"Moderates bis solides Wachstum"
Der zur Deutschen Börse gehörende Zentralverwahrer Clearstream hält an der Marke GFF fest, in der Wertpapier- und Funding-Services gebündelt sind, sagt Philippe Seyll, CEO von Clearstream Banking S.A. im Gespräch. Mit der Blockchain-Lösung HQLAX sollen Wertpapiere zudem besser mobilisierbar werden. Von Dietegen Müller, FrankfurtDer Zentralverwahrer Clearstream hält an seinem Markenauftritt GFF fest, in dem das globale Funding- und Financing-Geschäft gebündelt ist. Dies sagt Philippe Seyll, Chief Executive Officer von Clearstream Banking S.A., im Gespräch. Im Markt war die Frage aufgekommen, ob durch den neuen Zuschnitt der Zuständigkeiten im Deutsche-Börse-Konzernvorstand die vor rund drei Jahren aufgesetzte Marke wieder wegfällt.Der bis Juni letzten Jahres für Clearstream zuständige Konzernvorstand Jeffrey Tessler hatte derzeit auch die Verantwortung für Eurex im neu geschaffenen Bereich Clients, Products & Core Markets übernommen. Seyll erklärt: “Wir haben zwischen den verschiedenen Bereichen untersucht, wo eine engere Zusammenarbeit Sinn macht. Dabei standen die Bereiche Wertpapierfinanzierung und Funding im Fokus.” Heute ist im Konzernvorstand für den Bereich Post-Trading – der Clearstream umfasst -, sowie für das Daten- und Indexgeschäft Stephan Leithner zuständig, und für die Terminbörse Eurex Thomas Book.Seyll betont, das umfassende Angebot der Deutschen Börse vom Initial Public Offering und Handel bis hin zu Clearing, Verwahrung und Collateral Management sei einzigartig. “Dadurch können wir Themen, die strategisch zusammenpassen, übergreifend bearbeiten und etwa die Wertpapierfinanzierung und das Funding weiterhin zwischen den verschiedenen Bereichen gemeinsam koordinieren.” Die Marke GFF umfasst eine breite Dienstleistungspalette, seien es börsliche, außerbörsliche, ungeclearte oder geclearte Finanzierungstransaktionen oder Leihe- und Pensionsgeschäfte.Für 2019 erwartet Seyll ein “moderates bis solides Wachstum” für das Clearstream-Geschäft. Im Auge hat Clearstream auch Zukäufe im Investmentfondsbereich, die “strategisch Sinn machen müssen”. Vom Brexit sehe sich Clearstream nur “marginal” betroffen. Man beobachte die Verhandlungen sehr genau, um den Kunden auch nach dem Brexit eine reibungslose Fortführung der Geschäfte zu ermöglichen.Die größten Wachstumstreiber sind Seyll zufolge das Fondsservicegeschäft sowie die Bank-Dienstleistungen, also Wertpapierverwahrung. Wachstumsimpulse kommen auch von der Anbindung an die europäische Abwicklungsplattform T2S. “Wir treten als ein Investor-CSD auf, bieten also die Abwicklung in Zentralbankgeld in allen T2S-Märkten an und bauen das Netzwerk weiter auf”, sagt Seyll. Das Ziel sei, alle Euro-Märkte angebunden zu haben und als zentraler Zugangspunkt für alle T2S-Märkte für Kunden zu fungieren. Es werde aber noch dauern, bis alle Märkte angebunden seien. Nach wie vor ist der Anteil des grenzüberschreitenden Geschäfts auf T2S sehr gering, wie der studierte Ingenieur erklärt. Buy-in als UmsatztreiberEinen positiven Einfluss auf das Clearstream-Geschäft könnte Seyll zufolge der zur Pflicht werdende Buy-in-Prozess werden. Die europäische Zentralverwahrerverordnung (CSDR) schreibt vor, dass bei Nichtlieferung von Wertpapieren eine Zwangseindeckung erfolgt. “Dadurch