IM BLICKFELD

N26 überlässt der britischen Konkurrenz die ganze Insel

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 18.2.2020 Großbritannien zählt zu den dynamischsten Standorten für die Herausforderer der Finanzindustrie. Das liegt vor allem am Finanzplatz London, der mit jungen Talenten auch die Ideen und das...

N26 überlässt der britischen Konkurrenz die ganze Insel

Von Stefan Paravicini, BerlinGroßbritannien zählt zu den dynamischsten Standorten für die Herausforderer der Finanzindustrie. Das liegt vor allem am Finanzplatz London, der mit jungen Talenten auch die Ideen und das Kapital für neue digitale Geschäftsmodelle in der Finanzbranche anzieht. Es liegt aber auch an einem Bankenmarkt, der gerade im Privatkundengeschäft die Tore für neue Konkurrenten weit geöffnet hat. Fintechs wie Revolut, Monzo oder Starling haben die Chance genutzt und sich im Wettbewerb mit den Platzhirschen in wenigen Jahren zu ernsthaften Konkurrenten gemausert. Eine zweite Welle mit Anbietern wie Atom, Monese, Tandem oder Tide rollt bereits heran.Für das wertvollste deutsche Fintech, N26, scheint das Gedränge auf dem britschen Markt zu viel zu sein. In der vergangenen Woche hat das Berliner Unternehmen jedenfalls angekündigt, noch in diesem Frühjahr den Rückzug über den Ärmelkanal anzutreten. Bis Mitte April sollen alle Kundenaccounts stillgelegt werden, wie das Unternehmen auf seiner Webseite mitteilte. Als Grund für den Exit wird der Austritt Großbritanniens aus der EU angegeben. “Die politische Entscheidung hat (. . .) zur Folge, dass N26 die Kunden in Großbritannien in Zukunft nicht mehr bedienen kann”, hieß es in der Mitteilung. “Als europäische Bank mit einer europäischen Banklizenz müssten wir komplexe regulatorische Maßnahmen umsetzen und Produktaktualisierungen vornehmen, um weiterhin in Großbritannien tätig sein zu können”, erklärte die Smartphone-Bank dem Informationsdienst “Finanzszene” den Schritt. Eine separate Lizenz für Großbritannien wäre mit erheblichem operativen Aufwand und regulatorischer Komplexität verbunden, hieß es zur Begründung für den firmeneigenen Brexit von N26 weiter.Dass N26 derzeit nicht interessiert ist, diesen Aufwand zu betreiben, könnte nach Einschätzung von Marktbeobachtern auch damit zu tun haben, dass die Berliner zuletzt Mühe bekundeten, das hohe Tempo der britischen Konkurrenten zu halten. Als das wertvollste deutsche Fintech 2018 den Markteintritt in Großbritannien wagte, habe sich die Firma “in das Fahrwasser der hochdynamischen und ultraschnell operierenden Konkurrenten Monzo, Revolut und Starling Bank” begeben, kommentiert die Analystin Aurélie L’Hostis vom Marktforscher Forrester den Rückzug. Den Rückstand auf die britischen Mitbewerber aufzuholen, sei für N26 von Anfang an nicht leicht gewesen. Das zeigt auch eine Analyse des Informationsportals “Sifted”, das die Dynamik der größten britischen Smartphone-Banken bereits im Herbst dem Wachstum von N26 gegenüberstellte.Schon damals schnitt der Herausforderer aus Deutschland gemessen am Kundenwachstum nicht besonders gut ab. Vergleicht man etwa die vom Marktforscher Sensor Tower gezählten Downloads der Banking-Apps der verschiedenen Anbieter jeweils seit der Markteinführung, zeigt N26 eine geringere Dynamik als die großen britischen Konkurrenten (siehe Grafik). Zwar steigt auch die Zahl der Kunden von N26 imposant und liegt nach eigenen Angaben mittlerweile oberhalb von 5 Millionen. Der Wachstumspfad von Revolut, die ungefähr zur gleichen Zeit wie N26 gestartet ist, verläuft allerdings deutlich steiler und hat der Bank mittlerweile mehr als 8 Millionen Kunden beschert. Nachzügler wie Monzo und Starling, die später in den Wettbewerb gestartet sind, legen bei ihrer Aufholjagd bislang ein noch größeres Tempo hin.”Es ist nicht ,winner takes all’, sondern ,winner takes most'”, sagte Martin Mignot, Partner beim Revolut-Investor Index Ventures, vor wenigen Monaten im Gespräch mit der “Financial Times”. N26 überlässt aber zumindest den britischen Markt jetzt ganz der Konkurrenz. Neben Revolut, Monzo und Starling mischt hier auch Atom mit, die sich bisher auf das Angebot von Sparkonten mit festen Konditionen fokussiert und die mit Abstand größte Bilanzsumme unter den britischen Fintechs ausweist. Unter den Neobanken, die wie N26 mit ihrem Geschäftsmodell auf Interchange-Gebühren setzen, die sie beim Einsatz einer eigenen Debitkarte verdienen, liegt Revolut dank ihres rasanten Kundenwachstums vorne. Auch bei den Erträgen war Revolut 2018 unter den britischen Fintechs mit Abstand die Nummer 1, wobei neben Interchangegebühren aus Transaktionen mit ihrer Debitkarte auch jüngere Services für Krypto-Trading Gebühren einspielten. Dahinter kamen Monzo und Tandem, die 2018 mit dem Erwerb von Harrods Bank in den Wettbewerb startete und als erste “Challenger-Bank” in Großbritannien eine eigene Kreditkarte lancierte. Hoher finanzieller AufwandAllen genannten Fintechs gemein war 2018, dass sie noch kein Geld verdienen. Außer Starling, die sich für 2021 den ersten Gewinn vorgenommen hat, gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass die Neobanken demnächst schwarze Zahlen schreiben werden. N26 könnte der Gewinnzone mit dem Exit in Großbritannien näher gekommen sein. Neben der regulatorischen Komplexität dürfte es vor allem der finanzielle Aufwand im Wettbewerb mit der dynamischen Konkurrenz gewesen sein, der die Bank zum Rückzug aus Großbritannien bewogen hat.