UNION INVESTMENT ZIEHT BILANZ

Reinke befürchtet "Nightmare"

Union-Investment-Chef: Nachhaltige Finanzberatung könnte schlimmer als Mifid II werden

Reinke befürchtet "Nightmare"

Bei Union Investment erwacht auch bei den Privatkunden das Interesse an der nachhaltigen Geldanlage. Auf bereits 53 Mrd. Euro summieren sich die nach ESG-Kriterien angelegten Investments. Vorstandsvorsitzender Hans Joachim Reinke warnt vor den neuen EU-Plänen für eine nachhaltige Anlageberatung.sto Frankfurt – Die voraussichtlich ab Mitte 2021 geltende Verpflichtung, in der Finanzberatung den Kunden nach seinen Präferenzen in Sachen Nachhaltigkeit zu befragen, könnte für die Finanzbranche schlimmer als die Einführung von Mifid II sein. Diese Befürchtung äußerte der Chef von Union Investment, Hans Joachim Reinke, bei der Jahrespressekonferenz in Frankfurt. “Die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage ist eine große Herausforderung für die technischen Prozesse und verlängert die Beratung und Dokumentation – wenn das nicht gut umgesetzt wird, könnte es ein größeres Nightmare als Mifid II werden, und das war schon lustig.”Die Vorgaben der EU-Finanzrichtlinie Mifid II hatten in der Branche wegen der Komplexität der Vorgaben und der hohen Kosten (die deutschen Banken sprechen von 6 Mrd. Euro inklusive der Kosten für die neuen Produktinformationsblätter Priips) für einen derart riesigen Aufschrei gesorgt, dass sich Berlin in Brüssel nun für eine Abschwächung einsetzt. Die Befürchtung, die Umsetzung der nachhaltigen Finanzberatung könnte für die Banken noch schlimmer als Mifid II sein, ist somit starker Tobak.Fakt ist: Die EU gibt den Banken und Finanzberatern bis Ende Juni 2021 Zeit, die Abfrage nach den Wünschen der Kunden in Sachen Ökologie, Soziales und gute Unternehmensführung bei ihren Investments in die Anlageberatung einzuarbeiten. Dabei geht es aber nicht um ein schlichtes Ja oder Nein, sondern um ein Vier-Stufen-Schema, das von null Interesse bis zu einer maximal möglichen Wirkung in puncto Nachhaltigkeit reicht. Für die Finanzvertriebe und Banken bedeutet dies eine massive Veränderung sowohl für den Beratungsprozess als auch für die Produktauswahl. Die Anbieter von Produkten wie eben Union Investment müssen dann entsprechende Informationen zur Nachhaltigkeit ihrer Produkte veröffentlichen. Seit 30 Jahren aktivWährend der Chef der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Schlimmes für die Vertriebe befürchtet, sieht er der kommenden Informationspflicht für die hauseigenen Produkte wie auch den anderen bislang von Brüssel festgelegten künftigen Vorgaben für eine nachhaltigere Finanzbranche gelassen entgegen. “Ganz gleich, welchen Rahmen die Regulierung in Zukunft setzen wird, wir können ihn umsetzen.” Union Investment lege bereits seit 30 Jahren Gelder nach nachhaltigen Kriterien an, damals angestoßen durch die Kirchenbanken der genossenschaftlichen Finanzgruppe.Machte sich das Thema im Laufe der Jahre nur im institutionellen Geschäft der Gesellschaft immer bemerkbarer, sei nun auch im vergangenen Jahr bei den Privatkunden erstmals spürbar Interesse zu verzeichnen gewesen, berichtete Reinke. Immerhin 40 % des Neugeschäfts im Privatkundensegment (insgesamt 8,1 Mrd. Euro) bezog sich auf nachhaltige Fonds. Von denen gibt es derzeit nur wenige, um ein bis zwei weitere Produkte für Privatanleger soll die nachhaltige Palette im laufenden Jahr ergänzt werden.Stand Ende 2019 beträgt das gesamte Anlagevolumen in nachhaltigen Investments 53,1 Mrd. Euro von insgesamt 368,2 Mrd. Euro, also 14 %. Zum Vergleich: Nur fünf Jahre zuvor betrug das Volumen nur 7,9 Mrd. Euro von insgesamt 232,1 Mrd. Euro. Reinke ergänzte, dass im zurückliegenden Jahr mehr als die Hälfte aller institutionellen Mandate zu globalen Aktien nachhaltige Aspekte einbeziehen sollte.Reinke erwartet, dass das Thema der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft die nächste Dekade “maßgeblich” prägen wird, auch in der Geldanlage. Bedarf und Anlageziele der Kunden würden für Union Investment aber immer die wichtigere Rolle spielen, hob er hervor. “Es geht uns nicht darum, eine bestimmte Weltanschauung abzubilden oder nach außen zu tragen.” Der Wandel der Wirtschaft sei eine “große Gemeinschaftsaufgabe, die der Unterstützung vieler bedarf”. Assetmanager seien dabei nur Intermediäre, wenn auch wertvolle.Kernstück der jüngsten EU-Regulierung für eine nachhaltigere Finanzbranche ist die Taxonomie. Diese Grundsatzdefinition nachhaltiger Investments ist mehr als 400 Seiten stark, deckt aber nur den ökologischen Teil der Nachhaltigkeit ab, und davon auch nur das Problem des Klimawandels. Von den sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) bleiben also entscheidende Teile außen vor. Zudem bleibt die Einhaltung für die Finanzbranche freiwillig. Auch lassen die Vorgaben viel Interpretationsspielraum für die bislang verwirrend vielen nachhaltigen Anlagekonzepte. Schwerpunkt GovernanceInsofern kann sich Reinke für sein Haus problemlos entspannt zeigen, das Thema in den Griff zu bekommen. Das ESG-Analystenteam wurde auf 16 Personen aufgestockt, bei den jährlich 4 000 Gesprächen mit Unternehmen spielen diese Aspekte, mit Schwerpunkt Governance, bereits eine Rolle. “Dabei sprechen wir mit den Unternehmen klar darüber, bis wann welches Ziel erreicht werden sollte”, so Vorstandsmitglied Jens Wilhelm. Für die Portfoliomanager wurde Nachhaltigkeit in die Leistungsziele aufgenommen. Wilhelm sprach sich dafür aus, dass Fondsgesellschaften auch “eigene Vorstellungen über Nachhaltigkeit haben sollten”. Mit Blick auf die eigene Gesellschaft soll bis 2050 die Klimaneutralität (also CO2-Neutralität) erreicht werden. Im Bereich Soziales setzt Union Investment zum Beispiel auf Angebote für mobiles Arbeiten.