Ralf Lochmüller

Skepsis gegenüber nachhaltigen Themenfonds

Das Geldvolumen, das in nachhaltige Fonds fließt, wächst rasant. Dem Chef der Fondsgesellschaft Lupus alpha, Ralf Lochmüller, bereitet das durchaus Sorgen – auch wenn er erwartet, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit sich auf absehbare Zeit als neuer Standard im Investmentprozess etabliert.

Skepsis gegenüber nachhaltigen Themenfonds

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Der Chef der Fondsgesellschaft Lupus alpha, Ralf Lochmüller, sieht das exponentiell wachsende Angebot seiner eigenen Zunft rund um die nachhaltige Geldanlage mit wachsender Besorgnis. „Ich habe die Be­fürchtung, dass in den Marketingabteilungen einiger Assetmanager die Pferde langsam durchgehen und sich nicht mehr einfangen lassen“, sagt der Gründungspartner und Chief Executive Officer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung mit Blick auf den immer stärker werdenden ESG-Trend (Environment, Social, Governance). Zunehmend flössen Gelder in stark fokussierte Themenfonds, etwa unter dem Schlagwort Windkraft. „Hier droht womöglich eines Tages ein böses Erwachen. Manches ist zu heiß gelaufen, weil aktuell positive ESG-Scores die Kurse massiv antreiben.“

Die Aufregung legt sich

Sobald sich die Aufregung um das Thema ein wenig gelegt habe, würden ESG-Kriterien zum normaler Be­standteil des Investmentprozesses, erwartet Lochmüller. Dann könnte bei vielen der aktuell hohen Bewertungen rein aufgrund positiver ESG-Einstufungen die Luft entweichen, be­fürchtet er. Dies gelte umso mehr für die ins Kraut schießenden Themenfonds mit ESG-Etikett, die aufgrund ihrer engen Portfolioaufstellung dramatisch an Wert verlieren könnten. „Je einseitiger eine An­la­gestrategie ist, umso schwieriger ist eine langfristig tragfähige Rendite.“

Der 59-Jährige ist der festen Überzeugung, dass die ESG-Kriterien zum integralen Bestandteil des Investmentprozesses der Assetmanager werden und in wenigen Jahren Standard sind. Er spricht sich allerdings nicht grundsätzlich gegen sogenannte Impact-Fonds aus, die ein erklärtes Nachhaltigkeitsziel haben. Dies sind die sogenannten Artikel-9-Fonds nach der seit März geltenden EU-Offenlegungsverordnung, auch dunkelgrüne Fonds genannt.

Lochmüller warnt Anleger jedoch davor, zu einseitig auf die Nachhaltigkeit zu blicken und dabei die Rendite zu vernachlässigen. „Eine breite Portfoliokonstruktion ist der beste Weg zum Erfolg“, ist seine klare Empfehlung. Und er ergänzt: „Unsere in­­stitutionellen Anleger würden ESG-Themenfonds noch nicht einmal mit der Kneifzange anpacken, weil zu eng und zu wenig diversifizierend.“

Privatanleger werden befragt

Im kommenden Jahr werden auch Privatanleger im Rahmen der Anlageberatung nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt. Schon jetzt aber lässt sich erkennen, dass die Marketing- und Vertriebsaktivitäten der Fondsgesellschaften und Banken zunehmen, was einen immer stärkeren Geldstrom in ESG-Produkte zur Folge hat. 2020 erreichten die Nettomittelzuflüsse in nachhaltige Fonds bereits die Hälfte des gesamten Neugeschäfts der Publikumsfonds.

Angetrieben durch das Interesse der institutionellen Kunden, insbesondere der Kirchen, ist die Fondsboutique Lupus alpha schon sehr lange bemüht, das Thema Nachhaltigkeit bei den Mandaten mitzuberücksichtigen. Dabei verfolgt der auf Aktieninvestments in kleinen und mittleren Unternehmen, Volatilitätsstrategien, Wandelanleihen und Collateralized Loan Obligations (CLO, besicherte Unternehmenskredite) fokussierte Assetmanager einen breiteren Ansatz als den rein ökologischen. „Seit unserer Gründung im Oktober 2000 gilt bei unseren Investments in Unternehmen eine gute Governance als mitentscheidendes Anlagekriterium“, so Lochmüller, der im fünfköpfigen Executive Committee für die Bereiche Strategie und Planung zuständig ist.

Bei der Frage der guten Unternehmensführung geht es grundsätzlich um eine transparente und verantwortliche, auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Unternehmensleitung und -kontrolle. ✔ Hierein spielen Risiko- und Reputationsmanagement, Aufsichtsstrukturen, das Verhindern von Bestechung und Korruption, die Regeltreue der Unternehmen sowie die Transparenz gegenüber den Aktionären.

