ITALIEN WICKELT VENETISCHE VOLKSBANKEN AB

Später Griff zur Reißleine

Abwarten der Aufseher hat Rechnung für Italiens Steuerzahler verteuert - Prüfer PwC will sich nicht äußern

Später Griff zur Reißleine

Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie bis zu 17 Mrd. Euro teure Zerschlagung von Veneto Banca und Banco Popolare di Vicenza, auf Staatskosten und in alleiniger Regie Italiens, wirft nicht nur Fragen nach der Existenzberechtigung des europäischen Bankenabwicklungsregimes auf, sondern auch nach dem Treiben der Prüfer und Bankenaufseher. Dass beide Institute in den Seilen hingen, war seit längerem offensichtlich. Dass die Europäische Zentralbank bei beiden Banken mit deren Einstufung als “failing or likely to fail” jetzt und nicht früher die Reißleine zog, dürfte die Kosten der Zerschlagung in die Höhe getrieben haben.Die für 2016 veröffentlichen Ergebnisse beider Banken sind Dokumente des Grauens: Banca Popolare di Vicenza weist zum zweiten Mal in Folge einen Betriebsverlust von knapp 2 Mrd. Euro aus, überdies einen negativen Cash-flow aus dem operativen Geschäft von rund 370 Mill. Euro.Rückstellungen für faule Kredite drückten derweil Veneto Banca mit 1,5 Mrd. Euro ins Minus nach einem Fehlbetrag von 882 Mill. im Jahr davor. Bereits 2015 sei nicht mehr vom Fortbestand (Going Concern) der Gesellschaften auszugehen gewesen, erklärt Hans-Joachim Dübel, Berliner Kapitalmarktexperte und finanzpolitischer Berater, den “Deutschen Wirtschafts Nachrichten”. Schon damals hätte gehandelt werden müssen. Stattdessen habe Italien Bonds garantiert: “Alle Beteiligten haben sich der Verschleppung schuldig gemacht.” Die Italiener hätten “Insider herausgeholt”, die EZB habe die Rotation der Gläubiger finanziert und damit die Verluste beim Ausfall verschlimmert, und die Fiskalseite habe die EU-Bankenabwicklungsbehörde so schwach aufgestellt, dass diese “nur noch rauchende Trümmer vorfindet”.In einem Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung hatte Dübel schon im Mai kritisiert, die Zentralbank könne insbesondere über Bad Banks sowie durch eigene Liquiditätszufuhr Gläubiger bevorteilen und eine Abwicklung hinausschieben. Eine Bad-Bank-Konstruktion verführe dazu, Nachränge oder andere Passiva zu pari oder hohen Kursen entweder auf Kosten der Einleger oder der Steuerzahler auszuzahlen.Die Testate für die venetischen Volksbanken hat jeweils PwC verteilt. Auf Anfrage der Börsen-Zeitung wollte sich PwC Italien am Montag zu beiden Banken nicht äußern. Die Probleme der beiden Institute unter direkter EZB-Aufsicht hatten sich früh abgezeichnet, um zuletzt rasch zu eskalieren.Schon im September 2014 zählten die Analysten von SNL Financial die Volksbank von Vicenza angesichts einer Deckungsquote für faule Kredite von nur knapp über 40 % explizit zu den Problemfällen, unter anderem neben der jüngst zumindest fürs Erste geretteten Monte dei Paschi di Siena (MPS). Wenige Wochen später rasselte die Volksbank Vicenza durch den Bilanztest der EZB und musste den Aufsehern mit zwölf weiteren Instituten einen Kapitalplan vorlegen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt mussten bei den Aufsehern die Alarmglocken schellen.Und es dauerte nicht lange, bis die Eigenkapitalgeber streiken sollten. Als im Mai und Juni 2016 beide Institute mit dem Plan eines Börsengangs scheiterten, musste der Bankenrettungsfonds Atlante einspringen: Die Aktien der Veneto Banca waren zuvor nicht einmal für 10 bis 50 Cent am Markt unterzubringen gewesen. 2012 hatten die Anteilscheine des Instituts, das in wenigen Jahren rund 5 Mrd. Kapital verbrannt hatte, noch 40 Euro gekostet. Atlante zeichnete die Kapitalerhöhungen beider Banken über insgesamt 2,5 Mrd. Euro fast vollständig. Vor wenigen Monaten dann musste der Staat eine Emission von Anleihen der Veneto Banca garantieren, während Kunden dort zunehmend Einlagen abzogen. Anfang Juni summierten sich die von Banca Popolare di Vicenza ausgegebenen Anleihen mit Staatsgarantie auf 5,2 Mrd. und jene von Veneto Banca auf 4,9 Mrd. Euro. In Vicenza ersetzten die Mittel dabei knapp 2 Mrd. Euro, welche 2015 und 2016 an Bondinvestoren abgeflossen waren. Aus dem Rettungsfonds Atlante hatten beide Banken bis dahin insgesamt 3,5 Mrd. Euro erhalten.Nun hat Italiens Regierung eine Rechnung von 17 Mrd. Euro präsentiert. Begleichen müssen sie, da die Bankenabwicklungsbehörde SRB außen vor bleibt, allein die Steuerzahler in Italien. Vor wenigen Tagen noch waren die Kosten einer vorsorglichen Kapitalerhöhung für beide Banken auf ein Volumen von 6,4 Mrd. Euro veranschlagt worden. Ende 2014 hatte die EZB nach ihrem Bilanztest den vier durchfallenden Banken aus Italien – neben der Banca Popolare di Vicenza und Monte dei Paschi di Siena waren dies Banca Carige sowie Banco Popolare di Milano – insgesamt einen Kapitalbedarf von 3,3 Mrd. Euro attestiert.