Christoph Hock und Holger Meffert

„Startschuss für tokenisierte Anleihe“

Anleihen lassen sich über Blockchains platzieren für erhöhte Prozesseffizienz. Deshalb gehört die Zukunft dem „atomic settlement“, also dem sofortigen Austausch der Token-Wertpapiere gegen Digitalwährung. In dezentralen Netzen brauche man keinen Zentralverwahrer in jetziger Funktion, sagen die Experten.

„Startschuss für tokenisierte Anleihe“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Während die Welt gebannt auf die Kursentwicklung von Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether schaut, vollzieht sich im Maschinenraum des Kapitalmarktes nahezu unbemerkt eine revolutionäre Entwicklung unter Einsatz von Blockchain-Infrastruktur für Emission und Settlement von Finanzinstrumenten, insbesondere von Wertpapieren. Ins Rampenlicht rückte dies Ende April, als die Europäische Investitionsbank (EIB) die Ausgabe einer Anleihe über die Ethereum-Blockchain ankündigte – eine öffentliche Blockchain, auf der Bestände und Transaktionen der Teilnehmer einsehbar sind. Goldman Sachs, Santander und Société Générale wurden als Bookrunner angeheuert, um die Emission über 100 Mill. Euro mit zweijähriger Laufzeit (Coupon: 0,000%) von der Registrierung bis zum Settlement zu begleiten. Auf der Käuferseite dabei: als einziger Assetmanager Union Investment, die Anteile für ihren Publikumsfonds UniRak erwarb und dabei eng mit der Verwahrstelle DZBank zusammenarbeitete.

Frühzeitig in Planung

Dabei befand sich Union Investment schon seit geraumer Zeit im Startblock für eine solche Transaktion, wie Christoph Hock, Leiter Trading Desk, erklärt. „Wir hatten bei Union Investment im Trading Team schon Mitte 2020 eine Aufbauorganisation für das Thema neue Technologien und in diesem Zusammenhang Handel und dezentrales Settlement über Distributed Ledger Technology, DLT, gestartet. Denn dieses Thema wollten wir proaktiv für Anwendungen in Handel und Abwicklung angehen und uns prozessual sozusagen in Trockenplanung für eine solche Transaktion begeben. Die EIB-Emission war nun die erste mit einem breiten Investorenpublikum.“

Eingesetzt wurde eine synthetische digitale Zentralbankwährung (CBDC) der Banque de France für das Settlement eines tokenisierten Wertpapiers nach französischem Recht – dort gibt es schon das digitale Wertpapier. Hock: „So konnte ein Settlement direkt auf der Chain vollzogen werden. Bei der Ende März erfolgten Transaktion von Bundesbank, Deutscher Börse und Finanzagentur, bei der die DZ Bank als Teilnehmer dabei war, wurde eine Trigger-Lösung eingesetzt, um die Bezahlung der Transaktion des DLT-basierten Wertpapiers direkt gegen ein Target2-Konto zu gewährleisten.“

Mit dem Test auf Systemen von Börse und Bundesbank wurde gezeigt, dass sich Eigentumsüberträge auf einer DLT-Infrastruktur mit großvolumigen Zahlungen derart verbinden lassen, dass „Delivery versus Payment“ und damit sofortiges Settlement einer Wertpapier-Transaktion über Token auch in Zentralbankgeld möglich ist. Wenn sich das skalierbar darstellen lässt, wäre der Anreiz groß, Wertpapiere und andere Finanzinstrumente in größerem Umfang zu tokenisieren und damit die Transaktionsprozesse durch die Reduktion der Anzahl von Intermediären und von Abwicklungsrisiken weiter zu verbessern.

