„5 Milliarden Euro stehen im Risiko“
„5 Milliarden Euro stehen im Risiko“
Im Podcast: Markus Held
„5 Milliarden Euro stehen im Risiko“
Hohe Dunkelziffer: Restrukturierungsberater erwartet noch mehr Debt-to-Equity-Swaps von Kreditfonds in Deutschland
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Private Credit erlebt gerade den ersten Stresstest. Seit der im Sommer 2022 eingeleiteten Zinswende sind Direct Lender auch als Restrukturierer gefragt. Manche der Probleme sind hausgemacht – die Quittung für Übertreibungen aus den Boom-Jahren – andere sind struktureller Natur. In beiden Fällen ist die Lage ernst.
Der dänische Private-Credit-Fonds Capital Four übernimmt den deutschen Hersteller von Baby- und Kinderprodukten Hauck. „Mit einer neuen, konservativen Kapitalstruktur und dem Zugang zu frischem Wachstumskapital ist Hauck künftig optimal positioniert, um seine operative Widerstandsfähigkeit zu stärken“, heißt es in einer offiziellen Mitteilung. Vor wenigen Wochen gab das Kartellamt die Übernahme frei. Bei Hauck war Ende 2019 der Private-Equity-Investor Avedon Capital eingestiegen. Capital Four hatte ursprünglich den Deal finanziert und Fremdkapital für weitere Übernahmen bereitgestellt.
Dass ein Private-Equity-Investor die Schlüssel zu seinem Portfoliounternehmen an die Fremdkapitalgeber abgibt, ist in der Regel der Worst-Case, wenn der bisherige Gesellschafter kein weiteres Eigenkapital mehr nachschießen kann oder will. Lange waren diese sogenannten Debt-to-Equity-Swaps die Ausnahme. Dabei wandelt ein Private-Credit-Fonds im Rahmen einer Restrukturierung sein Fremd- in Eigenkapital und übernimmt damit die Kontrolle über die finanzierte Firma. Doch diese Härtefälle mehren sich.
Dem Branchendienst „Debtwire“ zufolge gab es in Deutschland zwischen 2018 und dem ersten Quartal 2025 in Deutschland 26 Situationen, in denen ein Private-Credit-Fonds die Schlüssel zu seinem Portfoliounternehmen übernommen hat. Aber: Viele dieser Fälle sind nicht öffentlich. „Es gibt eine große Dunkelziffer“, sagt Markus Held von Roland Berger im Private-Markets-Podcast „Beyond Billions“. Bei der Restrukturierungsberatung gehe man eher von 40 bis 50 Fällen in Deutschland aus, wenn man genau hinschaue. Und es dürften künftig wohl noch mehr hinzukommen. „Ich glaube, dass der Lackmustest noch kommt“, sagt Held.
Arcmont verlor Sausalitos
Unter der Annahme, dass im deutschen Leveraged-Finance-Markt – dort sind die meisten Private-Credit-Fonds aktiv – aktuell rund 175 Mrd. Euro an Kreditvolumen unterwegs sind und – abgeleitet aus den historischen Quoten leistungsgestörter Bankkredite – für die risikofreudigeren Private-Credit-Fonds einen Anteil von etwas mehr als 2,5% unterstellt: „Dann kommt man auf eine dicke Daumenziffer von rund 5 Mrd. Euro, die da im Risiko stehen“, sagt Held. Davon werde sich hoffentlich nicht alles materialisieren, doch über diese Rechnung lasse sich das Risiko ein bisschen greifen.
Gleichwohl betont Held, dass ein Anstieg von leistungsgestörten Krediten nicht automatisch bedeute, dass der Privat-Credit-Fonds seinen kompletten Einsatz verliert. Selbst im absoluten Worst Case, der Insolvenz, bestünde noch eine Recovery-Chance, nach der der Kreditfonds durch die Verwertung von Sicherheiten einen Teil seines Geldes zurückholen kann. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Tex-Mex-Kette Sausalitos, die der Private-Credit-Fonds Arcmont 2023 in der Not von der DBAG übernahm, dieses Jahr dennoch Insolvenz anmelden musste.
Quittung für Sorglosigkeit
Doch der Stress in den Private-Credit-Portfolios nimmt zu: in den USA, in Europa und in Deutschland. Einen spürbaren Anstieg der Fallzahlen verzeichnet Debtwire ab dem Jahr 2023, insbesondere dem zweiten Quartal. Also unmittelbar im Anschluss an das Leveraged-Finance-Rekordjahr 2021 und die im Sommer 2022 eingeleitete Zinswende. Seit Bestehen der Zeitreihe hat Debtwire in Europa 99 Eigenkapitalisierungen von Private-Credit-Fonds erfasst. Die meisten Debt-to-Equity-Swaps erfolgen demnach in Großbritannien (42), gefolgt von Deutschland (26) und Frankreich (14).
Öffentlich einsehbare Fälle in Deutschland waren zuletzt neben Hauck beispielsweise der Kölner Medienkonzern MMC Studios, der 2019 von dem Private-Equity-Investor Novum Capital übernommen und 2021 in einen Continuation-Fonds gesteckt wurde. Laut Kartellamtmitteilung übernimmt dort der Private-Credit-Fonds Kartesia. Ein weiteres Beispiel aus diesem Jahr ist Vitronet, das die DBAG an Blackrock verlor.
Vergangenes Jahr gingen Energiekonzepte Deutschland von Auctus an Pemberton, GartenHaus/Ydeon von 3i an Tikehau, Caseking von HAL Investments an Arcmont, Univativ von Triton an Pemberton, Arvos von Triton an Barings/Blackrock oder Unzer von KKR an ein Konsortium aus Alcentra, Goldman Sachs und Partnersgroup, wie aus Daten von Debtwire hervorgeht. Alles Fälle, wo ein Private-Credit-Investor Gesellschafter wurde.
Alcentra hat den dicksten Schlüsselbund
Europaweit am häufigsten (17 Mal laut Debtwire) musste der Private-Credit-Fonds Alcentra Gesellschafter werden. Danach kommen fünf Kreditfonds, mit jeweils sechs identifizierten Debt-to-Equity-Swaps: ICG, Permira Credit, Kartesia, Barings und Pemberton. Auf der Private-Equity-Seite verlor im betrachteten Zeitraum Carlyle (5) die meisten Portfoliounternehmen, gefolgt von BC Partners (4). KKR, Bain Capital und Bridgepoint mussten je dreimal die Schlüssel abgeben.
Den spürbaren Anstieg seit 2023 erklärt Held mit einem Mix aus Übertreibungen im Rekordjahr 2021 und strukturellen Themen. „Glasfaser haben wir gerade an allen Fronten“, sagt Held. In dem Thema habe viel Hoffnung gesteckt, die sich nicht materialisiert und in der Branche zu strukturellen Problemen geführt habe. Die DBAG verlor bereits Vitronet – EQT kämpft dieser Tage um Deutsche Glasfaser.
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