Sich neu erfinden, um den digitalen Wandel zu begleiten
Die Digitalisierung verändert alle Bereiche unseres Lebens mit zunehmender Geschwindigkeit. Sie revolutioniert die private und Business-Kommunikation und macht selbst bei der Art und Weise, wie wir als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einem Unternehmen auftreten, nicht halt. Seit die Digitalisierung in den Unternehmen in der Breite diskutiert und gelebt wird, legen wir die Krawatten ab, krempeln die Ärmel hoch, fangen an, uns vermehrt zu duzen. Dieser veränderte Umgang miteinander wirkt sich auch auf die Arbeitsweise aus. Er führt dazu, dass wir agiler werden, die Entscheidungen uns leichter fallen, genauso wie der Abschied von Ansätzen, die nicht funktionieren. Und das ist gut so.Für alle Unternehmen und Banken gilt: Schnelle Lernfähigkeit stellt heute einen potenziell höheren Unternehmenswert dar als derzeit erfolgreiche Produkte. Die Innovationsfalle – das Ausruhen auf noch funktionierenden alten Modellen – wird dagegen zum Unternehmensrisiko. Agilität im UnternehmenWir in der KfW sehen die Digitalisierung als ein wesentliches Element der Zukunftssicherung. Dabei geht es uns nicht nur um die Zukunft unseres Fördergeschäfts. Die KfW muss sich neu erfinden, um Förderer, Begleiter und Gestalter des digitalen Wandels in Deutschland, Europa und weltweit sein zu können.Die KfW hat die Digitalisierung 2016 zu einem strategisch wichtigen Handlungsfeld gemacht. Dabei geht es uns um weit mehr als computergestützte Automatisierung. Wissensvermittlung zum Thema und die aktive Gestaltung einer Unternehmenskultur, die zu dieser Digitalisierung passt, sind uns genauso wichtig. Los ging es mit einer organisatorischen Maßnahme – der Gründung des Digital Office als zentrales Kompetenzzentrum für die Themen der Digitalisierung. Ein Digital Office alleine reicht nicht aus: Die Digitalisierung betrifft alle und jeden, deshalb muss sie dezen-tral in allen Bereichen der Bank stattfinden. Das Digital Office übernimmt dabei die Rolle des Inkubators. Die KfW-Digitalakademie, die in der KfW alles zusammenfasst, was das Haus fit für die Digitalisierung macht, bildet Mitarbeiter in agilen Methoden und neuen Technologien aus, unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut.Die Wirkung ist sichtbar: Scrum zum Beispiel – die agile Arbeitsmethode, die sich durch engmaschige Kommunikation, hohe Anpassungsfähigkeit und flache Hierarchien auszeichnet – ist nicht nur in der IT ein Standard, wo Scrum mittlerweile flächendeckend für die Umsetzung aller neuen Projekte eingesetzt wird. Während einige immer noch glauben, dass es sich dabei um kreatives Posterkleben handelt, macht die Methode natürlich nicht vor den Fachbereichen halt. Es geht um das gemeinsame, agile Umsetzen. So wurde mit Hilfe der Methode auch das Baukindergeld konzipiert. Und: Ohne Scrum hätte die KfW die Förderung so schnell nicht auf die Beine stellen können.Um Kompetenzen aufzubauen, brauchen wir auch neue Technologien. Schließlich basiert die Digitalisierung auf der Anwendung und Nutzung von neuen, sich beschleunigenden Technologieentwicklungen, die ihrerseits Dinge ermöglichen, die vor kurzem nur schwer denkbar waren. Als Beispiel sei das exponentielle Datenwachstum genannt: Während 2010 beispielsweise noch zwei Tage benötigt wurden, um fünf Milliarden Gigabytes zu produzieren, brauchen wir heute weniger als eine Minute dafür. Aber welche Technologien sind kurz- bis mittelfristig tatsächlich relevant?Wir haben uns dazu entschieden, uns auf sechs Kerntechnologiefelder zu fokussieren, die wir intern als “Six Markets” bezeichnen. Diese haben sich im Haus als ein Markenname etabliert und stellen unsere zentralen “Forschungsfelder” dar, darunter – nicht überraschend – die Nutzung der künstlichen Intelligenz, der Cloud-Technologie sowie Blockchain. Schutz vor ManipulationenSo hat die KfW vor kurzem die auf der Blockchain-Technologie basierende Lösung “TruBudget” der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt – “open source”. Die Technologie ermöglicht eine bislang nicht darstellbare transparente und sichere Steuerung des Einsatzes von Geldern in der Entwicklungszusammenarbeit. Alle beteiligten Parteien können auf dieser Plattform zusammenarbeiten und verfolgen, wer welche Änderungen vornimmt. Dank der Blockchain-Technologie sind