Paris greift zu
Nur acht Tage nach der Bekanntgabe exklusiver Verhandlungen ist durchgesickert, dass Euronext und London Stock Exchange (LSE) handelseinig sind. In Kürze soll mitgeteilt werden, dass die in Paris ansässige Mehrländerbörse mit dem Clearinghaus Clearnet SA den französischen Teil der zur LSE gehörenden LCH.Clearnet erwerben wird – sofern die geplante Fusion der LSE mit der Deutschen Börse zustande kommt. Mit der Vereinbarung verbessern sich die Aussichten, dass die EU-Wettbewerbshüter der Börsenfusion grünes Licht erteilen. Denn mit der Trennung von Clearnet sollen Bedenken wegen einer wettbewerbsschädlichen Konzentration in der europäischen Clearingbranche zerstreut werden. Ob das reicht, wird sich noch zeigen müssen.Es reicht aber, um den französischen Widerstand gegen die Fusion zu überwinden. Paris hat mit der Clearnet-Akquisition eine Chance, den eigenen Finanzplatz zu stärken, und greift zu. Schon bei der “Wiedergeburt” der Euronext hat die französische Regierung alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den als Börsenstandort in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Finanzplatz zu stärken. Als die US-Börse Intercontinental Exchange nach der Übernahme der Nyse Euronext deren europäische Kassamärkte abtrennen und als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen wollte, wurden französische Banken aufgefordert, sich an dem Marktbetreiber zu beteiligen. Mit Clearnet würde Euronext nach Abschluss der Fusion von Deutscher Börse und LSE auch ein eigenes Clearinghaus erhalten, wodurch sich insbesondere im Derivate-Clearing neue Geschäftschancen eröffnen. Der Erwerb würde sich auch auf die Marktkapitalisierung auswirken. So geht die ING davon aus, dass die Euronext-Aktie, die gestern um 0,6 % auf 39,54 Euro nachgab, auf bis zu 47 Euro steigen könnte. Die derzeit bei rund 2,8 Mrd. Euro liegende Bewertung des Unternehmens würde auf dieser Basis bis auf ca. 3,3 Mrd. Euro steigen.Von der Bedeutung der alten Euronext ist die neue Gruppe aber auch mit Clearnet weit entfernt. Denn anders als früher, als sie Eigentümerin der Londoner Liffe war, fehlt ihr ein Terminmarkt von Rang. Außerdem würde sich mit dem Clearnet-Kauf für rund 500 Mill. Euro zwar der Abstand zur neuen europäischen Superbörse verringern. Angesichts einer kombinierten Bewertung von Deutscher Börse und LSE von rund 26,5 Mrd. Euro würde sie aber auch mit dem Clearinghaus wesentlich kleiner bleiben. Das gilt auch im Vergleich zu den großen US-Börsen.