Sich bei der Frage der Governance wie auch den beiden anderen großen Aspekten der Nachhaltigkeit rein auf externe Ratings zu verlassen greife zu kurz, ist Lochmüller überzeugt. Seine Mannschaft baue bei der Einschätzung vielmehr auf den direkten Kontakt mit den Unternehmen; mehr als 1000 Gespräche sind jährlich üblich. Firmen mit Umsätzen zwischen 250 Mill. und 8 Mrd. Euro sind im Fokus von Lupus alpha.

Zwar spielen auch Datenanbieter im Investmentprozess von Lupus alpha eine Rolle. Doch insbesondere bei den kleineren Firmen gibt es in dieser Hinsicht kaum Angebot, berichtet der fünffache Familienvater. Bei den kleinen Unternehmen ist somit die eigene Analyse die Basis der Bewertung. „Auch wenn die Daten- und Indexanbieter ihr Angebot rund um das Thema Nachhaltigkeit erweitert haben, es reicht nicht, sich nur die Vergangenheitsdaten an­zuschauen. Viel spannender ist die Suche nach den Unternehmen mit Aufholpotenzial in Sachen ESG. Das sind die künftigen Outperformer“, umreißt Lochmüller den Ansatz seines Hauses.

Anforderungen steigen

In der jüngsten Vergangenheit seien die Anforderungen der institutionellen Investoren mit Blick auf die Nachhaltigkeit immer größer geworden, berichtet Lochmüller. Gab es bis vor zwei Jahren gerade mal eine Handvoll Fragen hierzu an die Assetmanager bei den Ausschreibungen, seien es jetzt schon deutlich über 20. Die konkrete Definition, was unter Nachhaltigkeit verstanden wird und was mit dem Investment erreicht werden soll, überlässt Lupus alpha den Investoren. Die divergierenden Ansichten der Anleger können auch durch die jüngsten und die kommenden Regulierungsschritte der EU weiterhin bestehen bleiben. Von dieser Seite drohen keine Einschränkungen.

Die Fondsboutique hat auch in ihrem jüngsten Geschäftsfeld, den Wandelanleihen, auf das steigende Interesse an der Nachhaltigkeit rea­giert. Der „Lupus alpha Sustainable Convertible Bonds“ setzt auf nachhaltige Wandelanleihen. Grundsätzlich ist Lochmüller mit dem neuen Geschäftsfeld zufrieden, das vor vier Jahren etabliert wurde. Zwar wurde das Dreijahresziel von 500 Mill. Euro verwaltetes Vermögen erst im vierten Jahr erreicht, aber immerhin ist das doppelt so viel wie noch zu Beginn. „Unser Ziel für die nächsten zwei, drei Jahre ist es nun, das verwaltete Vermögen in den Wandelanleihen auf 1 Mrd. Euro und mehr aus­zuweiten.“

Die Pandemie hat bei Lupus alpha im vergangenen Jahr nicht nur die Pläne für die Jubiläumsfeier zum 20.Geburtstag durchkreuzt, sondern ebenfalls die alljährlich in der Frankfurter Alten Oper stattfindende große Investorenveranstaltung. Auch geschäftlich hatte es nicht für die einst zum 20. Geburtstag angepeilten 15 Mrd. Euro verwaltetes Vermögen gereicht. Aber immerhin gab es Zuflüsse von insgesamt 400 Mill. Euro. Auch konnten sich drei der vier Strategien sehr gut entwickeln „Bei vielen unserer Nebenwertestrategien war es die beste Performance seit Gründung“, wie Lochmüller betont. Somit reichte es per Ende 2020 immerhin für 12,5 Mrd. Euro Assets under Management – das war eine halbe Milliarde mehr als im Jahr zuvor.

Es hätten auch rund 13 Mrd. Euro sein können, hätte nicht das vierte Geschäftsfeld – die Volatilitätsstrategien – angesichts der hohen Schwan­kungen an den Aktienmärkten ein schwieriges Jahr gehabt, da Lupus alpha auf Short-Strategien, also das Ausnutzen geringer Schwankungen, setzt. Auch wenn sich diese Strategien nach den Frühjahrsturbulenzen an den Börsen im ersten Lockdown sukzessive erholten, hätten die Rückschläge die Investoren zutiefst verunsichert, zumal Wettbewerber ihre Volatilitätsstrategien zugemacht hätten. In der Folge verlor Lupus alpha im vergangenen Jahr allein 400 Mill. Euro an Anlegergeldern in diesem Segment.

Guter Start ins neue Jahr

Der Start in das neue Jahr lief bislang sehr gut. Es kamen bis Ende April netto 400 Mill. Euro an Geldern neu hinzu, das verwaltete Vermögen sprang auf 13,8 Mrd. Euro. Angesichts der fortdauernden Liquiditätsschwemme durch die Notenbanken, der niedrigen Zinsen und der Hoffnung auf ein baldiges Wiedererstarken der Wirtschaft, sobald die Pandemie abflaut, rechnet Lochmüller mit einem guten Geschäftsjahr 2021. 800 bis 900 Mill. Euro an Zuflüssen hält er für erreichbar.

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