Schweizer Finanzmarktaufsicht von allen Seiten unter Druck
Wer will Chef der Schweizer Finanzmarktaufsicht werden?
Während die wichtige Personalie einer Lösung harrt, geht die Finma mit einem Bericht zur CS-Krise in die Offensive
dz Zürich
Ein ehemaliger Großbänkler? Bewahre! Jemand aus der Versicherungsbranche? Nicht schon wieder! Eine Ausländerin oder ein Ausländer? Vielleicht, aber nur mit sehr guten Kenntnissen einer Landessprache! Die Nachbesetzung des seit Ende September verwaisten Chefpostens bei der Finanzmarktaufsicht gestaltet sich wie eine winterliche Gletscherüberquerung: Irgendwo führt sie bestimmt über eine gefährliche, aber zugeschneite Spalte.
Einig sind sich das Finanzministerium, die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Finanzbranche wenigstens in einem Ziel: "Die Schweiz braucht eine starke Aufsicht." Nur, was nach einem Bekenntnis tönt, ist tatsächlich nicht mehr als eine Floskel, ein Allgemeinplatz, auf den die ärgsten Widersacher zu jeder Zeit anstoßen können.
Immerhin: Fünfzehn Jahre nach der staatlichen UBS-Rettung und neun Monate nach der staatlich orchestrierten Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS scheint gerade wieder allen klar zu sein, dass es auch darum gehen muss, die Floskel mit geeigneten Inhalten zu unterfüttern.
Paukenschlag mit unklaren Konsequenzen
Aber welche Konsequenzen die Schweiz aus dem politisch schwerwiegenden Kollaps der Credit Suisse zieht, vermag noch niemand zuverlässig vorauszusagen. Unterdessen sucht die Finma weiter nach einem operativen Chef, während über die Gründe für den unvermittelten Abgang des im September verabschiedeten Direktors Urban Angehrn hinter den Kulissen heftig spekuliert und gestritten wird.
Die offizielle Version, nach der der Risikoexperte und frühere Manager der Zurich Versicherung unter gesundheitlichen Problemen litt, wird als alleinige Erklärung für seine Kündigung von zwei Seiten angezweifelt. Die eine sieht in Angehrns verschlechtertem Gesundheitszustand ein Symptom für dessen Überforderung. Der promovierte Physiker und Mathematiker sei der Krise, dem Stress, dem er bald nach Stellenantritt praktisch ununterbrochen ausgesetzt war, nicht gewachsen gewesen.
Die andere Seite erzählt nicht weniger überzeugt die Version, Anghern habe sich mit seiner Präsidentin Marlene Amstad überworfen. Eine zu wenig klare Governance sei mit ein Grund dafür gewesen und die Gesundheit bloß das Ergebnis eines tieferliegenden Problems.
Limitierte Offenlegungskompetenz
Wer sich um den Finma-Top-Job bewerbe, benötige in jedem Fall "einen gesunden Risikoappetit", bringt es ein Beobachter auf den Punkt. So ungeklärt wie die Rollenverteilung zwischen der Präsidentin und dem Direktor erscheint bei der Finma auch die Frage, mit welchen zusätzlichen Kompetenzen die Bankenaufsicht dereinst ausgestattet werden soll.
In einer am Dienstag in Bern vorgelegten Rückschau auf die Vorgeschichte und konkreten Umstände der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS am 19. März dieses Jahres unterstreicht die Finma zum wiederholten Mal ihr Forderung nach größeren Durchsetzungskompetenzen, welche die Politik schon Jahre vor der Krise auf die lange Bank geschoben hatte.
Seit 2012 habe man 43 Vorabklärungen zu möglichen Enforcement-Verfahren durchgeführt, neun Rügen ausgesprochen und 16 Strafanzeigen erstattet. Ab 2018 seien 11 Enforcementverfahren gegen die Bank und drei Verfahren gegen natürliche Personen abgeschlossen worden. Die Schweizer Finanzaufsicht habe im Rahmen ihrer Kompetenzen konsequent auf die Risiken bei der Credit Suisse aufmerksam gemacht, verteidigt sich die Behörde gegen ihre Kritiker.
Gesetzlich verordnete Diskretion
Nicht zu den Kompetenzen der Finma gehörte es freilich, die vielen Enforcement-Verfahren öffentlich zu machen und so auf die Renitenz der Credit-Suisse-Führung aufmerksam zu machen. Das gesetzlich verankerte diskrete Enforcement-Regime ist zweifellos mit ein Grund dafür, dass die Finma in breiten Kreisen der Öffentlichkeit und der Politik als zögerliche Behörde wahrgenommen wird.
Der Chefposten bei Finma wird dadurch nicht attraktiver. Die Aufsichtskollegen im umliegenden Ausland hätten in puncto Transparenz oft viel größere Freiheiten, klagte Finma-Präsidentin Amstad schon im Mai anlässlich ihres ersten Auftrittes nach der Credit-Suisse-Übernahme. Sie dürfte damit nicht zuletzt nach Deutschland geschaut haben, wo der aus der Schweiz kommende BaFin-Präsident Mark Branson gleich mit einer Aufsichtsreform und einem neuen Finanzmarktintegritätsgesetz empfangen wurde und somit über Einfluss verfügt.
Aufgabe erfüllt
Dass die Finma ihre Aufgabe auch im Fall Credit Suisse trotz aller Widrigkeiten erfolgreich gelöst habe, könnten Bewerberinnen und Bewerber angesichts der anhaltenden Kritik an der Behörde als nicht sehr einladend empfinden. Tatsächlich ist in der Credit-Suisse-Krise kein Sparer zu Schaden gekommen und die Finma hätte für den Fall eines Scheiterns der Übernahme auch einen fix und fertigen sofort umsetzbaren Sanierungsplan aus der Schublade ziehen können, heißt es in dem Bericht der Behörde.
Stärken wird der Bericht die angeschlagene Position der Finma-Präsidentin wohl eher nicht, zumal der wichtigere Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission noch einige Zeit auf sich warten lassen dürfte. Viele geeignete Kandidaten dürfte die Finma für den Chefposten nicht finden, zumal diese auch etlichen einschränkende Bedingungen zu genügen haben werden.
Die Finma rechtfertigt sich nach dem Credit-Suisse-Debakel. Die Nachfolge des früheren Chefaufsehers gestaltet sich schwierig.