LEITARTIKEL

Schluss mit der Personaldebatte!

Auf der morgigen Strategiesitzung wollen Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank über die künftige Marschroute sprechen. Keine schlechte Idee, mag man vor dem Hintergrund schwindender Margen und der Aussicht auf steigende Kreditausfälle sagen....

Schluss mit der Personaldebatte!

Auf der morgigen Strategiesitzung wollen Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank über die künftige Marschroute sprechen. Keine schlechte Idee, mag man vor dem Hintergrund schwindender Margen und der Aussicht auf steigende Kreditausfälle sagen. Noch besser wäre es, wenn dabei auch längst überfällige Grundsatzentscheidungen getroffen würden. Hieran aber hakt es: Mit Rücksicht auf die noch zu klärende Nachfolge für den spätestens bis Jahresende ausscheidenden Vorstandschef Martin Zielke könne man derzeit leider noch keine Beschlüsse fassen, heißt es bei der Commerzbank.Darin spiegelt sich die Hoffnung auf einen externen Kandidaten wider. Insbesondere der Bund als Großaktionär legt dem Vernehmen nach Wert auf ein frisches Gesicht, das den Neuanfang glaubwürdig verkörpert. Die Namen, die dazu herumgereicht werden, reichen von LBBW-Chef Rainer Neske bis Helene von Roeder, zurzeit Finanzchefin von Vonovia. Auf eine vollständige Aufzählung wird hier verzichtet. Erstens, weil den Zuschlag in den seltensten Fällen derjenige erhält, dessen Name früh kursiert. Und zweitens, weil es am Ende wahrscheinlich gar nicht so wichtig ist, wer auf Zielke folgt.Zwar heißt es, man könne einem Neuzugang kaum zumuten, eine Strategie umzusetzen, die er nicht selbst mitentwickelt hat. In Wirklichkeit muss sich jeder interne wie externe Kandidat auf einen äußerst begrenzten Gestaltungsspielraum einstellen. Denn nachdem das Institut vier Jahre verstreichen ließ, um sich und der Welt einzugestehen, dass die auf Rendite dank Wachstum ausgelegte Strategie “Commerzbank 4.0” und ihre Updates zumindest im gegenwärtigen Zinsumfeld nicht funktionieren, droht ihm jetzt die Zeit davonzulaufen. Statt auf Personalfragen muss sich das Institut endlich auf inhaltliche Fragen konzentrieren, sonst läuft ihm die Zeit davon. Als finanzielles Rückgrat des deutschen Mittelstands muss die Commerzbank Antworten finden für eine Welt, die sich nicht erst durch Corona verändert hat.Insofern tut der neue Aufsichtsratschef gut daran, sein Mandat anders zu interpretieren als sein glückloser Vorgänger. Hatte sich das Kontrollgremium unter Stefan Schmittmann weitgehend darauf beschränkt, die vom Vorstand vorgeschlagene Strategie abzunicken, will Hans-Jörg Vetter offenbar eigene Impulse setzen. Außer auf seine bei der LBBW gesammelte Sanierungserfahrung dürfte er sich dabei auch auf das vom Bund in Auftrag gegebene Gutachten der Beratungsgesellschaft BCG stützen. Nach allem, was man hört, setzt sich dieses sehr detailliert mit der Frage auseinander, wie man die Commerzbank wieder so rentabel machen kann, dass es irgendwann auch ohne den Staat als Ankeraktionär geht. Bereits das letzte, nie veröffentlichte Strategie-Update des Vorstands soll direkte Verweise auf das BCG-Gutachten enthalten haben. Wie so häufig in den deutschen Konzernen dürfte daher auch bei der Neuausrichtung der Commerzbank die Unternehmensberatung den Takt vorgeben, unabhängig von der Person an der Spitze.Als die drei wichtigsten Baustellen der Commerzbank dürfte BCG das schwächelnde Firmenkundengeschäft, das kostspielige Filialnetz und die überalterte, ineffiziente IT ausgemacht haben. Eine Antwort auf die Probleme im Firmenkundengeschäft könnte die von Vetter intern bereits propagierte Rückkehr zur Mittelstandsbank sein. Nicht wenige Unternehmer, die es seit der Umstrukturierung mit neuen Ansprechpartnern zu tun haben, fühlten sich als Kunde abgewertet. Angesichts der steigenden Zahl von Auslandsbanken, die um den deutschen Mittelstand buhlen, eine riskante Konstellation. Sie könnte besonders die attraktiven, wachstumsstarken Kunden, die einen Partner für die Expansion ins Ausland benötigen, zum Fremdgehen animieren. Auch für die Beseitigung der beiden anderen Baustellen muss kein neuer Vorstandschef das Rad neu erfinden. Besser wäre es, wenn es gelänge, das bei der Konzerntochter Comdirect vorhandene Know-how an Bord zu halten und konsequent zu nutzen. Und zwar nicht nur mit Blick auf den Abschied von der Filiale als Dreh- und Angelpunkt des Massengeschäfts, sondern auch die Rolle der IT-Abteilung. Sind bei der Commerzbank von den gut 4000 Beschäftigten in der IT gerade mal 300 in der Entwicklung tätig und der Rest in der Administration und im Troubleshooting, liegt das Verhältnis bei der Quickborner Tochter bei 200 zu 120. Keine Frage also, welches der beiden Institute bei der Verschmelzung und technischen Integration von Mutter und Tochter die dominierende Kraft sein sollte.——Von Anna SleegersDie Commerzbank braucht endlich eine neue Strategie; wer diese nach dem Abschied von Martin Zielke umsetzt, ist fast schon zweitrangig. ——