IM GESPRÄCH: FERDINAND-ALEXANDER LEISTEN

Plattformgeschäft als Rettungsanker

Fidelity blickt im Kerngeschäft auf ein schwieriges Jahr 2017 zurück - Trendwende im laufenden Turnus, aber Publikumsfonds leiden

Plattformgeschäft als Rettungsanker

Fidelity International hat im vergangenen Jahr im Kerngeschäft Federn lassen müssen. Allein das Plattformgeschäft mit Vermögensverwaltern rettete die Jahresbilanz. In diesem Jahr sieht es wieder besser aus, aber das Publikumsfondsgeschäft bereitet Sorgen.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtAngesichts der erreichten Höchststände an den Aktienmärkten reduzieren Anleger ihre Risiken in dieser Assetklasse. Dies hat die schwerpunktmäßig als Aktienhaus bekannte Fidelity International im vergangenen Jahr im Kerngeschäft schwer beeinträchtigt, und auch im laufenden Turnus schadet die Risikoscheu der Anleger dem Publikumsfondsgeschäft. “Wir bekommen zu spüren, dass die Anleger in den hoch gelaufenen Märkten die Risiken rausnehmen und in ihrer taktischen Risikoallokation die Aktien reduzieren”, sagt Ferdinand-Alexander Leisten, Sprecher der Geschäftsführung in Deutschland, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Andere Geschäftsbereiche sehen dagegen im Vergleich zu 2017 wieder besser aus. Das Plattformgeschäft mit Vermögensverwaltern erweist sich sogar als veritabler Stützpfeiler, dieser Bereich boomt.Neben der zunehmenden Risikoaversion der Anleger in puncto Aktien leidet das Wholesale-Geschäft von Fidelity, also das Geschäft mit Publikumsfonds bei den Vertriebspartnern, auch durch Performance-Rückschläge einiger Produkte, etwa beim “Fidelity Funds – America Fund”, der in Zeiten der boomenden Technologiewerte auf die falschen Unternehmen gesetzt hat. Der Fonds konzentriert sich nach dem Value-Ansatz auf unterbewertete Unternehmen, deren Werte sich allerdings durch den Technologie-Boom nicht so stark entwickelt haben wie erhofft. Insgesamt beliefen sich die Nettomittelabflüsse im Wholesale-Geschäft im vergangenen Jahr auf mehr als 300 Mill. Euro. Zugleich gab es aber auch Abflüsse im institutionellen Geschäft von rund 150 Mill. Euro. Diese Abflüsse konnten das Altersvorsorge- und das Direktgeschäft nicht ausgleichen, so dass im Kerngeschäft unterm Strich ein Minus von 125 Mill. Euro stand. Dank eines immensen Zuflusses im Plattformgeschäft, das bei der Tochter FIL Fondsbank (FFB) angesiedelt ist, von 3,2 Mrd. Euro schloss Fidelity das Deutschlandgeschäft mit einem Nettomittelzufluss von 3,1 Mrd. Euro ab nach 2,2 Mrd. Euro im Jahr 2016. Das verwaltete Vermögen erhöhte sich von 33,4 auf 37 Mrd. Euro (siehe Grafik).2018 hat sich die Wetterlage für den Assetmanager, der hierzulande 300 Mitarbeiter zählt, dagegen wieder gebessert. Im Kerngeschäft sind per Ende April 100 Mill. Euro Nettomittelzuflüsse zusammengekommen, inklusive FFB sind es 1,2 Mrd. Euro. Das verwaltete Vermögen erhöhte sich noch einmal leicht auf 37,5 Mrd. Euro. “Mit dem bisherigen Jahresverlauf sind wir sehr zufrieden. Im Wholesale-Geschäft müssen wir zulegen”, so Leisten, der 2014 Platz im Chefsessel genommen hatte. Geldabfluss beschleunigt sichIm Publikumsfondsgeschäft herrscht somit weiter Trübsal. Hier hat sich der Geldabfluss im Vergleich zum Vorjahr sogar noch beschleunigt und steht bei knapp 400 Mill. Euro im Minus. Das Segment war vertriebsseitig umstrukturiert worden, so dass das Team nach dem Weggang von drei Beratern von 14 auf elf Leute reduziert ist. Zugleich verlässt Vertriebschef Claude Hellers die Gesellschaft (vgl. BZ vom 2. Juni). Dass diese Entwicklungen mit