Volker Wohlfarth

„Privat investieren bei uns auch Bankvorstände“

Das Fintech Zinsbaustein.de spricht zunehmend institutionelle Anleger an. Auf der Crowdinvesting-Plattform kann in Immobilienprojekte investiert werden.

„Privat investieren bei uns auch Bankvorstände“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Hätten Sie es gewusst? Crowd­investing und Crowdfunding sind zwei unterschiedliche Anlageformen, wobei das Crowdinvesting den Renditegedanken in den Vordergrund stellt, während mit dem Crowd­funding primär gemeinnützige Interessen verfolgt werden. Eine Vielzahl von Anlegern betreibt dabei im Crowdinvesting die Mitfinanzierung eines Projektes, das in der Regel bislang nicht für private Anleger zugänglich war. Das wird auch in Deutschland seit einigen Jahren vor allem im Immobiliensektor über digitale Vermittlerplattformen betrieben. Und die haben nun eine Reife erreicht, die zunehmend auch institutionelle Investoren anzieht.

Ein gutes Beispiel für diesen schrittweisen Aufbauprozess ist die 2016 gegründete Zinsbaustein.de. Dort war Volker Wohlfarth zunächst beratend dazugestoßen, im Jahr darauf stieg er fest bei dem Berliner Fintech ein und verantwortet seitdem als einer von zwei Geschäftsführern Marketing, Kundenmanagement, Produkt und IT. Dabei bringt er einiges an Erfahrung für die Skalierung von Digitalunternehmen auch in der Immobilienbranche mit: Bei Ebay Deutschland gestaltete er die Anfangsjahre mit, danach half er beim Aufbau von Erento, einem Marktplatz für Mietartikel, war dann acht Jahre auch in der Geschäftsleitung von Immobilienscout.

Hauptgesellschafter bei der Gründung von Zinsbaustein.de waren Finleap und Sontowski & Partner, ein mittelständischer Projektentwickler. Die hätten gut geholfen, das Geschäft aufzubauen: Finleap habe einen wertvollen Beitrag für IT und Regulatorik geleistet, sei dann aber ausgestiegen, als sie sich als Wagniskapitalgeberin auf B2B-Konzepte konzentrierte, so Wohlfarth im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dieses Kommen und Gehen gehört in der Berliner Tech-Szene dazu, Wohlfarth und Finleap-Chef Ramin Niroumand sind befreundet – und den dann folgenden Zinsbaustein-Partner Dr. Peters Group hatte Wohlfarth über einen ehemaligen Savedo-Manager, auch eine ehemalige Finleap-Beteiligung, kennengelernt.

Die Dr. Peters Group, ein Investmenthaus und Assetmanager im Sachwertbereich, kam 2019 als Gesellschafter hinzu. Mit einem Portfolio von 145 aufgelegten Fonds, über 90000 Beteiligungen und einem Investitionsvolumen von rund 7,4 Mrd. Euro gehört die Gruppe zu den größten deutschen Anbietern von Sachinvestments.

Club Deals kommen an

Erstmals 2019 konnte Zinsbaustein ein Einzelinvestment über 1 Mill. Euro platzieren, es war der Auftakt der Kategorie „Club Deals“. Dort beträgt die Mindestanlage­summe 200000 Euro oder maximal 20 Anteile. „Club Deals sprechen vermögende Privatkunden und professionelle Investoren an. Manche Projektentwickler wollen nicht, dass Details einer Objektplanung in die Öffentlichkeit gelangen –  und über einen begrenzten Investorenkreis lässt sich Kapital für solche Projekte diskret einsammeln.“ Banken betrachteten die Produkte mit Laufzeiten von ein bis drei Jahren als Hochrisiko-Anlagen. „Aber privat investieren bei uns auch Bankvorstände.“

Dabei spricht die Basisversion der Plattform natürlich private Anleger an, so wie es auch bei Exporo der Fall ist. „Auf Zinsbaustein.de kann man ab 500 Euro investieren. Wir sind eine Plattform für Selbstentscheider, es findet keine Beratung im regulatorischen Sinn statt. Viele Anleger verteilen ihre Investments auf verschiedene Projekte und investieren in Teilforderungen oder qualifizierte Nachrangdarlehen, stehen also nicht im Grundbuch“, erklärt Wohlfarth. Die Gesellschaft ist ein Finanzanlagenvermittler nach Paragraf 34f der Gewerbeordnung. Vermittelt wird Mezzanine-Kapital, um bei Projektentwicklern die Eigenmittelbasis für die von den Banken geforderte Mindestgröße von meistens 20% zu stärken  – das hebele den Eigenmittel-Einsatz und verbessere die Rendite. „Unsere Finanzierung ist ein Modul im Mix, Basis ist meistens ein Bankendarlehen.“

