RBS lässt sich digitale Bank bauen
Die Royal Bank of Scotland (RBS) ist mit einer neuen Marke im Geschäft mit mittelständischen Unternehmen unterwegs – der Smartphone-Bank Mettle, die binnen eines Jahres aus dem Boden gestampft wurde. Hierzulande sei mit der ersten rein digitalen Firmenkundenbank im nächsten Jahr zu rechnen, sagt Carsten Hahn von der Beratungsgesellschaft Capco.fir Frankfurt – Die Royal Bank of Scotland (RBS) hat zusammen mit der Beratungsfirma Capco innerhalb von zwölf Monaten eine Digitalbank aus dem Nichts geschaffen. Die bei der RBS-Tochter Natwest angedockte, aber eigenständige Smartphone-Bank Mettle bietet kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) in Großbritannien ein geschäftliches Girokonto sowie eine Debitkarte. Im Fokus stünden weniger die Kreditvergabe als vielmehr Zahlungsverkehr und Dienstleistungen wie Buchhaltung, Rechnungsstellung oder Kundenmanagement, um den Geschäftskunden die tägliche Arbeit zu erleichtern, quasi als Begleiter für den Arbeitsalltag.Das Geschäftskonto sei innerhalb von Minuten zu eröffnen und leicht zu bedienen, heißt es. Bislang läuft Mettle nur unter dem Betriebssystem iOS, werde schließlich aber auch unter Android erhältlich sein, ist auf der Homepage zu erfahren.Auch in Deutschland könnte das Modell Schule machen: Carsten Hahn, Senior Partner bei der auf das Finanzwesen spezialisierten Beratungsgesellschaft Capco, weiß von drei bis fünf Instituten in allen Säulen der deutschen Kreditwirtschaft, die derzeit parallel zum laufenden Betrieb eine Digitalbank aufbauen, teils für KMU, teils für den Retailmarkt. “Im Jahr 2020 dürften wir in Deutschland die erste Digitalbank für mittelständische Unternehmen haben”, sagt Hahn. Auch dem heimischen RBS-Rivalen HSBC wird nachgesagt, eine digitale Mittelstandsbank unter dem Projektnamen “Iceberg” aufzubauen (vgl. BZ vom 3.10.2018). Die spanische Santander wiederum könnte mit einer entsprechenden, bislang auf den Heimatmarkt beschränkten Bankenplattform ins Ausland streben. Capco unterstützt Hahn zufolge den Aufbau von Digitalbanken für eine Reihe von Kunden, so etwa für die brasilianische Bradesco.Mettle wurde quasi auf der grünen Wiese erbaut, um ein Institut zu schaffen, das frei von Altlasten, insbesondere der IT, und mit flexibleren Strukturen als eine klassische Bank agieren kann, schlank aufgestellt ist, ohne Filialen und mit wenig Personal auskommt und entsprechend kostengünstig ist. “Die Grundregel lautet: Mettle arbeitet wie ein Fintech – ohne Historie und Altlasten einer Bank”, so der Capco-Partner. Schutz gegen AbwanderungDie Greenfield-Bank soll neben den Geschäftskundenaktivitäten der RBS als eigenständige Marke agieren und sich selbst tragen. Im Mutterhaus und bei Natwest sei nicht vorgesehen, eigene Tätigkeiten aufzugeben oder Kündigungen auszusprechen, weil Mettle nun operativ tätig ist, sagt Hahn. Den Verweis, dass die Tochter- die Muttergesellschaft kannibalisieren könnte, will er so nicht stehen lassen. Mettle sei vielmehr auch als Schutzmaßnahme gegen eine potenzielle Abwanderung von RBS- bzw. Natwest-Kunden zu Fintechs zu verstehen. “Irgendjemand wird sowieso versuchen, diese Kunden abspenstig zu machen. Die Loyalität gegenüber der Hausbank nimmt ab, Kosten und Nutzen treten in den Vordergrund. Immer mehr Kunden behandeln eine Bankverbindung wie einen Telefonvertrag.” Gehen sie aber zu Mettle, so bleiben sie im selben Konzern.Von der ersten Idee, die auf Natwest zurückgehe, bis zur Aufnahme des Betriebs seien zwölf Monate vergangen. Capco hat den gesamten Prozess in enger Zusammenarbeit mit RBS begleitet und auch das Recruiting übernommen, d. h. Arbeitskräfte eigens für Mettle gesucht, ausgebildet und in ihren Positionen eingesetzt. Bewerber wussten von Anfang an, dass sie in einer Digitalbank tätig sein werden, die zum Zeitpunkt ihres Stellengesuchs noch gar nicht existierte. Bis auf einige Führungskräfte, die von der Muttergesellschaft zu Mettle stießen, sei der Mitarbeiterstab neu aufgebaut worden.Seit November 2018 ist Mettle aktiv, berichtet Hahn. Geld verdient sie ausschließlich mit Gebühren. Dazu, wie viel der Aufbau der neuen Bank kostet, will er sich nicht detailliert äußern. Die Investitionen seien hoch, allerdings habe der Kunde es auch selbst in der Hand, was er auszugeben gedenkt – je nach Ausgestaltung von Produkt- und Servicepalette, Personalbedarf und Komplexität der zu gründenden Gesellschaft. Die Klientel soll laufend nach ihren Wünschen befragt und eingebunden werden. Die Angebotspalette sei bewusst limitiert, könne aber – wenn die Kunden dies mehrheitlich wünschten – ausgebaut werden. So ist z. B. nur ein Kontohöchststand von 50 000 Pfund erlaubt, und es werden Kleinkredite von maximal 10 000 Pfund ausgezahlt. Mettle unterliegt nicht der britischen Einlagensicherung. Der Geschäftsbereich ist auf Großbritannien beschränkt, und das soll voraussichtlich auch so bleiben, heißt es.Streng genommen handelt es sich bei Mettle nicht um eine Bank, verfügt sie doch über keine Vollbank-, sondern über eine E-Geld-Lizenz von Prepay Solutions, die wiederum von der britischen Finanzaufsicht Financial Conduct Authority (FCA) beaufsichtigt wird. “Mettle ist bewusst als eigene Marke etabliert worden, um eine eigene Unternehmenskultur umzusetzen, die die Kreativität eines Fintech mit dem Anspruch einer Firmenkundenbank verbindet”, beschreibt Hahn das Selbstverständnis des Digitalinstituts. Auch Retail-Pendant in ArbeitAnders im Privatkundengeschäft: Das Retail-Pendant zu Mettle im RBS-Konzern heißt Bo. Ob Capco hier ebenfalls dabei ist, will Hahn nicht verraten. Britischen Medienberichten zufolge soll die digitale Konsumentenkunden-Tochter von Natwest als Antwort auf Fintechs wie Monzo und Atom Bank oder den N26-Konkurrenten Revolut in diesem Jahr die Arbeit aufnehmen.Dass Mettle Schwierigkeiten haben könnte, angesichts einer bisweilen zwielichtigen Vorgehensweise der RBS verloren gegangenes Vertrauen bei Mittelständlern wiederzugewinnen, glaubt Hahn nicht. RBS wurde vorgeworfen, Firmen in die Überschuldung getrieben zu haben. Sie soll mehr als 12 000 in finanzielle Schwierigkeiten geratene mittelständische Firmen zwischen 2007 und 2012 in ihre Abwicklungssparte Global Restructuring Group überführt haben, geht aus Untersuchungen hervor. Aus den Vorfällen habe die Großbank gelernt, sagt Hahn. Und das wüssten auch die Mettle-Kunden.