Paul Achleitner und der ganz große Wurf
Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie bislang für eine Großbankenfusion vorgebrachten Argumente mögen am Finanzplatz nicht allzu viele Beobachter überzeugen: Sicher, Kostensynergien lassen sich immer ins Feld führen. Auch würde eine Commerzbank mit ihren Einlagen, vor allem aber mit einer Staatsbeteiligung, der Deutschen Bank die Refinanzierung erleichtern. Alles in allem aber wiegen die Risiken und Kosten einer Verschmelzung auch nach Einschätzung manchen Aktionärs doch zu schwer.Schon eher aber lässt sich das Vorhaben erklären mit einem Blick auf die Motivation der jeweiligen Protagonisten: Bundesfinanzminister Olaf Scholz geht es um den Aufbau eines nationalen Champions, damit die Bundesregierung am globalen Tisch der Aufseher und im europäischen Maßstab der Regulierung weiter mit Verweis auf ein reales Objekt mitreden kann und in Zeiten der Handelsstreite überdies gewährleistet ist, dass deutsche Unternehmen unabhängig von ausländischen Banken Finanzierungen finden. Martin Zielke unterdessen scheint, nachdem die von ihm geführte Commerzbank die Ziele ihrer jeweiligen Vierjahresstrategie gerade zum zweiten Mal in Folge reißt, zu einem Zusammenschluss mit einem größeren Wettbewerber offenbar keine Alternative zu sehen.Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing würde sich im Fusionsfall zwar der Chance berauben zu beweisen, dass seine 2018 angekündigte Strategie taugt – dafür winkt die Perspektive, die Leitung eines fusionierten Instituts zu übernehmen. Und sein Aufsichtsratschef Paul Achleitner? Tut, was er aus dem Effeff beherrscht: vorgeben, das Geschehen rund um die Deutsche Bank folge einem Plan – seinem Plan. Dem seit 2012 amtierenden und noch bis 2022 gewählten Aufsichtsratsvorsitzenden bietet sich mit den Gesprächen eine Chance, gegen Ende einer verkorksten Amtszeit den ganz großen Wurf zu wagen, um dann nach einer Übergangsfrist abzutreten.Aktionäre, die dieser Tage bei ihm vorsprechen, erleben den Österreicher gewohnt eloquent und um keine Antwort verlegen. Filialschließungen und Stellenabbau im Falle der Fusion? Gäbe es, falls diese nicht komme, ohnehin, wenn nicht noch drastischer. Das Vergütungspaket für Investment-Banking-Chef Garth Ritchie, dessen Bezüge sich 2018 um 160 % auf 8,6 Mill. Euro erhöhten, während sich das Vorsteuerergebnis der von ihm geleiteten Sparte halbierte? Im internationalen Wettbewerb absolut marktkonforme Vergütung für einen Spitzen-Mann. Und doch: Während ihn die einen als ausgeglichen erleben, wirkt Achleitner auf andere wie ein Getriebener. Dies könnte an der Commerzbank liegen.Was den Zeitplan der Verhandlungen angeht, so hat Achleitner mit seiner Ankündigung, man werde bei Vorlage der Zahlen fürs erste Quartal Ende April “schon mit konkreteren Überlegungen überraschen”, zwar eindeutig einen Anker gesetzt. Probleme aber könnten ihm die Gelben bereiten, sollte es im Falle einer Fusion darangehen, das Personal-Tableau zu besetzen, konkret: den Vorsitz des Aufsichtsrates. Im Kreis der Anteilseigner wird über solche Fragen bereits munter spekuliert, und vermutlich hätte es keiner der beteiligten Akteure in seinem Leben jemals so weit gebracht, hätte er nicht beizeiten nicht nur über den nächsten, sondern auch den übernächsten Schritt nachgedacht.Die Frage: Was wird aus Martin Zielke? Es gibt Stimmen, die in der Berufung des 56-Jährigen auf den Aufsichtsratsvorsitz einen guten Weg sähen, einen angemessenen Posten für den Chef des kleineren Fusionspartners zu finden, sollte dieser nicht unter dem 48-jährigen Sewing arbeiten wollen. Dann aber könnte Achleitner (62) nicht bis 2022 das Kontrollgremium leiten. Zielke bis 2022 zu vertrösten und bis dahin mit operativen Aufgaben zu befassen, dürfte schon unter Corporate-Governance-Aspekten keine Alternative sein, wie es bei Aktionären heißt: Würde Zielke interimsweise operativ tätig, würde er vor einem Wechsel in den Aufsichtsrat zunächst eine zweijährige Abkühlphase einlegen müssen.Commerzbank-Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann, ebenfalls 62, würde Achleitner hingegen kaum einen Strich durch die Rechnung machen. Vorzeitig aus dem Commerzbank-Vorstand ausgeschieden, hatte er sich 2016 als Aufsichtsratschef in die Pflicht nehmen lassen, nachdem die Bank trotz längerer Suche extern keinen geeigneten Kandidaten gefunden hatte.