Permanente Veränderung ist die neue Kontinuität
Die Digitalisierung ist der wesentliche Treiber auf dem Weg in eine neue Gesellschafts- und Wirtschaftsform im 21. Jahrhundert: Menschen, Organisationen und Märkte verändern sich schnell und grundlegend. Die Transformation ist dabei weit mehr als der Übergang zu neuen Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit oder die Generierung neuer Erlösquellen. Skills, lebenslanges Lernen und Netzwerke avancieren zu Megatrends, ermöglichen Orientierung und Gestaltung in einem volatilen, unsicheren, komplexen und von Ambiguität geprägten Umfeld. Mit einem Bildungsangebot aus genossenschaftlicher Forschung, akademischer Lehre und beruflicher Qualifizierung ist die genossenschaftliche Welt für die Herausforderung der Zukunft gut aufgestellt.Die Bankenwelt steht unter enormem Transformationsdruck: Die seit Jahren währende Niedrigzinsphase sowie wachsender Wettbewerb durch Fintechs und Big Techs zwingen die Institute zunehmend, bisherige Erlös- und Geschäftsmodelle zu modifizieren und sich mit neuen Ideen innovations- und marktfähig zu zeigen. Insbesondere bei digitalen Angeboten und Lösungen geben Robo-Advisory, Künstliche Intelligenz oder Crowdfunding das Tempo vor. Bedingt durch den demografischen Wandel sind zudem bisher eingespielte Muster im Kundenverhalten und in der Kundenansprache nicht mehr zielführend und müssen hinterfragt werden. Und dies kontinuierlich. Denn in der zunehmend von Instabilität und Unwägbarkeiten geprägten Welt ist permanente Veränderung die neue Kontinuität.Dies gilt für die Entwicklung und Produktion von Finanzdienstleistungen ebenso wie für das Berufsbild des Bankers. Reichte früher die Ausbildung zum Bankkaufmann oder zur Bankkauffrau für einen soliden Werdegang in einem Institut bis zum Renteneintritt, so ist eine lebenslange Karriere ohne lebenslanges Lernen heute kaum noch und in Zukunft vermutlich gar nicht mehr denkbar. Wachsende Ansprüche erfordern wachsende Qualifizierungen – und so lässt sich seit Jahren eine zunehmende Akademisierung der Beschäftigten in Finanzinstituten beobachten.Mitarbeiter, die sich ihr gesamtes Berufsleben lang weiterbilden und qualifizieren, werden zu einem zentralen Faktor der Wettbewerbsfähigkeit jedes einzelnen Instituts. Denn so, wie sich jede Organisation insgesamt auf die rasanten Veränderungen der Märkte und der Technologien einstellen und daran anpassen muss, gilt es auch für den einzelnen Mitarbeiter, Schritt zu halten.Auf diese wachsenden Herausforderungen die richtigen Antworten zu finden, entscheidet über die Zukunftsfähigkeit der Banken. Worauf es dabei ankommt: Die Trias aus Lernen – Weiterbilden – Vernetzen strategisch mit dem Transformationsprozess zu verankern. Lernen nicht mehr als Vorgang zu begreifen, der heute noch vielfach parallel neben der Arbeitswelt stattfindet, sondern als einen Prozess, der untrennbar mit der Arbeit selbst verknüpft ist – und in den zunehmend auch der Kunde proaktiv mit einbezogen werden sollte.Wichtig ist hierbei zu beachten: Lebenslanges Lernen ist kein Prozess, der nur die Mitarbeiter betrifft. Auch die Führungsebene jeder Organisation selbst ist gefordert, sich daran zu beteiligen. Eine der größten Aufgaben der Personal- und Organisationsentwicklung im Bankenbereich wird es sein, künftig allen Beschäftigten berufsbegleitendes, lebenslanges Lernen zu ermöglichen und die erforderlichen Freiräume dafür zu schaffen.Es gilt heute mehr denn je, bei Vorständen und Führungskräften dieses Verständnis für Lernen – Weiterbilden – Vernetzen als basales Mindset zu etablieren. Lernen muss als untrennbarer Bestandteil unserer modernen Arbeitswelt verstanden werden, inklusive dem Verständnis, dass man auch als Leiter eines Teams oder eines Unternehmens niemals auslernt. Leadership in Zeiten der Transformation bedeutet, seinen Wissensstand und seine Kompetenzen stets so weiterzuentwickeln, dass man als Verantwortlicher für seine Organisation und Mitarbeiter in der Lage ist, Transformation zu gestalten – statt zu reagieren und sich von der Veränderung treiben zu lassen.Die Genossenschaftsbanken und andere kooperierende Unternehmen profitieren in diesem Marktumfeld von einer einzigartigen Positionierung. Während ein rein ökonomistisches Marktverhalten und Gewinnorientierung für andere Wettbewerber den Erfolgsdruck in der modernen Welt erhöhen, kann die kooperierende Unternehmenswelt auf die genossenschaftlichen Werte der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Gemeinschaft als Erfolgsrezept vertrauen. Sie sind Bestandteil ihrer DNA und ein stabilisierender Anker. Sie ermöglichen