„Bei klassischen Kapitalmarktgeschäften geht es ja meist um großvolumige Transaktionen, bei denen die Minimierung des Prozessrisikos in der Abwicklung ein zentraler Faktor ist“, sagt Holger Meffert, Leiter Wertpapiermanagement bei der DZ Bank. Die EIB-Transaktion könnte sich in zwei, drei Jahren als Standard für solche Emissionen etablieren, glaubt Meffert. Den rechtlichen Rahmenbedingungen folgend, würde den depotführenden Stellen – und damit entsprechend auch der Verwahrstelle – die Rolle der Schlüsselverwahrung und Walletführung zukommen.

Bei der EIB-Anleihe oblag das Wallet-Management inklusive der Schlüsselverwaltung der SocGen-Tochter Forge. Es ist eine nach Mifid zugelassene Investmentfirma, die neben dem Betrieb der Verwahrinfrastruktur auch die Rolle eines Registrars einnimmt, und die geeignet ist, die EIB-Anleihe mit regulatorischer Compliance zu platzieren. Die Ausgangsposition im Wertpapier-Settlement beschreiben Hock und Meffert so: Noch gibt es Digitalisierungslücken im Settlement-Prozess von Fixed-Income-Papieren sowie Aktien, dazu noch manuelle Prozessschritte mit nicht vernachlässigbaren Fehlerraten im T+2- und T+3-Settlement. Viel zu oft komme es bei Delivery-versus-Payment zu Lieferverzögerungen bei den Wertpapieren, sodass Transaktionen schon mal 10 bis 15 Tage offen bleiben.

Sofortiger Austausch

Und da gebe es jetzt schon Diskussionen mit den Regulatoren, wie das künftig in einer neuen Settlement-Welt auf DLT-Basis aussehen könne. Denn es sei klar, dass die Zukunft dem „atomic settlement“ gehöre, also dem sofortigen Austausch der Token-Wertpapiere gegen Digitalwährung als T+0. Außerdem sei schon heute klar, dass man in dezentralen Netzen keinen Zentralverwahrer in der jetzigen Funktion brauche; von daher werde schon diskutiert, welche Rolle Zentralverwahrer wie Clearstream und Euroclear in einer solchen, von der dezentralen Token-Ökonomie geprägten Marktinfrastruktur spielen können. Die neue deutsche Gesetzgebung zum E-Wertpapier gehe zwar in die richtige Richtung, jedoch gelte es, zeitnah auch europäische Rahmenbedingungen wie die Central Securities Depositories Regulation anzupassen, um liquiden Handel verbunden mit einem Börsenlisting zu erlauben.

Dass die Blockchain mit ihrem „shared ledger“ und der Vertrauen schaffenden kryptografischen Verschlüsselung sowie den zu Protokollen wie Ethereum gehörenden „Smart Contracts“ für automatisierte Prozesse alle Attribute für eine modernisierte Finanzmarktinfrastruktur besitzt, ist schon länger kein Geheimnis mehr – nun gehen es die Kapitalmarktteilnehmer in Deutschland und Europa aber konkret an. Bei der EIB-Transaktion sah es so aus, dass die Kauforder durch den Portfoliomanager dem Trading Desk der Union Investment an einem Dienstag gegen 17.30 Uhr erteilt wurde und dann am Mittwoch früh um 9.50 Uhr die Zahlung geleistet war – streng genommen also T+1. Bei Union Investment waren mehr als 50 Mitarbeiter von Portfoliomanagement über Legal und Risikokontrolle bis zur Abwicklung und damit die gesamte Wertschöpfungskette involviert. Am längsten habe es gedauert, bis die Händler ihre „confirmation“ ausgetauscht hätten, witzelt Meffert. Wenn sich alle in die T+0-Welt bewegen, müsste alles synchronisiert werden, sagt Hock. Er geht davon aus, dass schon bald weitere solcher Transaktionen stattfinden. „Die EIB-Emission war der Startschuss für tokenisierte Anleihen. Bei Union Investment haben wir jetzt schon weitere mögliche Transaktionen für tokenisierte Wertpapiere im Auge.“

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