Nationale Befindlichkeiten setzen Konsolidierung Grenzen

Staatliche Einmischung bremst Fusionen

Die Konsolidierung des Bankwesens in Europa kommt kaum voran, allen Bekenntnissen in Brüssel und anderen Haupstädten zum Trotz. Ob im Fall von Unicredit und Commerzbank, BBVA und Sabadell oder Unicredit und BPM – Einmischungen von Regierungen sind allgegenwärtig.

Staatliche Einmischung bremst Fusionen

Staatliche Einmischung bremst Fusionen

Nationale Befindlichkeiten setzen der Konsolidierung im europäischen Bankwesen enge Grenzen – Konkurrenzfähigkeit leidet

fir Frankfurt
Von Tobias Fischer, Frankfurt

Die Konsolidierung des europäischen Bankensektors ist ein mühseliges Geschäft, weil sich Nationalstaaten einmischen, der Rechtsrahmen fragmentiert ist und hohe regulatorische Vorgaben gelten. Das zeigt sich bei innerstaatlichen Übernahmebemühungen ebenso wie bei zwischenstaatlichen. Bestes Beispiel: Unicredit und die Commerzbank. Insbesondere nationale Befindlichkeiten setzen einem schlagkräftigen, integrierten Bankenmarkt enge Grenzen und benachteiligen EU-Institute gegenüber ihren britischen und US-Konkurrenten.

Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag veröffentlichte Studie des europäischen Finanzmarktverbands AFME. „Bei grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen weiten langwierige Genehmigungsverfahren, an denen die nationalen zuständigen Behörden des Käufers und der Zielbank beteiligt sind, den Zeitplan der Übernahmen aus, erhöhen das Ausführungsrisiko und stellen ein weiteres Hindernis für die Konsolidierung des Bankensektors dar“, heißt es da.

Beispiele für Einflussnahme zuhauf

Beispiele für staatliche Einflussnahmen auf nationale wie internationale Fusionsvorhaben im Finanzsektor gibt es zuhauf, wie etwa in Italien und Spanien zu beobachten ist. So hat Rom mittels hoher Auflagen verhindert, dass sich Unicredit die drittgrößte Bank des Landes, BPM, einverleibt. Das hat die EU-Kommission gegen die italienische Regierung aufgebracht.

Protestnoten der Bundesregierung

Nach dem Rückzug des Angebots hat sich Unicredit-Vorstandschef Andrea Orcel verstärkt der Commerzbank zugewandt und seinen Aktienanteil zuletzt auf 26,04% aufgestockt. Auch wenn aktiver Widerstand ausbleibt, so führen die Offerten aus Italien regelmäßig zu Protestnoten der Bundesregierung, die an ihrer staatlichen Commerzbank-Beteiligung von 12,72% festhalten will. „Wir erleben politische Einmischung“, sagte Orcel dieser Tage im Interview mit dem Schweizer Wirtschaftsmagazin „Bilanz“: Die Regierungen versuchten aktiv, ein Zusammenwachsen europäischer Banken als ein Gegengewicht zu US-Instituten zu verhindern. „Das ist ernüchternd und frustrierend“, so der Unicredit-Chef.

Besonders drastisch geht Italiens Regierung vor. Um selbst die Schaffung einer Bankengruppe voranzutreiben, setzt sie sich für die feindliche Übernahme der Mediobanca durch die noch teils in staatlicher Hand befindliche Monte dei Paschi di Siena ein. Diese hat am Dienstag ihr Angebot aufgestockt.

Es geht auch anders

In Spanien wiederum hat die Regierung in die Bemühungen der BBVA eingegriffen, ihre Wettbewerberin Banco Sabadell zu übernehmen. Zwar stimmte Madrid grundsätzlich zu, doch nur unter der Maßgabe, Sabadell drei bis fünf Jahre lang als eigenständiges Institut weiterzuführen. Das hat das Kostenkalkül der BBVA zerstört. Immerhin, im Fall von Novo Banco und BPCE hat eine Bankenübernahme auch mal geklappt. Im Juni verkündete die französische Gruppe den milliardenschweren Kauf des portugiesischen Instituts.

Dabei hatte die Regierung in Lissabon zuvor eine Offerte der spanischen Caixabank verhindert und deutlich gemacht, dass eine noch größere Rolle der Spanier im heimischen Bankenmarkt unerwünscht sei. Sie beherrschen bereits etwa ein Drittel des portugiesischen Marktes.

Beispiele wie dieses und die Bemühungen von Unicredit, die Commerzbank zu erwerben, zeugen AFME zufolge von einem wiederbelebten Interesse an grenzüberschreitender Konsolidierung. Allerdings liege die Zahl solcher Transaktionen relativ wie in absoluten Zahlen unter dem historischen Niveau.

Fusionen in der EU dauern länger

Die Autoren der AFME-Studie beklagen, dass der EU-Rechtsrahmen für Banken generell komplexer sei als andere internationale Standards und so entsprechende Nachteile mit sich bringe. Demnach haben die Institute in den an der Bankenunion beteiligten Ländern zwar ihr hartes Kernkapital zwischen 2015 und 2024 von rund 1 Bill. auf 1,4 Bill. Euro erhöht und damit ihre Resilienz gegenüber Krisen. Allerdings hätten strenge Anforderungen der EZB und Vorgaben nationaler Aufseher zu einer Kapitalausstattung geführt, „die nicht angemessen ist“ und davon betroffene Banken gegenüber internationalen Wettbewerbern benachteiligen könne.

Hinzu komme, dass Kapital und Liquidität innerhalb der nationalen Grenzen gebunden und abgeschottet sei, „was die Banken daran hindert, Ressourcen dort effektiv einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden“.

Auch weise die Europäische Union deutlich mehr systemrelevante Institute aus als andere Jurisdiktionen und gehe mitunter regulatorisch über das hinaus, was vom Baseler Ausschuss vorgegeben wurde. Hinzu komme, dass Bankfusionen und -übernahmen in Europa länger dauerten als andernorts. So vergingen 285 Tage zwischen Ankündigung und Abschluss, verglichen mit 219 Tagen in den USA, 187 in China und 85 in der Schweiz. Ein M&A-Prozess ziehe sich in der EU heute im Schnitt 100 Tage länger hin als noch 2014.

Die Konsolidierung des Bankwesens in Europa kommt kaum voran, allen Bekenntnissen in Brüssel und anderen Hauptstädten zum Trotz. Ob im Fall von Unicredit und Commerzbank, BBVA und Sabadell oder Unicredit und BPM – allerorten mischen sich die Regierungen ein.