Standard Chartered löst am Aktienmarkt Bestürzung aus

Kurs bricht wegen amerikanischer Geldwäsche-Vorwürfe stark ein - New Yorker Banklizenz in Gefahr

Standard Chartered löst am Aktienmarkt Bestürzung aus

pra London – Die in Großbritannien beheimatete, aber hauptsächlich in Asien tätige Geschäftsbank Standard Chartered ist von der Position des Musterknaben in einen existenzgefährdenden Abgrund gestürzt. Der Aktienkurs sackte am Dienstag an der Londoner Börse zeitweise um fast ein Viertel ab; am Abend betrug das Minus noch 16 %.Auslöser war eine am Vorabend veröffentlichte Anklageschrift der weitgehend unbekannten amerikanischen Aufsichtsbehörde New York State Department of Financial Services (DFS), die schwere Vorwürfe erhebt. Angeblich soll Standard Chartered während zehn Jahren systematisch und in betrügerischer Absicht amerikanische Sanktionen gegen den Iran umgangen haben.Die Bank stritt die Vorwürfe in einer zu später Nachtstunde publizierten Stellungnahme zwar energisch ab, doch der Schaden ist passiert. Standard Chartered galt bisher als der einzige Saubermann unter den britischen Großbanken, der ohne Staatshilfen und ohne Skandale durch die turbulenten Jahre seit der Finanzkrise gekommen ist. Noch bei der Präsentation der Halbjahreszahlen Anfang August hatte Chief Executive Officer Peter Sands versichert, ihm seien keine aufsichtsrechtlichen Ermittlungen gegen die Bank bekannt. In der Sache gilt der Fall allerdings als höchst undurchsichtig, weshalb sich die Finanzanalytiker am Dienstag mit Urteilen zurückhielten. Im Zentrum stehen die “U-Turn” genannten Finanzgeschäfte ausländischer Banken mit Iran, die nach amerikanischem Recht bis 2008 unter bestimmten Bedingungen erlaubt waren. Demnach war es möglich, iranische Gelder durch die USA zu schleusen, sofern sie korrekt deklariert wurden und sie das Land wieder verließen. Das DFS behauptet nun in der 27 Seiten dicken Klageschrift, Standard Chartered habe zwischen 2001 und 2007 in Konspiration mit iranischen Kunden 60 000 über ihre New Yorker Niederlassung geschleuste Transaktionen im Volumen von 250 Mill. Dollar vor den amerikanischen Behörden verborgen und dabei Hunderte von Millionen Dollar Gebühren kassiert. Mit im Spiel gewesen seien Fälschungen von Zahlungsanweisungen, um die Identität der Kunden zu verbergen, Falschangaben gegenüber den Behörden sowie die Behinderung der Behörden durch zurückgehaltene Informationen. Die DFS veröffentlichte Auszüge von bankinternen E-Mails, welche die Deckung der Verstöße durch das Management belegen sollen.Dabei wird einem Manager auch die folgende Äußerung zugeschrieben: “Ihr f—ing Amerikaner. Wer seid ihr, dass ihr uns, dem Rest der Welt, vorschreiben wollt, keine Geschäfte mit dem Iran zu machen.”Die Behörde forderte die Bank auf, sich am 15. August in New York zu erklären. Als Sanktionen drohte sie den Entzug der Banklizenz in New York sowie die Suspendierung des Dollar-Clearing durch die Bank an. Beides hätte katastrophale Folgen für Standard Chartered, die für ihre globalen Großkunden keinen vollen Service mehr bieten könnte. Allerdings wären diese Maßnahmen äußerst ungewöhnlich und damit nicht sehr wahrscheinlich. Käme es bloß zu einer Buße, könnte diese problemlos von Standard Chartered beglichen werden. So weit ist es allerdings noch nicht. Standard Chartered will offenbar gegen die Vorwürfe kämpfen. Sie behauptet, die DFS unterliege einem Rechtsirrtum.Die Bank habe die inkriminierten Vorgänge selbst untersuchen lassen und dabei festgestellt, dass in 99,9 % der Fälle alles korrekt gelaufen sei. Dies habe sie den Behörden auch unterbreitet. Die DFS selbst ist so jung, dass sie bislang wenig bekannt ist. Sie wurde erst im November 2011 durch die Zusammenlegung der Banken- und der Versicherungsaufsicht in New York gegründet.—– Kommentar Seite 1