die Vorgänge nicht nur transparent einsehbar, sondern können vor allem nicht nachträglich manipuliert werden. Das minimiert die Risiken einer Mittelfehlverwendung auf Seiten der Institutionen, an die ausgezahlt wird.Die veränderten Kauf- und Produktentscheidungen zwingen die Unternehmen, ihre Produkte sowie Vertriebs- und Informationskanäle zu überdenken. Das gilt auch für das Bankgeschäft: Beim Kredit ist schnell und online heute wichtiger als günstig und analog.Für die KfW gibt es dabei zwei Aufgaben: nicht nur die Förderung den Anforderungen der Zeit anzupassen und zu erweitern, sondern auch über den eigenen Tellerrand zu schauen, also “beyond banking” zu denken. Ein Schritt in diese Richtung ist die Gründerplattform der KfW und des BMWi, die mehr als Kredite und Zuschüsse anbietet, sondern ein digitaler Baukasten für die Selbständigkeit ist. Diesen Ansatz sehen wir als zukunftsweisend an.Mit dem Zuschussportal und der digitalen Anbindung ihrer Finanzierungspartner hat die KfW in den vergangenen Jahren große Fortschritte bei der Prozesseffizienz erzielen können: Inzwischen ist die Wartezeit für die Förderzusage für die Privatkunden auf durchschnittlich sechs Sekunden reduziert. In der Studienfinanzierung evaluieren wir die Möglichkeit, den Abschluss zukünftig mittels Open-API-Ansatz (öffentlich zugängliche Programmierschnittstelle) an Websites, Apps und Portale anzuschließen – damit Studierende ihre Förderung zukünftig dort beantragen können, wo sie auch danach suchen. Ausbau des FörderangebotsAls Förderbank unterstützen wir die Digitalisierungsagenda des Bundes. Dabei sehen wir unsere Aufgabe darin, die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft beim digitalen Wandel zu unterstützen.Es ist kein Geheimnis, dass sich Deutschland eher im Mittelfeld befindet, wenn es um die Digitalisierung geht. Vor allem unsere Kernzielgruppe, der deutsche Mittelstand, ist in einigen Bereichen noch hinterher: Nur ein Viertel des Mittelstands hat in Digitalisierungsprojekte investiert, im Schnitt nur 18 000 Euro pro Jahr. Die Mehrheit betrachtet die Digitalisierung lediglich als Möglichkeit zur Effizienzsteigerung, nicht als Basis für neue Geschäftsmodelle. Auch bei der Infrastruktur und im Bildungsbereich gibt es große Defizite. Die Gefahr, abgehängt zu werden, ist da. Doch Deutschland hat die Fähigkeit, bei Zukunftstechnologien mitzuhalten. Es sind allerdings mehr Investitionen nötig, um die Herausforderung zu meistern. Zielgruppe besser erreichenDeshalb arbeiten wir daran, unsere Förderprogramme zu erweitern, um diese Investitionen attraktiver zu machen. Wir haben den ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit in 2019 neu aufgelegt, um die Zielgruppe besser erreichen zu können. Damit können mittelständische Unternehmen ihre Produktionsprozesse und -verfahren digitalisieren, etwa in Richtung Indus-trie 4.0. Die Digitalisierung deutscher Kommunen unterstützt die KfW mit dem neuen Zuschussprogramm “Smart Cities”, mit dem Lösungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung gefördert werden. Zusammen mit der EU-Kommission und anderen Förderinstituten finanziert die KfW den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Europa und investiert in den europäischen Breitbandfonds CEBF.Auch im internationalen Geschäft werden Digitalisierungsprojekte immer gefragter: Die KfW finanziert mittlerweile mehr als 90 Projekte mit digitalem Bezug in Entwicklungs- und Schwellenländern, darunter eine elektronische Krankenversicherung in Tansania sowie Projektmonitoring mittels Satelliten in Afghanistan.Dies ist eine richtige Entwicklung, denn international wird die Digitalisierung als ein wichtiges Element zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) gesehen. Sie tangiert alle 17 Ziele, speziell Informations- und Kommunikationstechnologien in den Zielen zur Bildung (SDG 4), zur Geschlechtergerechtigkeit (SDG 5), zu Infrastruktur, Industrialisierung und Innovation (SDG 9) und zu den globalen Partnerschaften (SDG 17).Die Innovation muss dabei nicht zwingend in die Entwicklungs- und Schwellenländer importiert werden – es geht auch andersherum. Auch wir in den westlichen Ländern können von den Entwicklungs- und Schwellenländern lernen. In der Digitalisierung findet das Leapfrogging längst statt. Michael Strauß, Chief Digital Officer der KfW