einen angemessenen und auch den Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden angemessenen gesellschaftlichen Nutzen und wirtschaftlichen Umgang mit den Herausforderungen unserer Zeit – wenngleich noch Potenzial besteht, den Handlungsbedarf stärker in den Vordergrund zu stellen.Das belegt die jüngste Studie des im vergangenen Jahr gegründeten genossenschaftlichen Forschungsinstituts ADG Scientific – Center for Research and Cooperation (ARC). Eine Umfrage des ARC unter den deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken ergab: Obwohl Werte, Normen und Leitbilder zum genossenschaftlichen Selbstverständnis für das Gros der Führungskräfte eine große Rolle spielen, könnten diese noch besser und grundlegend in die Gestaltung zukünftiger Lösungen integriert werden. Konkret bedeutet das, Geschäftsmodelle noch bewusster an den genossenschaftlichen Prinzipien auszurichten und in Wirkung zu bringen.Auf Basis dieser Ergebnisse und des Verständnisses für die Bedeutung des Megatrends Lernen für nachhaltiges Wachstum hat die ADG gemeinsam mit ihren Partnern aus dem Bildungsverbund eine Initiative lanciert und branchenübergreifend Unternehmen und Organisationen der genossenschaftlichen Welt zur kooperativen Weiterentwicklung der Bildungspolitik und -angebote eingeladen. Ziel ist es, die Orientierung an den traditionellen Werten und die genossenschaftliche Prägung von Menschen in führenden Rollen zu stärken, um so die Entwicklung tragfähiger genossenschaftlicher Geschäftsmodelle auch für die Zukunft zu unterstützen. Inhalte und Formate anpassenBefähigen im digitalen Zeitalter bedeutet, Inhalte und Formate der Bildungsangebote anzupassen. Klassisches Fachwissen, die tradierten “Hard Skills” alleine reichen nicht mehr. Besonderes Augenmerk sollte heute gelegt werden auf “Soft Skills” (kommunikative, mentale, soziale Kompetenzen, Lösungs-, Umsetzungs- und Führungskompetenz). Im Zusammenspiel mit genossenschaftlich geprägter Qualifizierung können derart gestaltete Bildungsangebote die Haltung und Herangehensweise an permanente Veränderungen am Markt verändern. Ein ausgebildetes agiles Mindset hilft ferner zu verstehen, was Kunden antreibt und ermöglicht es Führungskräften, auch und gerade in Zeiten des Wandels zuverlässige, vertrauensvolle Partner und Förderer ihrer Mitarbeiter – und Kunden – zu sein.Soft Skills lassen sich jedoch nicht nach Lehrbuch vermitteln, sondern nur in modernen Qualifizierungsformaten, kreativen Settings, in Netzwerken und im Job. Auch die Möglichkeiten digitaler Kanäle und Technologien leisten wertvolle Unterstützung. Bildungsformate wie beispielsweise das “Blended Learning” stellen die nötige Individualität und Flexibilität beim Lernen in einem qualitätsgesicherten, integrierten Mix her: Zum einen dienen Präsenzzeiten vor Ort der Vertiefung, dem Dialog und der Vernetzung der Lernenden. Zum anderen gibt es digitale Module zur gezielten Anwendung berufsbezogener Themen im Kontext des Arbeitsalltags. So kann der Lernende den Lernprozess nach eigenen Schwerpunkten und nach eigenem Tempo gestalten – ein wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, Lernen als etwas wahrzunehmen, das dem eigenen Fortkommen nutzt und dabei auch noch Spaß macht, weil es zu einem in weiten Teilen selbstorganisierten Vorgang wird.Aber auch passgenau in Zusammenarbeit von Bildungsanbietern und Unternehmen entwickelte Qualifizierungsangebote, die als InhouseModule angeboten werden, tragen dazu bei, Unternehmen in ihren konkreten Weiterbildungsanliegen individuell bestmöglich zu unterstützen. Moderne Weiterbildung befähigt die Unternehmen der genossenschaftlichen Organisation, die Anforderungen der heutigen Zeit bestmöglich anzunehmen und sinnstiftende Antworten zu finden. Eine Fähigkeit, die Genossenschaften seit über 150 Jahren unter Beweis stellen durch regionale Verbundenheit, Nähe zu Kunden und Mitgliedern und deren Förderung.Fest steht, eine konsequent ethik- und wertebasierte Wirtschaftsphilosophie ermöglicht heute mehr denn je eine Differenzierung und Profilierung im Wettbewerb um Kunden – aber auch am Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgeber um intrinsisch motivierte und qualifizierte Arbeitskräfte. Genossenschaftliche Finanzdienstleister haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass auf Basis förderwirtschaftlichen Handelns Kundenvertrauen wachsen konnte. Aber Vertrauen ist nichts, auf dem man sich ausruhen kann. Es muss ständig neu gewonnen werden. Tag für Tag, Jahr für Jahr. Yvonne Zimmermann, Vorstandsvorsitzende der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG)