Finanzkriminalität

Staatsanwälte rücken in Bundesministerien an

Zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl rücken Ermittler der Staatsanwaltschaft Osnabrück in Berlin an. Sie suchen unter anderem im Bundesfinanzministerium nach Hinweisen auf möglicherweise verschluderte oder absichtlich zurückgehaltene Geldwäsche-Verdachtsmeldungen.

Staatsanwälte rücken in Bundesministerien an

fir Frankfurt

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat am Donnerstag die Bundesministerien der Finanzen und der Justiz durchsuchen lassen. Die niedersächsische Behörde ermittelt seit dem vergangenen Jahr wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt bei der nationalen Anti-Geldwäsche-Einheit Financial Intelligence Unit (FIU), die beim Zoll angesiedelt ist, einer dem Bundesfinanzministerium nachgeordneten Behörde.

Vorwurf Terrorfinanzierung

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück versucht einem Sprecher zufolge, aus der Kommunikation zwischen Ministerien und FIU mögliche Hinweise zu erlangen, weshalb es FIU-Mitarbeiter versäumt hätten, Geldwäscheverdachtsmeldungen von Banken an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Dutzende Verdachtsmeldungen an die FIU betreffen der Staatsanwaltschaft zufolge Zahlungen nach Afrika, die sich auf 1,7 Mill. Euro summieren und möglicherweise im Zusammenhang mit Waffen- und Drogenhandel sowie Terrorismusfinanzierung stehen. „Die FIU nahm diese Meldung zur Kenntnis, leitete sie aber nicht an deutsche Strafverfolgungsbehörden weiter, so dass keine Möglichkeit mehr bestand, die Zahlungen aufzuhalten“, hieß es in einer am Donnerstag von der Staatsanwaltschaft versandten Mitteilung.

Scholz zeigt sich irritiert

Die Niedersachsen rückten mit fünf Staatsanwälten, einer Wirtschaftsreferentin und vier Polizisten um 9.15 Uhr in den Berliner Ministerien an. Just zu diesem Zeitpunkt sprach Bundesfinanzminister Olaf Scholz bei einer Veranstaltung des „Handelsblatts“ unter anderem über die geplante europäische Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA, für die sich Frankfurt als Standort zu empfehlen gedenkt (siehe unten stehenden Artikel).  Scholz zeigte sich von den Durchsuchungen irritiert. Fragen der Staatsanwaltschaft an die Ministerien „hätte man schriftlich stellen können“, sagte der Kanzlerkandidat der SPD laut Reuters am Donnerstag am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Potsdam. Der Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück ist auf den 10. August datiert. Dass seitdem ein Monat bis zu den Vor-Ort-Ermittlungen ins Land gegangen ist, sei üblich, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück. Zur Vollstreckung des Beschlusses hätten die Ermittler bis zu einem halben Jahr Zeit. Ursprünglich hätten sie am Montag vorstellig werden wollen, doch sei das geplante Unterfangen des Bahnstreiks wegen verschoben worden.

Das Bundesministerium der Finanzen verwies in einer schriftlichen Stellungnahme darauf, dass sich das Verfahren gegen unbekannte Mitarbeiter der FIU in Köln richte und kein Verdacht gegen Beschäftige des Ministeriums bestehe. Das Haus unterstütze die Ermittler voll und ganz, hieß es weiter.

„Der Staatsanwaltschaft geht es in erster Linie um die Identifikation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zentralstelle in Köln und um Informationen, inwieweit der sogenannte risikobasierte Ansatz der Zentralstelle rechtlich erörtert und abgesichert wurde“, so das Bundesfinanzministerium. Der FIU kommt eine Filterfunktion zu. Sie sichtet die eingehenden Geldwäscheverdachtsmeldungen nach Dringlichkeit, analysiert sie und leitet sie, je nach Risikogehalt, gegebenenfalls an Ermittlungsbehörden weiter.

Kritik reißt nicht ab

Die Behörde sieht sich immer wieder starker Kritik ausgesetzt. Der Vorwurf lautet häufig – so auch im aktuellen Fall –, dass von Banken, Notaren, Versicherern, Immobilienmaklern und anderen Verpflichteten abgegebene Geldwäsche-Verdachtsmeldungen nicht oder zu spät an die Strafverfolgungsbehörden weitergereicht werden, obwohl dies vonnöten sei. Die Verpflichteten sind nach dem Geldwäschegesetz angehalten, die Identität ihrer Kunden zu ermitteln und im Falle verdächtiger Transaktionen Verdachtsmeldungen an die FIU abzugeben. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die FIU 2017 bei der Generalzolldirektion angesiedelt. Zuvor war sie beim Bundeskriminalamt (BKA) angedockt gewesen, also im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums.

Seitdem ist der Personalbestand von 165 Stellen auf 475 zu Beginn dieses Jahres aufgestockt worden, und die FIU hat weitere Kompetenzen erhalten. Der seit August 2018 amtierende Leiter Christof Schulte hatte Ende letzten Jahres im Interview der Börsen-Zeitung eine weitere Stärkung der Behörde angekündigt (vgl. BZ vom 23.12.2020). Innerhalb von zwei bis drei Jahren solle demnach die Zahl der Stellen, bemessen in Vollzeitäquivalenten, auf rund 800 steigen.

Politische Konkurrenten griffen Scholz wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft an. Er habe seine Behörden „nicht im Griff“, kritisierte Lisa Paus, Grünen-Sprecherin für Finanzpolitik. Fabio De Masi von den Linken forderte: „Wer Deutschland führen will, muss den Zoll auf die Reihe bekommen! Deutschland ist Gangster‘s Paradise.“ Und der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, monierte, die FIU sei in einem schlechten Zustand, weil er sie „wie ein Stiefkind“ behandelt habe.  

Wertberichtigt Seite 8

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