Paydirekt bekommt Konkurrenz

Der von Banken aus Benelux betriebene Zahlungsdienstleister Payconiq plant den Markteintritt in Deutschland - ING in Doppelrolle

Paydirekt bekommt Konkurrenz

Paydirekt, das Online-Bezahlverfahren der deutschen Banken und Sparkassen, bekommt Konkurrenz. Noch vor Jahresende will der in Benelux aktive Zahlungsdienstleister Payconiq nach Deutschland expandieren. Pikant: Mit der ING Group mischt bei Payconiq International eine Bankengruppe mit, deren deutsche Tochter ING-DiBa sich zugleich bei Paydirekt engagiert, das sich bislang schwergetan hat, Momentum zu gewinnen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtAuf Paydirekt, das Online-Bezahlverfahren der deutschen Banken und Sparkassen, kommt ein neuer Wettbewerber zu. Der in Benelux aktive Zahlungsdienstleister Payconiq plant den Markteintritt in Deutschland bis Jahresende. Hinter dem Start-up stehen diverse Banken aus Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Pikant: Mit der ING Group mischt bei Payconiq International eine Bankengruppe mit, deren deutsche Tochter ING-DiBa sich bei Paydirekt engagiert.Dies wirft die Frage auf, welche Strategie Deutschlands größte Direktbank im Zahlungsverkehr verfolgt. Vermutungen, das Institut könne aus der Phalanx der deutschen Kreditwirtschaft ausscheren, tritt die ING-DiBa gleichwohl entgegen. Auf Nachfrage heißt es dazu: “Wir glauben fest an den Erfolg von Paydirekt. Unser Engagement bei Paydirekt hat stets einen hohen Stellenwert.” Hinter den ErwartungenDer Markteintritt von Payconiq trifft Paydirekt in einer Phase, in der branchenweit die Meinung herrscht, dass das Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft bislang nicht so recht an Fahrt gewinnen will. Auch hinter den eigenen Erwartungen ist Paydirekt bisher offenbar zurückgeblieben. So hatte sich Paydirekt-Geschäftsführer Niklas Bartelt im Sommer 2015 zuversichtlich gezeigt, bis Ende jenes Jahres eine “signifikante Präsenz” bei Online-Händlern erreichen zu können.Noch im Januar vergangenen Jahres gestand er Paydirekt ein “unglaubliches Potenzial” mit “über 50 Millionen Online-Konten” zu. Zuletzt allerdings beklagte er aus seiner Sicht überzogene Erwartungen des Marktes. Derzeit sind neben 1,2 Millionen Käufern knapp 1 300 Händler sowie über die Plattform Rakuten mehr als 7 000 weitere angeschlossen.Bei Paypal waren es bundesweit 50 000 Shops. Payconiq hat drei Jahre nach ihrer Gründung in Belgien bereits über 40 000, wenngleich oft kleinere Einzelhändler angebunden. Der Vorstoß des Start-up, einst entwickelt im “ING Innovation Lab”, hat auch deshalb Sprengkraft, weil sein Aktionär ING mit seiner deutschen Tochter schon im Falle von deren Tagesgeldkonto gezeigt hat, dass er für Umwälzungen im Markt sorgen kann. Viele EigentümerAls Pferdefuß von Paydirekt wird in deutschen Bankenkreisen empfunden, dass Paydirekt mit seiner weitgefächerten Eigentümerstruktur über alle Säulen des deutschen Kreditgewerbes hinweg wenig beweglich ist und zudem ein auf die Landesgrenzen beschränktes Angebot darstellt. Für Unmut bei manchen deutschen Bankkunden hatte Anfang August zudem die Entscheidung von GIZS, der Paydirekt-Projektgesellschaft der Sparkassen, gesorgt, rund 2,6 Millionen Sparkassenkunden zum Monatsende ohne deren ausdrückliche Einwilligung per “Komfort-Registrierung” in Paydirekt-Kunden zu verwandeln und Ende Oktober automatisch für die Nutzung des Online-Bezahldienstes freizuschalten. Payconiq verspricht Transaktionen über alle Kanäle hinweg, ob online, per Smartphone oder im Laden über einen Terminal, und zwar grenzüberschreitend.Konzipiert wurde die Gesellschaft als defensives Manöver mit Blick auf die zum Jahreswechsel in Kraft tretende EU-Zahlungsverkehrsrichtlinie PSD2, welche Banken zwingt, Drittanbietern auf Kundenwunsch Zugang zu deren Konten zu gewähren. Zu Monatsbeginn hat das Unternehmen seinen Sitz nach Luxemburg verlegt und Kapitalspritzen von ING, KBC sowie der belgischen Banken- und Versicherungsgruppe Belfius erhalten, um vom Großherzogtum aus seine europäische Expansion voranzutreiben. Digicash übernommenBislang ist Payconiq allein in Belgien aktiv. Im Zuge des Umzugs nach Luxemburg hat die Gesellschaft dort allerdings den mobilen Zahlungsdienstleister