Razzia bei Wirecard
Paukenschlag bei Wirecard: Die Staatsanwaltschaft München ist am Freitag in der Konzernzentrale in Aschheim zur Razzia vorgefahren, nachdem die Finanzaufsicht Strafanzeige gegen den Vorstand wegen Verdachts der Marktmanipulation durch zwei Ad-hoc-Mitteilungen im März und April gestellt hatte.bn Frankfurt – Der in Verruf geratene Zahlungsdienstleister Wirecard hat vor dem Wochenende abermals einen heftigen Reputationsschaden erlitten: Die Staatsanwaltschaft hat nach einer Strafanzeige durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Verfahren gegen den gesamten, vierköpfigen Vorstand der Gesellschaft wegen des Verdachts der Marktmanipulation eingeleitet. Am Morgen rückten die Ermittler am Firmensitz in Aschheim bei München zur Razzia an. Nachdem Wirecard am Abend über die Durchsuchung ad hoc informiert hatte, schmierte der Kurs der Aktie im nachbörslichen Handel um 7,5 % ab. Neuer HöhepunktWie die bayerische Strafverfolgungsbehörde mitteilt, beruht der Verdacht “darauf, dass die Verantwortlichen der Wirecard” durch die Ad-hoc-Mitteilungen vom 12. März und 22. April “irreführende Signale für den Börsenpreis der Aktien der Wirecard AG gegeben haben könnten”. Zum Ergebnis der Durchsuchung und zu weiteren Schritten machte die Staatsanwaltschaft keine weiteren Angaben, “auch um keinesfalls Einfluss auf den Aktienkurs des Unternehmens zu nehmen”. Mit der Strafanzeige durch die Aufsicht erreichen die Turbulenzen des Zahlungsabwicklers einen neuen, möglicherweise aber noch nicht ihren letzten Höhepunkt. So erklärte eine Sprecherin der BaFin am Freitag auf entsprechende Anfrage: “Die Untersuchung, ob Wirecard darüber hinaus möglicherweise irreführend kommuniziert und damit Marktmanipulation begangen hat, ist noch nicht abgeschlossen.” Kurs fährt AchterbahnDie Strafanzeige der Aufsicht zielt auf zwei Ad-hoc-Mitteilungen ab, in welchen sich Wirecard zum Sonderbericht von KPMG zu ihrer umstrittenen und von der “Financial Times” angezweifelten Bilanzierungspraxis geäußert hatte. Am 22. April hatte das Unternehmen ad hoc nochmals darauf hingewiesen, dass keine Belege für die Vorwürfe der Bilanzmanipulation gefunden worden seien und daher kein Korrekturbedarf für die untersuchten Bilanzen der Jahre 2016, 2017 und 2018 bestehe. Dies hatte einen Kurssprung der Aktie ausgelöst. Als sechs Tage darauf der KPMG-Untersuchungsbericht publik wurde, stellte sich dann heraus, dass die Prüfer eigenen Worten zufolge vielmehr auf ein “Untersuchungshemmnis” infolge fehlender Daten von Geschäftspartnern gestoßen waren. Die Aktie verlor daraufhin gut ein Viertel ihres Wertes. Nach Lesart der Aufsicht haben diese Ad-hoc-Mitteilungen Anlegern den Eindruck eines entlastenden Ergebnisses vermittelt, was tatsächlich aber nicht der Fall war. “Unrichtige, nicht vollständige oder in anderer Weise irreführende Angaben – etwa in Ad-hoc-Mitteilungen – können eine verbotene Marktmanipulation sein”, stellen sie fest.Mit ihrer Strafanzeige dürften sich die Aufseher wohl auch deshalb auf diesen Sachverhalt kapriziert haben, da er in Form der Ad-hoc-Mitteilungen und des KPMG-Berichts einwandfrei dokumentiert ist. Dies schließt indes nicht aus, dass weitere Sanktionen folgen werden. So prüfen die Aufseher darüber hinaus die allgemeine Kommunikation des Unternehmens zu seiner Bilanzierung. Hier ist die Lage indes weniger übersichtlich, sehen sich die Aufseher dabei doch auf Befunde Externer angewiesen, konkret von Wirtschaftsprüfern bzw. der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung, die sich derzeit mit dem Bilanzgebaren des Dax-Konzerns befasst. Anlegerklagen drohenAngesichts ihrer Finanzmarktkommunikation droht der Gesellschaft, nach der Strafanzeige durch die BaFin wohl erst recht, eine Reihe von Anlegerklagen. Die Anwaltskanzlei Tilp reichte eigenen Angaben zufolge Mitte Mai Klage gegen den Zahlungsabwickler ein und beantragte die Einleitung eines Musterverfahrens. Wenige Tage später folgte der Londoner Hedgefonds TCI, der Wirecard-Aktien leerverkauft hat und die Abberufung von Vorstandschef Markus Braun fordert, mit einer Strafanzeige beim Landgericht München gegen das Management. Wirecard bezeichnete die Anzeige als unbegründet. Auf Anfrage der Börsen-Zeitung hatte das Unternehmen im vergangenen Monat zudem abgestritten, mit seinen Ad-hoc-Mitteilungen zum KPMG-Sonderbericht Regeln verletzt zu haben. Vorwurf der FehlbilanzierungVorwürfe falscher Bilanzierung durch Wirecard haben die BaFin schon in der Vergangenheit wegen damit einhergehender Leerverkaufsattacken auf den Plan gerufen. Ebenfalls wegen Marktmanipulation, diesmal zulasten von Wirecard, hatte sie eine Untersuchung eingeleitet und das Verfahren 2019 an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Vorübergehend hatte die BaFin Leerverkäufe in Wirecard verboten. Zuletzt machte wiederum Wirecard-Chef Markus Braun von sich reden, als er Ende Mai Aktien des Unternehmens kaufte und die BaFin daraufhin eine Prüfung einleitete, ob der Manager damit vor Publikation des Geschäftsberichts gegen Insiderhandelsvorschriften verstoßen hat. Die Veröffentlichung des bereits mehrfach verschobenen Geschäftsberichts von Wirecard ist für den 18. Juni geplant.