Renditechancen mit faktorbasierter Aktienselektion

Multi-Faktor-Strategien bieten stabilere Erträge - Kombination mit Nachhaltigkeitskriterien möglich

Renditechancen mit faktorbasierter Aktienselektion

Mit Negativzinsen und zunehmender Volatilität an den Märkten bringen die heutigen Zeiten für Investoren mehr Herausforderungen mit sich, als ihnen lieb sind. Die Möglichkeiten auf der Rentenseite sind vielfach ausgereizt. Das oft schmale Aktienportfolio gerät daher mehr und mehr ins Visier der Optimierungsanstrengungen. Begriffe wie Risikoprämien, Faktorprämien oder Smart Beta sind zunehmend in aller Munde. Es geht darum, vorhandene Risikobudgets auch auf der Aktienseite effizienter zu nutzen. Mehr Rendite pro Einheit Risiko ist der Schlüssel dazu. Bedeutung und EntwicklungZu den bekanntesten und unumstrittensten Risikoprämien gehört die Aktienmarktprämie als Renditeaufschlag von Aktien gegenüber risikofreien Anlagen. Sie wurde bereits in dem in den sechziger Jahren von William F. Sharpe, John Lindner und Jan Mossin entwickelten Capital Asset Pricing Model (CAPM) beschrieben, das wiederum auf der Modernen Portfoliotheorie von Harry M. Markowitz aufbaut. Die zu erwartende Rendite einer Aktie wächst nach dem CAPM linear mit dem übernommenen Marktrisiko. Die erwartete Rendite wird hier nur von einer einzigen Risikoquelle bestimmt, dem Marktrisiko.In den 1990er Jahren kam durch das Modell der Wissenschaftler Eugene Fama und Kenneth French zum Marktrisiko bei Aktien noch die Size-Prämie für den Renditeaufschlag von Unternehmen mit kleiner Marktkapitalisierung gegenüber solchen mit großer hinzu. Hier wurde auch erstmals die Value-Prämie für den Renditeaufschlag von sogenannten Substanztiteln begründet, die gemessen am inneren Wert des Wertpapiers zu billig sind. Eine Ausprägung der Value-Prämie ist die Dividendenrendite, die ebenfalls heute ein beliebtes Selektionskriterium ist. Aktienmarkt-, Size- und Value-Prämien haben sich in vielen Untersuchungen bis heute als sehr robust erwiesen. Diese drei standen über Jahrzehnte im Zentrum aktiver Aktienstrategien, für die sie zu den maßgeblichen Renditequellen gehörten.Mark Carhart hat 1997 eine zusätzliche Erweiterung um den Faktor Momentum vorgenommen. Momentum beschreibt das Phänomen, dass Aktien, die aktuell besser ab-schneiden als der Gesamtmarkt, diese Outperformance tendenziell auch in naher Zukunft fortsetzen. Das Vier-Faktoren-Modell von Carhart hat sich zusammen mit dem Modell von Fama und French als Marktstandard zur Beschreibung von Aktienrenditen fest etabliert.Daneben wurden in den vergangenen Jahren noch eine Reihe weiterer Faktoren identifiziert, deren Wirkungen jedoch zum Teil noch kontrovers diskutiert werden. Großes Interesse erfährt beispielsweise derzeit der Faktor Minimum Volatility. Sogenannte Low-Beta-Strategien stellen auf den Zusammenhang zwischen geringen Volatilitäten und Überrenditen ab. Titel mit geringerer Volatilität erwirtschaften risikobereinigt mehr Rendite als Titel mit höherer Volatilität. Dieses Phänomen steht dabei genau im Gegensatz zum CAPM: Ausgehend von dem Modell dürfte es gar keinen Renditeaufschlag für risikoärmere Titel geben. Doch diese sogenannte Low-Beta-Anomalie wurde historisch mehrfach nachgewiesen und gehört zu den stabilsten Risikoprämien unserer Zeit. Momentum-StrategieJede Faktorprämie kann für sich allein zur Aktienselektion genutzt und als systematische Anlagestrategie eingesetzt werden. Bei Monega haben wir im Jahr 2009 beispielsweise mit der Momentum-Strategie begonnen. Diese basiert auf der Überlegung, dass Aufwärtstrends bei Aktien in Relation zum Gesamtmarkt aus Seitwärtsbewegungen und sogenannten Beschleunigungsprozessen bestehen. Ziel der Strategie ist es, die Beschleunigungsprozesse effektiv zu nutzen. Mit der Momentum-Strategie, die wir im Euroland-Universum im Rahmen eines Spezialfondsmandates umsetzen, haben