IM GESPRÄCH: CHRISTIAN BRAUCKMANN

Schlussstrich in rekordverdächtiger Zeit

DZ Bank vollendet Fusion mit IT-Migration in nur 14 Monaten - Bis zu 50 Mill. Euro jährlich Ersparnis - Neuer Bilanzstandard im Nacken

Schlussstrich in rekordverdächtiger Zeit

Rund ein Jahr nach der Großfusion zwischen DZ Bank und WGZ Bank wandert das Düsseldorfer Haus ins Archiv – zumindest dessen IT und Daten. Am vergangenen Wochenende wurde das System der WGZ Bank auf das der DZ Bank überführt.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtIn einer rekordverdächtigen Zeit von nur 14 Monaten hat die DZ Bank die technische Vollendung der Fusion mit der Migration des früheren Systems der WGZ Bank auf die eigene IT-Landschaft vollbracht. Damit spart sie künftig bis zu 50 Mill. Euro pro Jahr. Beim IT-Umzug saß der Bank der Umsetzungsstichtag des neuen Bilanzstandards IFRS 9 zum 1. Januar 2018 im Nacken. Üblicherweise dauern IT-Zusammenführungen zweier Banken in dieser Größenordnung zwei bis drei Jahre. Allerdings hatte die DZ Bank auch zwei Vorteile auf ihrer Seite, die den Prozess ungemein beschleunigt haben: Zum einen hat sie kein Privatkundengeschäft mit dem dort üblichen umfangreichen Datenvolumen, zum anderen hat sie sich dazu entschieden, ein System abzuschalten, anstatt zwei völlig unterschiedliche IT-Landschaften miteinander zu verzahnen. “Das wäre ansonsten so gewesen, als wenn man Windows und Mac hätte zusammenführen wollen”, erzählt Christian Brauckmann, Vorstand für IT und Organisation der DZ Bank, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Die Systeme der WGZ Bank und der DZ Bank unterscheiden sich in fast allen Geschäftsfeldern. Die DZ Bank arbeitet auf einem für sie angepassten SAP-System, die Düsseldorfer Kollegen hatten eine proprietär für sie entwickelte Bank21-Lösung des Rechenzentrums GAD, die derweil mit dem zweiten großen Rechenzentrum der Genossenschaftsbanken, Fiducia, zu Fiducia & GAD IT verschmolzen ist. Damit werden auch alle Volksbanken, die mit der GAD zusammenhingen, auf das nun weiterentwickelte System der neuen Fiducia (Agree21) überführt.Nach Ankündigung der Fusion im November 2015 sei bereits am 8. Dezember in beiden Vorstandsetagen die Entscheidung getroffen worden, die IT der WGZ Bank aufzugeben und die Daten auf die DZ Bank zu überführen, so Brauckmann, der mit der Fusion in den Vorstand der DZ Bank einrückte und zuvor seit 2010 in demjenigen der WGZ Bank gesessen hatte. “Hätten wir diese Entscheidung nicht so frühzeitig getroffen, wären wir niemals in 14 Monaten seit Vollzug der Fusion im August 2016 bis Oktober 2017 mit der IT-Migration fertig geworden.” Bei einem früheren Fusionsanlauf 2008/09 hatte es noch Überlegungen gegeben, zunächst beide Banksysteme gegeneinander in den Wettstreit treten zu lassen und erst dann die finale Entscheidung für ein System zu treffen. Dass so ein Weg bei dieser Großfusion unnötige Zeit verplempert und überflüssige Kosten verursacht hätte, vor allem auch mit Blick auf IFRS 9, liegt auf der Hand.IFRS 9 bedeutet für die Banken eine andere Berechnung der Risikokosten, nämlich anhand von Verlusterwartungen teilweise über die gesamte Laufzeit hinweg. Bislang waren erlittene Verluste für das Risikomanagement ausschlaggebend. Der neue Standard bedeutet, dass die IT-Systeme aller Banken für Risikomanagement, Banksteuerung und Rechnungslegung umprogrammiert werden müssen. “Hätten wir die IT-Migration