Im GesprächJan Stelzer und Jonas Prokopp, Cofinpro

Settlement-Verkürzung für US-Wertpapiere kommt schon im Mai 2024

Alle deutschen Finanzdienstleister, die Teil des internationalen Wertpapierkreislaufs sind, müssen sich sputen, wenn sie die Frist zur Verkürzung auf T+1 in den USA einhalten wollen. Die SEC könnte mit einem saftigen Strafenkatalog drohen.

Settlement-Verkürzung für US-Wertpapiere kommt schon im Mai 2024

Nachdem die USA überraschend schnell in die Umsetzung für verkürzte Settlement-Zyklen im Wertpapiergeschäft gegangen sind, baut sich nun Druck auf für die deutsche Finanzindustrie. Denn die Umstellung auf T+1 erfolgt schon Ende Mai 2024 – und so gut wie alle Banken, Broker, Verwahrer und weitere Intermediäre haben Exposure zum US-Wertpapierhandel. „Die Marktteilnehmer müssen jetzt anfangen, alle Prozesse und Systeme mit Blick nach innen und außen umzustellen, und müssen dafür die entsprechenden Projekte aufsetzen“, so Jan Stelzer von Cofinpro im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

“Wegen des Zeitunterschieds zu den USA gibt es im Cutoff-Fenster bei der Umstellung von T+2 auf T+1 eine Verkürzung der Processing Time um 70% bis 80% für europäische Marktteilnehmer.”

Jonas Prokopp

Im Maschinenraum des Kapitalmarktes gibt es ungeheuer viele Querverbindungen – und entsprechend komplex verlaufen regulatorische Großprojekte. Dabei kann die Verkürzung der Settlement-Zyklen als Megaprojekt gelten, das auch einer grenzüberschreitenden Harmonisierung bedarf. „Und wegen des Zeitunterschieds zu den USA gibt es im Cutoff-Fenster bei der Umstellung von T+2 auf T+1 eine Verkürzung der Processing Time um 70% bis 80% für europäische Marktteilnehmer“, sagt Jonas Prokopp von Cofinpro.

| Quelle:

“Es sind bislang nur wenige Häuser schon projektbezogen eingestiegen. Viele verhalten sich aufgrund der eigenen Unsicherheit abwartend und hoffen auf zusätzlichen Input von außen.”

Jan Stelzer

Die Berater haben bereits einen ersten Roundtable mit der Fondsindustrie durchgeführt und dabei festgestellt, dass vielen der Ernst der Lage noch nicht bewusst ist. „Es sind bislang nur wenige Häuser schon projektbezogen eingestiegen. Viele Marktteilnehmer verhalten sich aufgrund der eigenen Unsicherheit abwartend und hoffen auf zusätzlichen Input von außen. Diese Haltung könnte jedoch problematisch werden, denn die SEC droht mit einem Strafenkatalog, wenn die Anforderungen von T+1 nicht korrekt und fristgerecht umgesetzt werden“, macht Stelzer den Ernst der Lage deutlich.

Robinhood war der Auslöser

Dass aus den USA etwas kommt, das hätten eigentlich alle auf dem Zettel haben müssen, war das Thema Settlement-Verkürzung doch prominent auf die Agenda gekommen, als Robinhood an Tagen mit extrem hohem Handelsvolumen mit Nachschusspflichten des Zentralverwahrers DTCC konfrontiert wurde. Das hatte eine Verkürzung des Settlement in der Debatte angeregt, und als sich DTCC offen dafür zeigte, handelte die SEC schnell. Und mit einjähriger Testphase geht T+1 nun dort im Frühjahr 2024 in den Live-Betrieb.

Keine neun Monate mehr für Compliance

Womit offensichtlich ist, wie sehr der Schuh drückt: Wer jetzt im September ein Projekt aufsetzt, der hat keine neun Monate mehr, um compliant zu sein – und die Tests können ja erst laufen, wenn die Systeme dafür stehen und man sich mit allen Partnern in der Kette auf die neuen Prozesse verständigt hat. Teil des neuen Regimes sind in erster Linie Aktien, Unternehmensanleihen, Fondsanteile und weitere Wertpapierarten. Rund 20% der amerikanischen Wertpapiere sind in ausländischer Hand. 48% davon werden von europäischen Investoren gehalten.

“Die Broker im internationalen institutionellen Handel können Strafgebühren erheben oder die Abwicklungsgebühren erhöhen, um Compliance mit den Vorgaben aus T+1 sicherzustellen.”

Jonas Prokopp

Und was passiert, wenn die Marktteilnehmer den Stichtag verpassen? Die SEC habe angekündigt, dann Gegenmaßnahmen zu ergreifen und Sanktionen zu verhängen, sagt Stelzer. Diese seien jedoch noch nicht näher spezifiziert, was dazu beitrage, dass noch kein Alarmismus herrsche. Allerdings könnten die Broker im internationalen institutionellen Handel Strafgebühren erheben oder die Abwicklungsgebühren erhöhen, um Compliance mit den Vorgaben aus T+1 sicherzustellen. Die SEC nehme im Bereich des bilateralen Handels nämlich die Broker vermehrt in die Pflicht, ergänzt Prokopp.

