PERSONEN

Nebenrollen im Deutsche-Bank-Prozess

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 16.2.2016 "Wennsd' dei Maul g'halddn hädd'st, hädd' mer dei Dummheit ned gsehng": Niemals würde Rechtsanwalt Klaus Volk, wenngleich in Coburg geboren, derlei Vokabeln in den Mund nehmen, schon gar nicht...

Nebenrollen im Deutsche-Bank-Prozess

Von Michael Flämig, München”Wennsd’ dei Maul g’halddn hädd’st, hädd’ mer dei Dummheit ned gsehng”: Niemals würde Rechtsanwalt Klaus Volk, wenngleich in Coburg geboren, derlei Vokabeln in den Mund nehmen, schon gar nicht in der fränkischen Färbung. Im Deutsche-Bank-Prozess formuliert er es am 19. Januar daher lieber so: “Si tacuisses, Staatsanwalt fuisses.” Natürlich sagt der emeritierte Professor damit irgendwie das Gleiche. Aber seine Wahl der lateinischen Sprache eröffnet der Anklagebehörde – die zuvor ebenfalls das Latein genutzt hatte – den gesichtswahrenden Ausweg, den mit Kritik gespickten Volk-Vortrag als eine “durchaus launige Stellungnahme” einzustufen. Nicht im Fokus der AnklageDer 71-jährige Volk gehört trotz seiner Prominenz zu jenen Rechtsanwälten, die in diesem Verfahren über weite Strecken eine Nebenrolle spielen. Der Grund: Ihre Mandanten stehen nicht im Zentrum der Anklage, außerdem sind sie der breiteren Öffentlichkeit weit weniger geläufig als beispielsweise der frühere Deutsche-Bank-Chef Joe Ackermann. So ist Volk, gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Annette Rosskopf (42) von der Sozietät Rechtsanwälte Prof. Dr. Volk, für Tessen von Heydebreck zuständig. Schon im Jahr 2007 war der promovierte Jurist Heydebreck aus dem Vorstand der Deutschen Bank ausgeschieden, erst vier Jahre später soll der Betrugsversuch begangen worden sein. Eine mögliche Falschaussage beschäftigt das Gericht.Ein anderer Fall mag Clemens Börsig sein. Immerhin agierte der frühere Finanzvorstand der Bank bis zum Mai 2012 als Aufsichtsratsvorsitzender des Instituts. Während das Gericht die Aussagen Heydebrecks schon im Herbst kritisch unter die Lupe nahm und ihm damit Gelegenheit zur Stellungnahme gab, blieb Börsig dennoch seit Verfahrensbeginn im April 2015 weitgehend unbehelligt.Er wird von Klaus Gussmann (65) von der Münchner Sozietät Prof. Dr. Müller & Kollegen vertreten. Gussmann verteidigte zuletzt beispielsweise im sogenannten Schienenkartell-Verfahren. Dabei sind auch sein Kanzleikollege Albrecht Heyng (69), der als Sozius in der Strafverteidigerkanzlei Rolf Bossi seine Karriere begann und seit 1981 mit Gussmann zusammenarbeitet, und die Kanzleikollegin Anna Welker (34). Große HerausforderungenDas Juristen-Quintett hat eine delikate Aufgabe zu lösen. Mögen Heydebreck und Börsig auch nicht im Fokus der Staatsanwaltschaft stehen, angeklagt sind sie dennoch – und zwar wie die anderen drei ehemaligen Top-Manager wegen mittäterschaftlich versuchten Betrugs in einem besonders schweren Fall, kombiniert sogar noch mit falscher uneidlicher Aussage. Das ist wahrlich kein Pappenstiel. Was also tun?Die Interventionen der Verteidiger sind wiederholt darauf gerichtet, der Staatsanwaltschaft differenzierte Aussagen über ihre Vorwürfe an Heydebreck und Börsig zu entlocken – denn oft ist nur von “den Angeklagten” die Rede. Volk beispielsweise bat die Ankläger am 26. Verhandlungstag um einen Hinweis, was diese gemeint haben könnten damit, dass es weitere Punkte gebe, die ebenfalls eine Strafbarkeit der Angeklagten begründen könnten. In die gleiche Richtung zielte am 13. Verhandlungstag Gussmann, der wissen wollte, ob mit dem Thema