Im GesprächHelmut Schleweis und Harald Vogelsang

Sparkassen weisen Verbraucherschützer zurecht

Verbraucherzentralen dringen auf eine Stärkung des Verbraucherschutzes im Sparkassenrecht der Länder. Die Sparkassengruppe weist den Vorstoß jetzt zurück.

Sparkassen weisen Verbraucherschützer zurecht

Sparkassen weisen Verbraucherschützer zurecht

DSGV-Präsident und Haspa-Chef kritisieren Vorstoß für verpflichtende Vorgaben bei Filialpräsenz und Einlagenverzinsung

ste Hamburg

Die Sparkassen setzen sich gegen Kritik aus der Politik und von Verbraucherschützern an ihrem geschäftlichen Gebaren zur Wehr. Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), und Harald Vogelsang, Vorstandssprecher der Hamburger Sparkasse (Haspa), unterstrichen in einem Gespräch in Hamburg, dass die Idee bei Gründung der ersten Sparkasse vor 245 Jahren, Bankgeschäfte für alle zu ermöglichen, modern sei. Sparkassen, so Schleweis, trügen dazu bei, die Gesellschaft stabil zu halten, indem sie finanzielle und damit soziale Teilhabe ermöglichten. Vogelsang, Chef der größten deutschen Sparkasse, räumte ein, Sparkassen seien nicht bei jedem Produkt das billigste oder günstigste Kreditinstitut. „Aber ihr Modell ist insgesamt für die Verbraucher das fairste und attraktivste, weil sie zu jedem finanziellen Anliegen und in jeder Lebenslage bedient werden, und das auch noch persönlich, wenn sie es wollen.“

Zuletzt hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in einem Schreiben an den Ostdeutschen Sparkassenverband vor geplanten Filialschließungen bei einzelnen Mitgliedsinstituten gewarnt. Die Verbraucherzentralen Bayern, Brandenburg und Hessen waren Ende Juni mit einem Rechtsgutachten an die Öffentlichkeit getreten und hatten neben einer in den Landessparkassengesetzen zu verankernden Mindestanzahl von Filialen und Bankautomaten unter anderem gefordert, festzuschreiben, dass die Gewinnerzielungsabsicht nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebs der Sparkassen sein dürfe und Sparkassen Einlagen in Höhe der gesetzlichen Einlagensicherung anzunehmen und zu verzinsen hätten.

Profit nicht an erster Stelle

„Bei Sparkassen steht nicht der Profit an erster Stelle“, sagte Schleweis in dem Gespräch, an dem auch das „Hamburger Abendblatt“ und das Online-Branchenmagazin „Der Bank Blog“ teilnahmen. „Wir bieten allen Menschen, egal welcher Vermögensklasse, die Möglichkeit, ein finanziell selbstbestimmtes Leben zu organisieren.“ Ihren finanziellen Beitrag zum Gemeinwohl habe die Sparkassengruppe im vergangenen Jahr weiter gesteigert und knapp 400 Mill. Euro zur Förderung regionaler Projekten bereitgestellt. Haspa-Chef Vogelsang verwies auf den „bahnbrechenden Charakter“ einer Hamburger Bürgerinitiative, der breiten Bevölkerung zu ermöglichen, Geld zu sparen und Kredite zu erhalten und dafür 1778 die Haspa-Vorgängerin „Ersparungsclasse der Hamburgischen Allgemeinen Versorgungsanstalt“ zu gründen. „Wenn man diese Initiative auf die heutige Zeit überträgt, können wir feststellen, dass noch vieles für unser Gemeinwesen genauso wichtig ist wie damals.“

An jeder Ecke vertreten

Nach wie vor böten Sparkassen, so Vogelsang, „etwas für alle Bevölkerungskreise, was sie ansonsten schmerzlich vermissen würden“. Die Haspa etwa sei mit rund 100 Filialen „quasi an fast jeder Ecke“ vertreten, sei der verlässliche Versorger mit Geld, der anders als andere Kreditinstitute in der Stadt auch während der Corona-Pandemie alle Filialen offen gehalten habe. „Betriebswirtschaftlich hätte man das auch anders entscheiden können, wir haben das aber bewusst getan.“ Sein Haus sei ferner die einzige Bank in Hamburg, die Wertpapierberatung an allen dezentralen Standorten biete. Zudem sei die Haspa der bedeutendste Vermittler von staatlichen Fördermitteln, die führende Gründerbank und der größte Bau- und Gewerbeimmobilienfinanzierer in der Stadt. Jeder verdiente Euro werde darüber hinaus in Hamburg versteuert, der Nachsteuergewinn werde vollständig zur Stärkung des Eigenkapitals verwendet. „Wir sind in vielfältigster Weise ein Transmissionsriemen für das Funktionieren der Gesellschaft“, betonte Vogelsang.

DSGV-Präsident Schleweis sagte weiter, es werde weltweit viel über „financial inclusion“ gesprochen. „Wir haben das.“ Allein im vergangenen Jahr hätten die Sparkassen 690.000 Girokonten hinzugewonnen, obwohl sie mit rund 40 Millionen bereits Marktführer in Deutschland seien. „Die Menschen kommen zu uns, weil sie unser Modell gut finden“, erklärte der Sparkassenpräsident. Er verwies auf eine Yougov-Umfrage, die danach fragte, an wen junge Menschen bei einem Kreditinstitut als Erstes denken würden. Diese habe ergeben: „Über 90% der Generationen Z und Alpha sagen Sparkassen.“

Zur Kritik an der Einlagenverzinsung der Sparkassen nach der EZB-Zinswende meinte Schleweis, Preispolitik sei Sache jeder einzelnen Sparkasse. „Zinsen sind Preise, die sich am Markt bilden.“ Die Sparkassen seien während der Null- und Niedrigzinsphase sehr spät dazu übergegangen, Verwahrentgelt zu erheben. „Insofern können Änderungen von Konditionen etwas dauern, bei manchen auch etwas länger.“ Viele der vermeintlich attraktiven Angebote im Markt seien aber Lockvogelangebote. „Sie gelten in vielen Fällen nur für Neukunden, für begrenzte Geldbeträge und für eine bestimmte Zeit.“ Haspa-Vorstandschef Vogelsang betonte, man sei „grundsätzlich davon überzeugt, dass das Tagesgeld nicht das richtige Produkt ist, um zu sparen“. Sparen sei etwas Längerfristigeres. Wertpapiersparen, wie man es ab 25 Euro im Monat ermögliche, sei ein langfristig sinnvolles Vorsorgeprodukt. „Das ist finanzielle Teilhabe für alle in Zeiten von hoher Inflation.“

Vogelsang kritisierte das Verdikt der Verbraucherschützer, Sparkassen würden ihrem gesetzlichen Auftrag, das Sparen zu fördern, nur gerecht, wenn sie risikofreie Anlagemöglichkeiten böten. „Welches Risiko soll der Kunde denn nicht tragen? Mit welcher Berechtigung behaupten Verbraucherschützer, dass es verwerflich für die Verbraucher sei, in Wertpapiere zu investieren, wenn sie einen langfristigen Spargedanken damit verfolgen?“ Das, so der Haspa-Chef, sei eine grundfalsche Annahme. Selbst die Bundesregierung habe erkannt, dass sie das Rentensystem auf andere Beine stellen müsse, damit es mithalten könne mit der allgemeinen Kaufkraftentwicklung.

Weiter betonte Vogelsang, das Einlagensicherungssystem in Deutschland sei das beste in der Welt. Wenn Verbraucherschützer forderten, dass ein Vermögen von mehr als 100.000 Euro ohne Ausnahme auf mehrere Institute aufgeteilt werden sollte, sei das unbegründet. „Solange es in Deutschland die Institutssicherung der Volksbanken und Sparkassen mit einem unbegrenzten Schutz gibt, ist das eine grobe Falschaussage.“

Auch die Forderung nach einer gesetzlichen Festlegung der Mindestanzahl von Filialen und Bankautomaten wies der Haspa-Chef zurück. In einer Ortschaft, in der Post und Tankstelle geschlossen hätten und in der auch kein Arzt mehr praktiziere, sei es „schwer bis unmöglich, noch eine Sparkassenfiliale aufrechtzuerhalten“. Bis vor kurzem habe Deutschland noch als gnadenlos overbanked gegolten, heute erscheine jede Filiale systemrelevant, habe der DSGV-Präsident beim Sparkassentag in Hannover treffend formuliert. „Das kann es ja nicht sein.“

Starre Vorgaben kontraproduktiv

Schleweis selbst verwies im Gespräch darauf, Sparkassen hätten heute genauso viele mitarbeiterbesetzte Filialen wie Aldi und Lidl zusammen, obwohl über 25 Millionen Sparkassenkunden Online-Banking nutzten. „Starre und kleinteilige Vorgaben in den Sparkassengesetzen, wie sie manche Verbraucherschützer vorschlagen, sind kontraproduktiv.“ Selbst innerhalb der Länder gebe es regional große Unterschiede in den Bedürfnissen von Menschen und Mittelstand, die die Sparkassen vor Ort am besten in ihrer Geschäftspolitik berücksichtigen könnten. Laut Bundesbankstatistik zählten die Sparkassen Ende 2022 noch 7.326 (i.V. 7.732) Filialen. Wie viele es in zehn Jahren geben werde, sei davon abhängig, „wie Proportionalität in der Regulierung gelebt wird“. Wenn die Regulierungsschraube immer enger gedreht werde, gerieten Strukturen wie die der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken immer mehr unter Druck. Der DSGV-Präsident fügte hinzu, wenn man von Proportionalität rede, gehe es nicht um Erleichterungen beim Eigenkapital oder bei Liquiditätsvorschriften. „Bei Proportionalität geht es vor allem um Kleinteiligkeit bürokratischer Themen, die uns das Leben schwer machen, ohne wirklich regulatorische Vorteile zu haben.“

Tagesgeldzinsen und Baufinanzierungskonditionen dominieren aktuell die öffentliche Debatte über Finanzdienstleistungen in Deutschland. Verbraucherzentralen dringen auf eine Stärkung des Verbraucherschutzes im Sparkassenrecht der Länder. Die Sparkassengruppe weist den Vorstoß jetzt zurück.

Im Gespräch: Helmut Schleweis und Harald Vogelsang

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