vor dem 1. Januar 2018, also dem Einführungszeitpunkt des IFRS-9-Standards, nicht geschafft, hätten wir sowohl in Düsseldorf als auch in Frankfurt diese tiefgreifende Veränderung der Bankensysteme vornehmen müssen, und das hätte uns mehrere Millionen Euro gekostet”, unterstreicht der 49-Jährige. Aufwendige VerschmelzungDies hätte die Kosten des IT-Zusammenschlusses schmerzhaft nach oben getrieben, die ohnehin schon kein Pappenstiel sind. Ein Blick in die Geschäftszahlen der DZ Bank lässt das Ausmaß erahnen: Zum Halbjahr schlugen dort fusionsbedingte Kosten von 58 Mill. Euro negativ zu Buche, die sich im Gesamtjahr noch auf das Doppelte einpendeln dürften. Ein Großteil davon war das laufende IT-Migrationsprojekt. Somit dürften die IT-bedingten Fusionskosten im Gesamtjahr bei rund 100 Mill. Euro liegen.Die Migration sorgt natürlich aber auch für Einsparungen, so dass die Kosten nach zwei bis drei Jahren wieder eingespielt sein könnten. Ein Großteil davon sind Einsparungen bei Projekt- und Sachkosten, weil einerseits das System der WGZ Bank weitestgehend abgeschaltet wird. Andererseits müssen in Düsseldorf IFRS 9 sowie BCBS 239, die neuesten Baseler Vorgaben zu Risikodaten und Risikoberichterstattung, nicht mehr IT-technisch eigenständig umgesetzt werden. Mit Blick auf die Personaleinsparungen dagegen trägt der IT-Bereich nur einen kleinen Teil des anvisierten Abbaus von 700 Stellen aufgrund der Fusion bei.Doch vor den Einsparungen steht zunächst ein hoher Aufwand. Denn die IT-Verschmelzung birgt Dimensionen ungeahnter Größe. In insgesamt 45 Projekte wurde die Migration unterteilt. 1 000 Leute waren damit beschäftigt in den vergangenen 14 Monaten, ihr Einsatz summierte sich auf mehr als 100 000 Personentage.Für das große Migrationswochenende waren allein insgesamt 150 Leute in mehreren Schichten im 24-Stunden-Betrieb vonnöten. In einem akribisch aufgesetzten Fahrplan von Stunde zu Stunde war das gesamte Wochenende ab Freitagabend bis Montagmorgen minuziös für die einzelnen vielen kleinen Bereiche in ihren jeweiligen Arbeitsschritten vorbereitet worden. Der Ablaufplan basierte auf vielen tausend Excel-Zeilen.”Zwei Wochen vor der eigentlichen Migration haben wir in einer Generalprobe die Datenmigration einmal durchgespielt, einzelne Teile davon wurden bereits in den vergangenen Monaten mehrfach verprobt”, berichtet der Bankkaufmann und promovierte Diplom-Kaufmann. Dass die Migration letztlich so reibungslos über die Bühne gegangen sei, liege daran, dass von Anbeginn an die Frankfurter und Düsseldorfer IT-Mitarbeiter gut miteinander kooperiert hätten. “Das Team ist 1a – nur dank des tollen Einsatzes und des wirklich guten Zusammenspiels aller Beteiligten haben wir die Migration in so schneller Zeit vollbracht, ich bin der Mannschaft und dem Team der Fiducia & GAD IT echt dankbar”, ist Brauckmann voll des Lobes.1 000 verschiedene Verfahren in den einzelnen Geschäftsfeldern beider Banken (Firmenkunden, Zahlungsverkehr, Kapitalmarkt) sowie Banksteuerung, Risikomanagement und Rechnungslegung waren bislang im Einsatz. Um den Überblick über diese riesige Menge zu behalten, hatte sich der gebürtige Münsteraner eigens ein Plakat in A0-Größe davon anfertigen lassen – und das hat immerhin die Fläche von einem Quadratmeter.240 000 Kundendaten der WGZ Bank im Fördergeschäft, rund 5 000 Darlehen sowie etwa 7 000 Konten nebst dazugehörigen Datensätzen (Transaktionen, Konditionen, Unterkonten) galt es am Wochenende zu überführen. Im Kapitalmarktgeschäft wurden 14 Portfolien mit 9 000 Geschäften übergesiedelt. Insgesamt sechs verschiedene Rechenzentrenstandorte gilt es zu managen sowie ein benötigtes Speichervolumen von 6 000 Terabyte (6 Mrd. Megabyte). Mit der Entscheidung zur Fusion war auch als einer der ersten Schritte die Datenverbindung zwischen Frankfurt und Düsseldorf auf deutlich dickere Kabel umgelegt worden. Der Zugang ins neue HausVor dem großen Migrationswochenende hatte 14 Monate zuvor am 1. August 2016 zum offiziellen Fusionsvollzug die erste große Herausforderung für die IT-Mitarbeiter in Frankfurt und Düsseldorf gewartet. Denn damals mussten alle Mitarbeiter in die neue Bank weiter Zugang haben, an den Türen und ihren Computern. Mails, Internetauftritt, Telefone und vieles mehr galt es umzustellen. “Der 1. August war der erste Lackmustest der IT-Migration, und alles hat reibungslos funktioniert”, erinnert sich Brauckmann.Dann aber gab es eine Hürde vor dem weiteren Migrationsprozess zu bewältigen. Denn bei aller Unterschiedlichkeit der IT-Umgebung beider Banken – ein Feld gab es doch, auf dem sich DZ Bank und WGZ Bank für die gleiche Anwendung entschieden hatten. Und genau diese bereitete Probleme. Das Buchungssystem der Kapitalmarktgeschäfte (Aktien, Derivate und Währungen) basiert bei beiden Instituten auf der Software Murex. Der französische Anbieter von Murex – mit gleichem Namen – hatte mit der jüngsten Programmüberarbeitung (Release) so weitreichende Veränderungen in Gang gesetzt, dass es einer kompletten Neueinführung gleichkam, wie Brauckmann berichtet.Während die WGZ Bank diesen komplizierten Prozess schon bewältigt hatte, war die DZ Bank wegen der komplexeren Aufstellung bis zur Fusion noch nicht dazu gekommen. “Wir mussten als Voraussetzung für die Migration bei der DZ Bank zunächst planmäßig auf die aktuellste Version unserer Kapitalmarktplattform umstellen, und das hat auch noch länger gedauert als gedacht, es wurde Frühling statt Dezember.”Danach lief aber alles wieder nach Plan, so dass der ambitionierte Zeitplan für die Migration letztlich doch eingehalten werden konnte. Koordiniert wurde diese übrigens von den Vorständen Brauckmann, Cornelius Riese (Finanzen, Strategie, Controlling), Thomas Ullrich (Personal, Transaction Banking), Michael Speth (Compliance, Kredit, Risikocontrolling) und den Bereichsleitern. “Nachdem wir am Montagmorgen erfolgreich die Migration mit der Übertragung der Daten der WGZ Bank vollbracht hatten, konnten wir noch keine Sektkorken knallen lassen. Wir mussten erst die Tagesendverarbeitung und die Auswertung der nachgelagerten dispositiven Anwendungen abwarten.” Ein Satellit bleibt übrigLetztlich gibt es auch einen Bereich aus der Systemumgebung der WGZ Bank, der nicht abgeschaltet wird, sondern stattdessen bundesweit bis 2018 über die DZ Bank und deren angeschlossene Genossenschaftsbanken ausgerollt werden soll. Die Geschäfte zwischen den Ortsbanken und der DZ Bank werden dann automatisch erfasst und die gesamte Prozesskette verarbeitet bis hin zur Zentralbank, es gibt dann nur noch ein Buchungssystem.Somit bleibt nur ein einiger Satellit aus Düsseldorf in der neuen DZ Bank erhalten. Der Rest der IT-Landschaft der WGZ Bank beziehungsweise der komplette Datenbestand wird archiviert. Und das wird im IT-Bereich in Düsseldorf mitunter für große Wehmut sorgen.