Digicash übernommen, den dort ein Viertel der Bevölkerung nutzt und der fünf Banken auf seiner Plattform vereinigt. Neben der luxemburgischen, rund 50 Mitarbeiter zählenden Payconiq International, die sich vor allem um die IT kümmert, unterhält das Unternehmen in Luxemburg, den Niederlanden und Belgien lokale Gesellschaften mit jeweils eigenem Aktionariat. Im Falle der belgischen Landesgesellschaft halten ING, KBC und Belfius Anteile, eine vierte soll in diesen Tagen hinzukommen.Nun ist der Markteintritt in den Niederlanden und Deutschland geplant: In den Niederlanden haben sich neben ING die Rabobank, ABN Amro und SNS Reaal an der dortigen Payconiq-Landesgesellschaft beteiligt. Damit werden 80 % bis 85 % des Zahlungsverkehrsmarktes in den Niederlanden abdeckt sein, heißt es bei den Beteiligten. Der Marktstart ist im November geplant. Start in einer GroßstadtZur Strategie des Markteintritts will er sich nicht äußern. Folgt sie dem Vorgehen in Belgien, wird das Unternehmen sein Angebot zunächst in einer größeren Stadt starten, um dort Nutzer und Einzelhändler zu akquirieren. Dabei zielt van der Mars unter anderem auf Imbisswagen (Food Trucks) ab. Der parallele Umgang mit Bargeld und Nahrung werde als wenig hygienisch empfunden, argumentiert er. Eigenen Angaben zufolge will er den Markteintritt als geglückt ansehen, wenn sich 5 % der Einwohner die Payconiq-App herunterladen und annähernd jeder Zweite davon sie in Nutzung nimmt. KostenwettbewerbBei der Akquise von Händlern setzt er den Akzent auf den internationalen Charakter von Payconiq und auf die Preise. Payconiq berechne Pauschalpreise, die für Händler deutlich unter den Kosten von Kartenzahlungen lägen, sagt er, ohne das Niveau indes konkret zu beziffern.Beim Kauf per Kreditkarte fallen für Händler bis zu 0,3 % des Einkaufs an Entgelten an, im Falle von Eurocard-Zahlungen 20 Basispunkte. Bei Paypal liegen sie bei 1,5 % plus 35 Cent pro Transaktion. Bei Paydirekt variieren sie dem Vernehmen nach zwischen 1 und 1,6 % sowie ebenfalls 35 Cent pro Vorgang.Auf Sicht wird auch in Deutschland eine Landesgesellschaft gegründet, wenn der Markteintritt in der Bundesrepublik erfolgreich verläuft, wie van der Mars sagt. “Wir laden Banken ein, Aktionäre zu werden, auf der nationalen und der internationalen Ebene.” In diesem Fall wird es spannend werden zu sehen, ob sich ING-DiBa, deren Mutter Anteile an Payconiq International hält, an dem deutschen Ableger beteiligen wird. “Zu einer möglichen Beteiligung eines zukünftigen Launches äußern wir uns nicht”, teilt ING-DiBa mit. Theoretisch könnten Paydirekt und Payconiq kooperieren.Allerdings ist der Zahlungsverkehrsmarkt in Benelux seit jeher stärker integriert, wie Beobachter zu bedenken geben. Dieses Betätigungsfeld mir nichts, dir nichts auf die Bundesrepublik auszudehnen sei da nicht ohne. Auch die Standards im Datenschutz sind im Falle Payconiqs freilich nicht die deutschen. Druck wächstFest steht: Der Druck auf Paydirekt wächst, je länger die Reichweite des Gemeinschaftsunternehmens lahmt. Van der Mars berichtet schon von deutschen Händlern, die mit dem nationalen Charakter von Paydirekt hadern und deshalb Payconiq im Ausland testen. Händler wollten eine Lösung, die on- und offline in mehreren Ländern funktioniere und dabei günstiger sei als Paypal oder Kreditkarten, wirbt Payconiq für ihr Angebot.Konsumenten bietet Payconiq, wie die Sparkassen-App Kwitt, die Möglichkeit von Peer-to-Peer-Zahlungen. Dabei können beide Seiten ihre Konten bei Banken in verschiedenen Ländern unterhalten, die Institute müssen auch nicht Anteilseigner der lokalen Payconiq-Gesellschaft sein.Zugleich können Nutzer Waren online oder in Filialen bezahlen, etwa über einen Terminal mit Hilfe eines QR-Codes. In Belgien zeigt die App ihren Nutzern überdies per GPS an, welche Läden in ihrer Nähe an Payconiq teilnehmen. Händler können über Schnittstellen eigene Rabattprogramme in die App bzw. in ihren Kassenterminal integrieren, wie es heißt. Der Kunde benötige keine separaten Programme, Apps oder Karten mehr. Wenn ein Händler Daten über die Transaktionen, welche ein Kunde in seinen Geschäften sowie online tätige, gleichermaßen erhalte, sei dies “der beste Tracker” für ihn, argumentiert van der Mars.