verändern sich Kreditpositionen, und es braucht im Markt eine genauere Vorsorge als bisher, damit Stücke auch geliefert werden können.” Clearstream würde dabei als Leihegeber genutzt werden.Mit Blick auf die Initiative der Europäischen Zentralbank (EZB), die Zahlungs- und Abwicklungsdienstleistung im Interbankenmarkt mit einem Europäischen Collateral-Management-System (ECMS) zu ergänzen, sagt Seyll, es gehe hier vor allem um gleiche Rahmenbedingungen, ein Level Playing Field für die Wertpapiergeschäfte der Euro-Zentralbanken.Die EZB hat zudem Pläne ventiliert, einen europäischen Verteilungsmechanismus für Schuldeninstrumente – European Distribution of Debt Instruments oder EDDI – aufbauen zu wollen. Unter Marktteilnehmern gerade in Deutschland stößt dieses Vorhaben auf Skepsis. Auch Seyll äußert sich zurückhaltend: “Wir befürworten solche Harmonisierungsprojekte. Zunächst ist es aber wichtig, dass der Rahmen klar definiert ist, in dem wir uns bewegen, und dass alle Marktteilnehmer sich einbringen können.” Seyll weist darauf hin, dass Clearstream bereits über die One-Clearstream-Lösung eine Anbindung an die T2S-Märkte biete. “Am Ende muss der Markt entscheiden, und die Corporate-Treasury-Abteilungen.”Wichtig sei zudem die bessere Mobilisierung von Sicherheiten (Collateral), nicht nur in Europa, sondern auch zwischen den USA und Europa. Treiber hier sind veränderte regulatorische Bedingungen, etwa, was die Leistung von Sicherheiten in Derivatgeschäften anbelangt. Hier steige die Nachfrage nach Wertpapieren: “Wir möchten am Ende, dass Bank A in den USA mit einer Bank B in der Eurozone Sicherheiten austauschen kann.”In den USA gibt es zwei wichtige Verwahrstellen: DTCC für Commercial Paper und Aktien und die Bank of New York für US-Schuldeninstrumente (Treasuries). Die vom Brüsseler Zentralverwahrern Euroclear und DTCC gemeinsam betriebene Margin Transit Utility (MTU) hat noch nicht so viel Nachfrage verzeichnet, ist zu hören. Mit der MTU sollen Marktteilnehmer einfacher ihre Margin-Verpflichtungen erfüllen können. Mobil über Grenzen hinwegClearstream setzt in der grenzüberschreitenden Collateral-Mobilisierung dagegen auf eine mit dem Fintech HQLAX entwickelte Blockchain-Plattform. “Damit sollen einzelne Nischen mit schwierig zu mobilisierendem Collateral erreichbar gemacht werden”, sagt Seyll. Das Problem heute sei, dass die fünf großen Collateral-Management-Anbieter Clearstream, Euroclear, J.P. Morgan, BNP Paribas und BNY Mellon, unterschiedliche Systeme verwenden. “Es ist nicht ganz einfach für diese globalen Collateral-Manager – uns eingeschlossen -, sich untereinander zu verbinden”, sagt Seyll. Der Vorzug von HQLAX bestehe darin, dass an unterschiedlichen Orten verwahrte Wertpapiere in digitale Token verwandelt werden und sich so austauschen lassen, ohne dass sie bei den Verwahrern bewegt werden müssen.Durch den Einsatz der dezentralen Datenbanktechnologie DLT könnte zudem eine “atomische Abwicklung” Einzug halten. Dies ist eine Abwicklung, die unmittelbar abgeschlossen und rechtssicher festgehalten, also unteilbar ist – Atom heißt auf Griechisch “unteilbar”. Dadurch könnten auch digitale Wertpapiere in den Markt gelangen. Also Wertpapiere einer neuen Klasse, die eigene Rechte beinhalten und nicht nur eine Kopie von bestehenden Wertpapieren sind.