Saftige Strafen drohen

Es kann also ganz schön ungemütlich werden, ist die SEC doch für einen saftigen Strafenkatalog bekannt. Die beiden Experten weisen darauf hin, dass durch den beschleunigten Abwicklungszyklus erhöhter Abstimmungsbedarf bestehe, so dass häufig wiederkehrenden Problemen auf Handelsebene entgegengetreten werden kann und hintenraus alle Settlement-Prozesse sowie die flankierenden Prozesse bis hin zur Fondsbuchhaltung sauber durchlaufen. Mitunter müssten auch Verträge und Service Level Agreements mit den Brokern angepasst werden. Was nicht mehr funktioniere, sei der Informationsaustausch per Fax und Excel-Sheet.

“Der Handels- und Abwicklungsprozess am Handelstag muss mindestens bis zur Affirmation durchgelaufen sein, um den Anforderungen von T+1 zu entsprechen.”

Jan Stelzer

Vor dem Hintergrund weist Prokopp darauf hin, dass die T+1-Umstellung eine Chance für die deutsche Wertpapierindustrie sei, manuelle Arbeiten hinter sich zu lassen und dafür standardisierte digitale Prozesse einzuführen. Und auf eine Nachfrist dürfe auch niemand hoffen, habe die SEC doch schon deutlich gemacht, dass es das nicht gebe, so Stelzer. „Dabei muss der Handels- und Abwicklungsprozess am Handelstag mindestens bis zur Affirmation durchgelaufen sein, um den Anforderungen von T+1 zu entsprechen.“

“Der Verwahrstelle bleibt nur ein Tag Zeit für das eigentliche Settlement. Und das Zeitfenster für das Fehler-Management ist sehr eng, was ohne automatisierte und standardisierte Prozesse gar nicht zu machen ist.”

Jan Stelzer

Die „Same Day Affirmation“ ist ein Kernelement in der Schichtung von T+1, diese muss nach SEC-Vorgabe noch am Tradedate (T+0) abgeschlossen sein. „Anschließend bleibt der Verwahrstelle nur ein Tag Zeit für das eigentliche Settlement. Und das Zeitfenster für das Fehler-Management ist sehr eng, was ohne automatisierte und standardisierte Prozesse gar nicht zu machen ist.“ Von daher würde es auch nichts bringen, wenn man über Workarounds kurzfristige Lösungen baue, um schnell compliant zu sein.

Wichtig ist, dass den Marktteilnehmern Vorteile wie z. B. das Netting in T+1 erhalten bleiben. Es geht ja eben darum, dass im neuen Regime die Vorzüge des alten erhalten bleiben sowie im neuen System Risiken reduziert werden und Liquidität freigesetzt wird. Zudem erfolgt eine Modernisierung und Harmonisierung der Systeminfrastruktur. In Europa dürfte T+1 ab 2025 oder 2026 kommen, die AFME konsultiert dazu bereits die Marktteilnehmer. Wobei das in Europa mit seiner fragmentierten Marktinfrastruktur ganz eigene Umsetzungsprobleme mit sich bringt: 41 Börsen, 18 CCPs und 31 Zentralverwahrer gehören dazu, plus all die auf die Wertschöpfungskette verteilten weiteren Intermediäre – die versucht sein könnten, jeder für sich ein Quantum zusätzliche Vergütung durchzudrücken.

T+0 als Echtzeitabwicklung gebe es eigentlich nur als „atomic settlement“, etwa über die Blockchain, sagen die beiden. Sie rechnen nicht so bald mit T+0 im Sinne einer Echtzeitabwicklung, das sei „ein ganz anderes Brett“, und wahrscheinlich werde zunächst ein Parallelsystem für tokenisierte Wertpapiere entstehen. Wichtig sei aktuell, dass in T+1 weiter die Verarbeitung über Batch-Läufe dargestellt wird, welche man dann – in Annäherung an T+0 – weiter auf untertätige Batch-Läufe komprimieren und dadurch ein untertätiges Netting ermöglichen könnte.

Dass man besser nicht rumtrödelt mit den Strukturen für die Settlement-Verkürzung, verdeutlichen die kostspieligen Nebenwirkungen. Neben dem SEC-Strafenkatalog können auch Marktteilnehmer selbst Sanktionen verhängen. Denn als letztes Mittel sei auch eine sogenannte Zwangseindeckung möglich, so Stelzer. „Wenn ein Marktteilnehmer nicht in der Lage ist, innerhalb der vorgeschriebenen Zeit zu liefern, kann der Handelskontrahent die Stücke auf andere Weise beschaffen. Aber der ursprüngliche Marktteilnehmer muss dann alle Kosten tragen.“

IM GESPRÄCH: JAN STELZER UND JONAS PROKOPP

Settlement-Verkürzung in den USA kommt schnell

Die beiden Cofinpro-Berater machen die Herausforderungen für die deutsche Wertpapierindustrie deutlich

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

In den USA werden die Settlement-Zyklen im Wertpapiergeschäft verkürzt. Alle deutschen Finanzdienstleister, die Teil des internationalen Wertpapierkreislaufs sind, müssen sich sputen, wenn sie die Frist zur Verkürzung auf T+1 in den USA einhalten wollen. Die SEC könnte mit einem saftigen Strafenkatalog drohen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.