter Pioneer und zuletzt an der Online-Bank Fineco. Und er beendete das Sponsoring der Fußball-Champions-League.Mustier verlangt viel von seinen Mitarbeitern – und von sich selbst. Als ehemaliger Fallschirmspringer hat er gelernt, durch das eigene Vorbild führen zu müssen. Er verkaufte den Firmenjet und fliegt Economy. Und er verzichtet auf einen Teil seines Gehalts und lässt sich einen anderen Teil in Aktien auszahlen. Für ihn persönlich war das bisher ein Minusgeschäft.Wenn Mustier ein Problem erkannt hat, will er es lösen. Und zwar schnell. Es brauchte wohl einen Nichtitaliener wie ihn, der keine Rücksichten auf alte Seilschaften und die Politik nehmen musste, um die Bank zu retten. Deshalb holten die Verantwortlichen den Mann, der von 2011 bis 2014 das Investment Banking von Unicredit geleitet hatte, zurück. Heute ist Unicredit eines der ertragsstärksten und kapitalstärksten Institute Europas und möglicher Kristallisationspunkt einer europäischen Konsolidierung. Doch da winkt Mustier ab. “Zu riskant!”Der Absolvent der École Polytechnique und der École des Mines wäre im Normalfall nie bei Unicredit gelandet. Den Großteil seiner Karriere machte er bei der französischen Société Générale (SocGen). Er leitete deren Investment Banking und Assetmanagement und wäre wohl irgendwann ganz an die Spitze gelangt. Doch 2008 verzockte der Trader Jérôme Kerviel 4,9 Mrd. Euro. Mustier war sein oberster Vorgesetzter. Er zog die Konsequenzen und kündigte. “Der Fall Kerviel hat ihn tief geprägt”, sagen Vertraute. Er sei regelrecht besessen von Compliance-Fragen.Der 58-Jährige ist gertenschlank, wirkt asketisch. Der Vater von zwei erwachsenen Söhnen wohnt von seiner Frau getrennt in London und Paris, unter der Woche im Zentrum Mailands. Auf Luxus legt er keinen Wert. Er fährt einen roten Fiat 500. Gelegentlich segelt er. Doch sein Sieben-Meter-Sportboot erzeugt nirgendwo Aufsehen. Mustier ist international vernetzt und hat in London, Tokio, Hongkong, Philadelphia, Südafrika, Paris und Mailand gearbeitet. Und er führt eine Bank, zu der die deutsche HVB, die österreichische Bank Austria und verschiedene osteuropäische Institute gehören.Mustier hat auch eine soziale Ader. Nach seiner Zeit bei der SocGen arbeitete er als Berater und warb für Nichtregierungsorganisationen wie Fairtrade Mittel ein. Er kennt sich aus im Bereich des Microfinancing und hilft Menschen, die keinen Zugang zu normalen Banken haben. In Mailand hat er das Frauenhausprojekt eines Pfarrers unterstützt. “Geld mit der Gießkanne ausschütten hilft nicht”, meint er dazu. Hilfe zur Selbsthilfe sei nachhaltiger.Aus einem Regal seines Büros im 28. Stock des Unicredit-Towers blickt der Stoffelch “Elkette”, der zu einem Symbol des Wandels in der Bank geworden ist. Der Glücksbringer begleitet Mustier überall hin und sitzt bei Pressekonferenzen vor ihm auf dem Tisch.