Konditionalität ein zentraler Punkt der Argumentation der Staatsanwaltschaft sich auch auf seinen Mandanten beziehe. Mit Blick auf die Auskunft fügte er hinzu: “Da wäre ich dankbar.”Zudem gilt es auf der Hut zu sein. Hat Heydebreck über seinen Assistenten im Mai 2011 eine Mail erhalten, die beweist, dass er auf seine Zeugenaussage vor dem Oberlandesgericht München in Sachen Medienunternehmen Leo Kirch vorbereitet wurde? Diese Behauptung steckt in einem ellenlangen Beweisantrag der Staatsanwaltschaft. Sie wird mit Verve vorgetragen und erst korrigiert, als Rosskopf nachweist, dass Heydebreck im Mai 2011 gar keinen Assistenten hatte – und dies mit dem Seitenhieb versieht: Er sei zu diesem Zeitpunkt seit vier Jahren im Ruhestand gewesen, “wie mittlerweile auch der Staatsanwaltschaft bekannt sein müsste”. Wenn das Handy klingeltDerartige rechtliche Aspekte sind für die Riege erfahrener Strafverteidiger in den Griff zu bekommen. Rosskopf beispielsweise, die seit dem Jahr 2013 mit Volk kooperiert und mit ihm auch schon den ehemaligen BayernLB-Chef Werner Schmidt vertreten hat, bringt internationale Erfahrung mit: Sie hat in New York bei Cravath, Swaine & Moore gearbeitet sowie bei Latham & Watkins, um im Jahr 2010 in Deutschland erst einmal bei Wach + Meckes anzudocken. Folgerichtig hat sie sich auch auf Verfahren spezialisiert, bei denen deutsche Unternehmen parallel mit Ansprüchen in den Vereinigten Staaten konfrontiert sind.Aber neben juristischen Finessen sind eben auch persönlich-menschelnde Dinge zu berücksichtigen. Wenn Börsig bei der Suche des Richters nach zusätzlichen Hauptverhandlungsterminen darauf hinweist, an den vorgeschlagenen Daten habe er eine Hauptversammlung in den USA, sei dann als Daimler-Aufsichtsrat im Prüfungsausschuss aktiv und später im Board-Meeting des “Istituto per le Opere di Religione” – bekannt als Vatikanbank -, dann kann es eng werden. Kritisch auch, wenn der ehemalige Bankmanager zum zweiten Mal sein Handy laut läuten lässt, obwohl die Nutzung von Mobiltelefonen im Saal zumindest formal verboten ist, und der Richter rüffelt: “Irgendwie sollte man doch mal in der Lage sein, sein elektronisches Gerät zum Schweigen zu bringen.” Kleine WeltVolk versteht es, atmosphärische Störungen einzufangen. Das Kleinklein auf offener Gerichtsbühne beherrscht er, wenngleich ihm nicht immer sein primäres Interesse gilt. Im Hintergrund, beispielsweise bei Gesprächen mit dem Gericht, spielte er aber in seinen zahlreichen großen Verfahren wiederholt eine wichtige Rolle. Volk war überall dabei: Für Ackermann agierte er im Mannesmann-Prozess, ihm vertrauten die Drogerie-Miteigentümerin Christa Schlecker ebenso wie der Sportler Boris Becker oder anfangs der ehemalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Schienenkartell, Oppenheim oder VIP-Medienfonds sind wichtige Stationen der vergangenen Jahre.Die Latein-Affinität allerdings verrät es: Der Italienkenner und -freund – vor 13 Jahren ehrte ihn die Universität der Stadt Urbino mit einem Doktor honoris causa – mag zwar seit 1982 als Verteidiger in Wirtschaftsstrafsachen tätig sein. Aber nahe liegt dem Professor doch die Hochschule. Von 1980 bis 2010 lehrte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Eine ganze Juristengeneration wurde von ihm mitgeprägt. So ist es beispielsweise kein Zufall, dass mit Maximilian Heiß ein anderer Verteidiger in dem Deutsche-Bank-Prozess bei Volk promoviert hat.Strafverteidiger mögen auf großer Bühne spielen. Die Welt ihrer Profession aber ist zuweilen recht klein.