„Planspiel Börse“ und „Schulbanker“ können Wissenslücke kaum schließen
Finanzinitiativen stemmen sich gegen Bildungslücke
Sparkassen und private Banken wollen mit "Planspiel Börse" und "Schulbanker" spielerisch Wissen vermitteln – Doch das Grundproblem können sie nicht lösen
Von Jan Schrader, Frankfurt
Spaß haben die Schülerinnen und Schüler im „Planspiel Börse“ der Sparkassen allemal, wie die Namen der Teams nahelegen. In der Rolle als Anleger am Aktienmarkt führen im derzeit laufenden Börsenspiel die Schülerteams „Running Gag Aktionäre“, „RTX4090-Squad“ und „Die drei Musketierchen“. Ihr fiktives Depot von anfangs 50.000 Euro bauten die Jungaktionäre seit Spielbeginn am 4. Oktober bis zum 15. November bereits um mehr als ein Fünftel auf jeweils etwas mehr als 60.000 Euro aus, während der Leitindex Dax in der gleichen Zeit um schlappe 4% aufwärts kroch.
Im Wettbewerb „Schulbanker“ der privaten Banken wiederum schafften es unter anderem die Teams „Fensterbank“ und „Soldman Gachs“ auf das Siegertreppchen und setzten sich etwa gegen „Nur Minus“, „Brennholzverleih“ und andere durch. Im vergangenen Jahr gewann „Panama Papers“ das Finale. In mehreren Runden haben die Schülerteams zum Beispiel Zinsen für verschiedene Kredite und Spareinlagen festgelegt, Preise für die Kontoführung bestimmt, das Filialgeschäft gesteuert oder einen Wertpapierfonds gemanagt. Dabei haben sie sich gegen andere Schülergruppen aus dem ganzen Land durchgesetzt und somit spielerisch das Wesen von Banken und Wettbewerb erfahren.
Rund 96.000 Teilnehmende, aufgeteilt auf etwa 43.000 Teams, zählten die Sparkassen vor einem Jahr. Dabei spielen nicht nur Schüler mit, sondern etwa auch Sparkassen-Azubis oder Studierende. Die „Schulbanker“ zählten in der letzten Runde vor einem Jahr 546 Teams mit rund 2.300 Schülern.
Auch darüber hinaus engagiert sich die Branche: Der deutsche Fondsverband BVI stellt über die Initiative „Hoch im Kurs“ Unterrichtsmaterial bereit. Die jungen Menschen lernen so etwa über den Umgang mit Geld, Altersvorsorge und die Funktion von Börsen. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) wiederum bietet Erklärvideos an, etwa zu Inflation, zur IBAN und – na klar! – zu Genossenschaften.
Es sind nicht nur Branchenverbände, die auf die Schulen zugehen. Die Bundesbank hält Material rund um Geldpolitik für den Unterricht bereit. Die Verbraucherzentralen fördern mit der „Verbraucherschule“ Projekte von Schülern zu verschiedenen Themen, darunter auch zum Themenfeld Finanzen, Marktgeschehen und Verbraucherrecht.
Wenig Platz im Lehrplan
Am Mangel an Finanzbildung ändern die Initiativen aber wenig. Das Problem sitzt tief. Praktisches Finanzwissen findet sich nur teilweise auf den Lehrplänen in den Bundesländern wieder. Am häufigsten lehren Schulen in Baden-Württemberg und Bayern praktisches Wissen, wie eine Studie des heutigen Bundesbank-Bildungsexperten Andreas Schuler und der Tübinger Wirtschaftsprofessorin Taiga Brahm vor zwei Jahren in der „Zeitschrift für ökonomische Bildung“ zeigte.
Die Bildungsforscher untersuchten zum Beispiel, ob Schulen Kenntnisse rund ums Geld, um Haushaltsplanung, Sparkultur, Finanzrisiken, Versicherungen und Verbraucherrechte vermittelten. Niedersachsen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein folgen dabei mit etwas Abstand, auch Brandenburg und Hessen zählen noch zum Mittelfeld. Schlusslichter in der Untersuchung sind Rheinland-Pfalz und Berlin. In beiden Ländern spielt Finanzbildung fast keine Rolle in den Schulen.
Auch Erwachsenen mangelt es teils an grundlegenden Kenntnissen, doch es geht aufwärts: So weiß heute fast jeder, dass Inflation mit steigenden Lebenshaltungskosten einhergeht, wie eine Umfrage der deutschen Finanzaufsicht BaFin aus dem Jahr 2022 zeigt. Aber bereits der Grundsatz, dass eine Geldanlage mit hoher Rendite wahrscheinlich auch risikoreich ist, haben lediglich 85% begriffen. Den Effekt des Zinseszinses können nur drei Viertel (74%) in einem Beispiel richtig benennen. Immerhin hat sich das Wissen binnen drei Jahren verbessert.
Lobbycontrol warnt
Die Finanzbranche kann die Lücken allenfalls teilweise schließen. Auch stehen diverse Wirtschaftsverbände wegen ihres Engagements an den Schulen in der Kritik. Der Verein Lobbycontrol warnte bereits vor einigen Jahren vor Interessenkonflikten der Unternehmen und vor einer Abhängigkeit der Schulen.
Die Länder müssen Finanzbildung selbst in die Hand nehmen. Das sieht auch die Branche so. „Deutschland fehlt eine Finanzbildungsstrategie“, moniert der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV). „Finanzbildung ist der Schlüssel zum Verständnis unserer Welt", mahnt Bankenverbandspräsident Christian Sewing. Keine Frage: Die Initiativen reichen nicht, wenn das Thema sonst im Lehrplan kaum vorkommt. Nicht alle Schülerinnen und Schüler ziehen schließlich so erfolgreich mit wie die Witzbolde der „Running Gag Aktionäre“ und „Panama Papers“.
Finanzbildung
Jenseits von Baden-Württemberg und Bayern vermitteln Schulen nur selten praktisches Finanzwissen. Diverse Schulinitiativen der Finanzbranche können das Problem allenfalls teilweise lösen: Sie vermitteln teils wertvolle Informationen, klären aus Sicht ihrer Kritiker aber nicht unabhängig auf.