SI kommt Ansprüchen kirchlicher Investoren nach
Ethisch-nachhaltige Geldanlagen gewinnen für kirchliche Institutionen zunehmend an Bedeutung: Die ihnen anvertrauten Gelder sollen verantwortungsvoll, sicher und zugleich ökonomisch sinnvoll angelegt werden. Das stellt hohe Anforderungen an das Asset Management institutioneller Portfolien. Mit den Methoden des Sustainable Investing können Fondsmanager auf die sich verändernden Markt- und Investorenbedürfnisse reagieren und beispielsweise Risiken im Rentensegment frühzeitig identifizieren.Mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten sind die katholische und die evangelische Kirche Deutschlands zweitgrößter Arbeitgeber nach dem Staat. Allein zur Deckung der hieraus resultierenden Pensionsverpflichtungen verwalten Bistümer und Landeskirchen ein geschätztes Vermögen im mehrstelligen Milliardenbereich. Kirchliche Institutionen sind somit bedeutsame Akteure an den Finanzmärkten, die die ihnen anvertrauten Gelder sicher und wirtschaftlich anlegen müssen.Die Ansprüche, die kirchliche Investoren dabei an Asset Manager stellen, gehen teilweise auf gesellschaftliche Erwartungen zurück, zu großen Teilen wurzeln sie jedoch in einem ganzheitlichen Selbstverständnis: Kirchliches Handeln soll auch im Bereich der Kapitalanlage den kirchlichen Grundsätzen entsprechen. Gemäß der Definition der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sollen Investments vor allem sozialverträglich, ökologisch und generationengerecht sein – ohne dabei die ökonomischen Grundsätze zu vernachlässigen. Vier zu beachtende KriterienIn der Gruppe kirchlich-institutioneller Investoren wächst daher seit mehreren Jahren das Interesse an Investmentansätzen, die den Prinzipien des nachhaltigen Investierens (Sustainable Investing, kurz: SI) folgen. Für diesen Trend spricht die zuweilen kritische öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema Geldanlage von Seiten der Kirchen. Ein großer Schritt in Richtung SI war die Publikation “Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche” (2011). Um die Ansprüche kirchlich-institutioneller Investoren erfüllen zu können, ist für Asset Manager eine erweiterte Zielsetzung für Investments unumgänglich: Neben die Kriterien Sicherheit, Liquidität und Rendite – das sogenannte “magische Dreieck” der Geldanlage – tritt ein viertes: Ethik/Nachhaltigkeit. Dieses Kriterium sollte in den Investmentprozess integriert werden, ohne die herkömmlichen Kriterien zu dominieren. Nachhaltiges Investment und Rendite schließen sich dabei nicht aus.Eine den aktuellen Märkten angepasste Risikobetrachtung zielt auch auf höhere Renditen. SI-Aspekte können mittels unterschiedlicher Instrumente in die Portfoliokonstruktion einfließen: laut EKD-Leitfaden zum Beispiel durch Ausschlusskriterien, Positivkriterien, Themen- oder Direktinvestments sowie den Unternehmensdialog und die Ausübung von Stimmrechten (Engagement). Anhand von Staatsanleihen-Portfolien lässt sich eindrücklich zeigen, welchen Mehrwert SI-Instrumente bieten.Die internationale Staatsschuldenkrise stellt den herkömmlichen Investitionsprozess von Rentenfonds-Managern in Frage. Staatsanleihen bleiben aber trotz der aktuell rückläufigen Renditen ein wichtiger Bestandteil institutioneller Portfolien. Allerdings haben zahlreiche Länder-Downgrades die Auswahl von “AAA”-Emittenten reduziert, und die Kreditqualität ist in vielen Schwellenländern inzwischen besser als in manchen entwickelten Staaten. Der Analyseprozess für westliche Staaten gleicht zunehmend dem für Schwellenländer, und die Detailanalyse zu länderspezifischen Risiken gewinnt an Bedeutung. Es klafft eine LückeHier klafft jedoch eine Lücke: Traditionellen, marktgewichteten Benchmarks oder Indexfonds (ETF) fehlt diese kritische Perspektive. Denn in herkömmlichen Indizes sind vor allem Länder stark gewichtet, die eine hohe Schuldenbelastung aufweisen. Ein Beispiel ist der J. P. Morgan Global Government Bond Index: Die Schuldenquote der indizierten Länder liegt im Schnitt bei rund 115 % gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Wie stabil sind diese Schuldner? Wie attraktiv sind sie bei einer Risiko/Return-Betrachtung? Statt bei der Index-Zusammenstellung nach dem höchsten Verschuldungsgrad zu gehen, ist vielmehr aktive Investmentpolitik gefragt – mit Fokus auf Analysefaktoren wie die Bewertung der Beherrschbarkeit der Verschuldungssituation eines Landes (Debt Sustainability). Hier kommt SI ins Spiel: SI-Instrumente liefern den Fondsmanagern und Analysten zusätzliche Kriterien, um die Qualität von Kapitalanlagen wie Staatsanleihen genauer einzuschätzen.Bei SI-Analysen helfen insbesondere drei Kriterien, potenzielle Probleme wie eine sich verändernde Schuldendynamik frühzeitig zu identifizieren. Diese Kriterien schließen Prinzipien des Umweltengagements (Environmental) und des gesellschaftlichen Umfeldes (Social) ein, verbunden mit Aspekten guter Staatsführung (Governance). Diese ESG-Faktoren liefern Informationen für die Konstruktion eines Staatsanleihen-Portfolios, die traditionelle Faktoren – der Konjunkturzyklus oder selbst die Tragfähigkeit des Verschuldungsgrades – nur unzureichend erfassen. Gerade die Erkenntnisse aus ESG-Analysen ermöglichen ein umfassendes Verständnis der Dynamik von Staatsverschuldung, beispielhafte Faktoren sind die Demografie, die Energieeffizienz oder der Korruptionsgrad. Die auf die Qualität politischer (Entscheidungs-)Prozesse fokussierte ESG-Analyse ermöglicht ein verbessertes Risikomanagement, indem Staaten mit höheren Risiken von Nationen mit niedrigeren Risiken unterscheidbar werden.Und das frühzeitig, wie sich an französischen Staatsanleihen darstellen lässt: Die Ratingagentur Standard & Poor’s entzog Frankreich im Januar 2012 die Bestnote “AAA”. ESG-Analysen französischer Staatsanleihen offenbarten jedoch bereits 2009 erste Risikoanzeichen wie ein kostspieliges Rentensystem oder eine abnehmende politische Stabilität. Lange vor der “offiziellen” Einschätzung signalisierten ESG-Analysen also, dass bei französischen Staatsanleihen eine Untergewichtung angeraten war. ESG-Kriterien liefern Kennzahlen, die über traditionelle Verschuldungs- und Defizitkennziffern hinausgehen.SI ist für Asset Manager ein Ansatz, den Ansprüchen institutioneller Investoren wie kirchlichen Institutionen gerecht zu werden. Der Mehrwert von ESG-Analysen liegt darin, Portfolio-Risiken frühzeitig zu erkennen und in der Allokation zu berücksichtigen. Ein Weg, kirchliche Gelder zugleich verantwortungsvoll, sicher und wirtschaftlich anzulegen.