dem schlechteren Abschneiden des Wholesale-Geschäfts zu tun haben könnten, bestreitet Leisten. Die Betreuung einzelner Bereiche sei neu gewichtet worden, weswegen einige Personen das Haus verlassen hätten. Das sei eine normale Entwicklung, meint Leisten. Nun werde das Team absehbar wieder leicht aufgestockt, und auch die Position von Hellers werde wieder besetzt. Fidelity werde in diesem Jahr die Bemühungen fortsetzen, das Publikumsfondsgeschäft hinsichtlich der Assetklassen zu diversifizieren. “Wir konzentrieren uns noch stärker darauf, auch unsere Renten- und Multi-Asset-Produkte in den Vordergrund zu rücken. Zudem haben wir unsere Kundenbasis deutlich verbreitert, um die Abhängigkeit von wenigen großen Kunden zu reduzieren.”War das Haus bis vor einigen Jahren ausschließlich in der Öffentlichkeit als Aktienhaus bekannt – und damit stark abhängig von der Entwicklung dieses Marktsegments und zudem noch von einem einzigen Flaggschifffonds, dem “European Growth Fund” -, beträgt der Anteil der Aktien an den Assets under Management derweil nur noch 67 %. Anleihen kommen auf 18 % und Mischfonds auf 15 %. 150 Fonds bietet Fidelity hierzulande an. Aktuell liefen Produkte mit Dividenden, mit Technologieschwerpunkt oder der “Fidelity World Fund” gut, berichtet Leisten. Risikoaversion bremst ausIm Gegensatz zum Wholesale-Segment hat sich in diesem Jahr das institutionelle Geschäft wieder gedreht und weist knapp 400 Mill. Euro Zuflüsse aus. Wobei Leisten im institutionellen Geschäft auf mehr gehofft hatte. Aber auch hier mache sich das De-Risking bemerkbar, berichtet er. Die Risikoaversion sei im Geschäft mit den Profianlegern vor allem bei Schwellenländerrenten bemerkbar, so der 51-Jährige. Grundsätzlich zeigt sich Leisten, der vor Fidelity nach seinem Abschluss als Diplom-Kaufmann an der Universität Köln seit 1994 20 Jahre lang für Sal. Oppenheim gearbeitet hatte, zufrieden mit der verbesserten Wahrnehmung des institutionellen Geschäfts seines Hauses. In den Jahren zuvor war Fidelity im Wettbewerb um die Großanleger kaum mit Erfolgen in Erscheinung getreten. “Im institutionellen Geschäft sichert uns die Diversifizierung der Assetklassen und der Kundensegmente eine gute Stabilität.”Im Geschäftsbereich Altersvorsorge stehen per Ende April 100 Mill. Euro an Zuflüssen zu Buche. Fidelity bezeichnet sich als stärkster ausländischer Anbieter in diesem Geschäft mit Schwerpunkt auf der Betreuung von international aufgestellten Unternehmen, die einen Ansprechpartner für die Pensionspläne in den verschiedenen Ländern und für die unterschiedlichen Jurisdiktionen suchen. Fidelity hegt große Hoffnungen wegen des neuen Betriebsrentenstärkungsgesetzes (vgl. BZ vom 16.5.2017), das neue Formen der Betriebsrente erlaubt. Bislang hat sich aber noch kein Tarifpartner an das neue Konstrukt gewagt. Leisten erwartet aber entsprechende Initiativen im kommenden Jahr.Der Manager sieht zudem das Betriebsrentenstärkungsgesetz als einen ersten, aber noch lange nicht ausreichenden Schritt zur Verbesserung der Altersvorsorge in Deutschland. “Der Gesetzgeber müsste sich viel stärker der Rentenlücke und ihrer eingängigen Darstellung widmen – eine Herausforderung für die Gesellschaft wie für den Einzelnen”, fordert er. Neben der gesetzlichen Rente, die vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland perspektivisch immer stärker schrumpfen wird, brauche es dringend mehr betriebliche und private Vorsorge. Um das zu erreichen, sieht er auch die Fondsbranche selbst in der Pflicht, ihren Teil dazu beizutragen. “Fidelity versucht, die Thematik