Dass Zinsbaustein etwas von Risikosteuerung versteht, zeigt die Tatsache, dass bislang alle fälligen Investments zurückgeführt wurden. Von 70 angestoßenen Produkten sind bislang 41 zurückgezahlt, was 63 Mill. Euro ausmacht. Das Volumen der eingeworbenen Anlagen beträgt per Ende Juli 116 Mill. Euro. „Wir haben viele Anfragen, aber häufig passen die nicht zu unseren Qualitätskriterien.“ Wohlfarth bezeichnet Zinsbaustein.de als „kuratierte Immobilienplattform mit Qualitäts-Postulat“. Die Stärke der Gesellschaft liege in der Auswahl und Analyse der Projekte. „Wir haben schon gesehen, dass von uns abgelehnte Projekte auf anderen Plattformen gelandet sind und dort später für Probleme gesorgt haben.“ Dass es bei Zinsbaustein im Durchschnitt nur 5,25% Zinsen pro Jahr gebe, sei vielleicht eine Reflexion dieses Risikos. „Aber natürlich sind auch wir nicht gefeit vor Verzögerungen und Ausfällen.“

Zu den Kriterien bei der Vorauswahl gehöre neben einer hohen Eigenmittelquote, dass man eine Kostenzuverlässigkeit beim Entwickler sehen könne. Grundstück und Baugenehmigung müssten sowieso vorliegen. Bei Einzelgewerkvergabe sollten etwa 40% vergeben sein oder ein Generalunternehmervertrag vorliegen.  „Wir haben aber auch schon mal erlebt, dass mit den Dokumenten ein nicht unterzeichneter Mietvertrag eingereicht wurde.“

Der Investmentprozess ist klassisch bankennah aufgebaut: „Wir haben ein Akquise-Team und eine Analyse als klassische Marktfolge. Anschließend muss ein mit Immobilienexperten besetztes Investment-Komitee das Investitionsprojekt freigeben, wobei die Freigabe dann nur einstimmig erfolgen kann.“ Auf der Exit-Seite gehe es zunächst um die Abschätzung realistischer Verkaufspreise, „da verlassen wir uns nicht auf externe Wertgutachten. Es ist uns lieber, wenn wir schon eine Vorvertriebsquote sehen können oder wenn zumindest ein Letter of Intent zum Globalverkauf vorliegt.“

Beim Hochfahren des Retail-Geschäftes kommt dem Fintech entgegen, dass 2019 die Regulierung so geändert wurde, dass die Obergrenze für ein Crowdinvesting je qualifiziertem Anleger nun 25000 Euro statt 10000 Euro beträgt. „Das Schöne ist ja, dass es bei der Projektentwicklung eine hohe mögliche Wertschöpfung gibt, in die man investieren kann.“ Zinsbaustein bringe viele Pflege­immobilien ein, das werde von Investoren als sinnvoll eingeschätzt – auch über den Renditeaspekt hinaus.

Genug Platz im jungen Markt

Mit Blick auf Exporo, den großen Konkurrenten aus Hamburg, sagt Wohlfarth, man sei dankbar, dass sie Crowd­investing einem breiten Publikum bekannt gemacht hätten, denn so hätten die Berliner in der Bugwelle mitschwimmen können. Seine Perspektive: „Das ist kein Winner-takes-it-all-Markt, hier können mehrere Plattformen nebeneinander existieren. Zinsbaustein hat selbstbestimmte Kunden, und es ist zu sehen, dass wir diese Klientel gut ansprechen können. Die Funding-Power auf der Plattform hat sich erheblich vergrößert: Wir haben in 2021 per Ende Juni mehr vermittelt als im gesamten Vorjahr.“ Dabei war auch erstmals ein Family Office dabei, das als KG über die Plattform 2 Mill. Euro in einem Club Deal investierte. „Das zeigt, dass sich auch der Zugang zu dieser Investorengruppe öffnet – das hätten wir vor zwei Jahren noch nicht erwartet.“

Dabei hat Zinsbaustein stetig das Produktspektrum erweitert. Mit der Dr. Peters Group war die Gesellschaft in das Segment der alternativen Investmentfonds (AIF) eingestiegen und hatte dafür eine eigene digitale Zeichnungsstrecke entwickelt, was laut Wohlfarth „auf der regulatorischen Seite eine Herausforderung war“. Der erste Fonds kam von Primus Valor, mit dem „Verifort Capital HC1“ ist kürzlich der zweite AIF-Publikumsfonds im Vertrieb gestartet.

Über AIF können sich Anleger unternehmerisch an Bestandsimmobilien beteiligen. Dabei partizipieren sie neben der laufenden Wertschöpfung aus Miet- und Pachtverträgen an der möglichen Wertentwicklung bei Verkauf der Immobilien am Ende der Laufzeit. Dabei sind die Auszahlungen nicht fest vereinbart, sondern nur prognostiziert. Je nach dem wirtschaftlichen Erfolg des AIF können sie deutlich höher oder niedriger ausfallen oder sogar ausbleiben.

Hinzugekommen sind in diesem Jahr Unternehmensfinanzierungen im Immobilien-Umfeld als weitere Produktkategorie. „Da haben wir Cube Real Estate auf die Plattform genommen. Das ist ein Darlehen mit drei Jahren Laufzeit zur Finanzierung der laufenden Geschäftstätigkeit, dafür wurden über Zinsbaustein.de 5 Mill. Euro eingesammelt.“ Wegen eines höheren Risikos lägen die Zinsen bei 7% pro Jahr.

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