wir seit Auflage eine Rendite von durchschnittlich 9 % p.a. nach Kosten erwirtschaftet bei einer Volatilität von ca. 16 % p.a. Zum Vergleich: Der Euro Stoxx 50 Total Return Index erzielte im selben Zeitraum ein Plus von nur 5,8 % p.a. bei einer Volatilität von 17 % pro Jahr.Um Faktorprämien noch stabiler vereinnahmen zu können, ist die Kombination ausgewählter Faktoren sinnvoll. Bei einer Multi-Faktor-Strategie werden die positiven Risikoprämien der einzelnen Faktoren wie Value, Momentum, Low Volatility, Quality und Size mit dem Diversifikationseffekt der unterschiedlichen relativen Entwicklung der Einzelfaktoren vereinnahmt. Diese Art der Zusammenstellung eines Aktienportfolios weist ein besseres Rendite-Risiko-Verhältnis auf als indexorientierte Portfolien, die entsprechend der Marktkapitalisierung der Unternehmen zusammengestellt werden.Gleichzeitig sind die Ergebnisse einer Multi-Faktor-Strategie den Resultaten einzelner Faktorstrategien überlegen. Im Rahmen einer historischen Rückrechnung von 2005 bis 2016 ergibt sich für den “Faktor-Mix” aus Low Volatility, Value, Momentum und Quality – ein Faktor zur Berücksichtigung der Bilanzgüte eines Titels, etwa ein geringer Verschuldungsgrad – zum Beispiel eine Performance von 9,6 % p.a. bei einer Volatilität von gut 13 % p.a. Die Low-Volatility-Strategie weist für sich genommen zwar ein geringeres Risiko auf (12,2 % p.a.), kommt jedoch nur auf eine Rendite von knapp 7,5 %. Regelmäßiger “Reality Check”Bei Monega setzen wir Multi-Faktor-Strategien seit Jahresbeginn erfolgreich in einem Spezialfondssegment ein. Als Startpunkt der Strategie werden die betrachteten Faktoren je Aktie jeweils gleichgewichtet. Es erfolgt anschließend monatlich eine Reallokation, die der aktuellen Entwicklung der Faktorbeiträge der jeweiligen Aktie Rechnung trägt. Dieser Selektionsprozess wird außerdem durch ein fundamentales Overlay ergänzt – quasi als “Reality Check” der quantitativen Ergebnisse.Eine steigende Anzahl von Investoren berücksichtigt ethische, soziale sowie Governance-Gesichtspunkte bei der Kapitalanlage. Diese lassen sich auch mit Multi-Faktor-Strategien kombinieren. Für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien gibt es verschiedene Dienstleister, die die notwendigen Informationen liefern. Investoren können ihre individuellen Anforderungen an Nachhaltigkeit festlegen und daraus entsprechende Anlageuniversen generieren.Das Euroland-Aktienuniversum des Euro Stoxx mit ca. 300 Titeln kann beispielsweise um Unternehmen bereinigt werden, die in bestimmten Wirtschaftssegmenten wie etwa Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Atomenergie, Pornografie oder Rüstung tätig sind. Berücksichtigt man sämtliche dieser Kriterien, vermindert sich die Zahl der investierbaren Aktien um rund 20 % auf ca. 240 Titel. Damit sind die Diversifikationsanforderungen immer noch klar erfüllt. Das neu definierte Anlageuniversum ist dann die Basis für die Anwendung der faktorbasierten Aktienauswahl.Fazit – Durch jahrelange Zentralbankinterventionen und die fortschreitende Globalisierung haben sich traditionelle Diversifikationsmerkmale bei Aktien, wie zum Beispiel die geografische Herkunft, abgeschliffen. Stil-Faktoren sind die Gewinner dieser Entwicklung. Value, Size, Momentum & Co. bieten durch niedrige Korrelationswerte untereinander und im Vergleich zu traditionellen Aktienportfolien ein hohes Diversifikationspotenzial. Dadurch lassen sich Aktienportfolien je nach Zielsetzung präziser steuern. Die faktorbasierte Aktienallokation unter Berücksichtigung ethischer Nachhaltigkeitskriterien ist darüber hinaus eine sehr interessante Kombinationsmöglichkeit für institutionelle Anleger, die neben ihren individuellen Ausschlusskriterien bei der Aktienanlage einen systematischen und transparenten Investmentprozess anstreben.—Christian Finke, Geschäftsführer der Monega Kapitalgesellschaft mbH