der Rentenlücke in den Unternehmen gegenüber Beschäftigten und Investoren einfacher und stärker zu artikulieren”, skizziert er den Beitrag seines eigenen Hauses. Zudem nehme man an Studien teil. Einseitige FörderungInsgesamt fördert der deutsche Staat nach Meinung Leistens bei der Altersvorsorge zu stark die Investments in Anleihen, etwa durch die Bevorzugung der Versicherer, die stark in diese Assetklasse investieren. Gleiches gilt für die Riesterprodukte. Wie allgemein in der Finanzbranche zu hören, reklamiert auch er das Fehlen einer Aktienkultur in Deutschland. Dabei böten Aktien doch auf längere Sicht mehr Chancen als Risiken, so Leisten. Er spricht sich für ein zentrales Altersvorsorgekonto für jeden Arbeitnehmer aus, zumindest im betrieblichen Bereich, damit die Ansprüche von Arbeitgeber zu Arbeitgeber einfach weitergereicht werden können. Perspektivisch hält Leisten eine einheitliche Information über alle Altersvorsorgesäulen für jeden einzelnen Arbeitnehmer, inklusive der staatlichen Ansprüche, für wünschenswert. Dies gibt es etwa in Schweden. Ein solch einheitliche Renteninformation ist als Plan im Koalitionsvertrag zu finden.Das boomende Plattformgeschäft führt Leisten auf den vorangegangenen Ausbau des Kundenservices zurück. So liefert die FFB seit Neuestem im Rahmen eines Modellportfoliotools alle notwendigen Kennzahlen für die Reportings gegenüber den Kunden. “Die neue Anwendung liefert eine breite Anzahl an Kennzahlen wie die Risikoeigenschaften des Portfolios, die durchschnittliche Dividende oder die Zinssätze”, erklärt Leisten. Des Weiteren wurde für große Finanzberater eine schnellere und umfassendere Betreuung eingeführt. Zudem vergibt die FFB, die über eine Banklizenz verfügt, Lombardkredite, bei denen die Portfolien als Sicherheit dienen, oder es gibt jetzt auch Festgeldprogramme. Mehr passive ProdukteWeiter ausgebaut hat Fidelity sein noch recht überschaubares Angebot an passiven Produkten, das erst im vergangenen Jahr durch Smart-Beta-Fonds – eine Hybridform zwischen einem passiven und einem aktiven Fonds – ergänzt worden war. “Wir bleiben im Kern ein aktives Fondshaus, wir sind aber überzeugt, dass passive Investments für Anleger, die kurzfristig in bestimmte Assets investieren oder ein aktives Investment absichern wollen, durchaus Sinn machen.” Nunmehr wird die Palette der Indexfonds um Aktienprodukte erweitert, die im Vergleich zu anderen Anbietern am unteren Ende der Gebührenspannweite rangieren. Es handelt sich aber nicht um börsennotierte Fonds, also um ETFs, sondern um klassische Indexfonds. Grundsätzlich, ob börsennotierte Produkte oder nicht börsennotierte Produkte, ist seit Jahren ein Preiskampf bei Anbietern passiver Investments zu beobachten. Beim Thema Nachhaltigkeit ist Fidelity im Vergleich zu anderen Fondsanbietern hinten dran. Derzeit werde daran gearbeitet, eigene ESG-Kriterien (Environment Social Governance) zu entwickeln, heißt es. Sie sollen fester Bestandteil des eigenen Researchs werden. Auch soll es spezielle Produkte geben. Bislang existiert im institutionellen Bereich ein geringfügiger Mandatebestand von 1,7 Mrd. Euro, die als nachhaltig klassifiziert sind. Die EU-Kommission forciert derzeit das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche.Fidelity International wurde 1969 als das internationale Geschäft der großen Bostoner Fondsgesellschaft Fidelity Investments gegründet. Seit 1980 ist die Gesellschaft von der US-Gruppe unabhängig, ist ihr aber als Partner eng verbunden. Das weltweit gemanagte und verwaltete Vermögen beträgt 350 Mrd. Euro.