Stoff fürs Bankgeschichtsbuch
Am 2. Juni 2003 um 11:27 Uhr wurde in Deutschland Bankgeschichte geschrieben. Mit der Eintragung in die Handelsregister von Hamburg und Kiel war die Fusion der Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein perfekt. Die neue HSH Nordbank AG ging mit einer Bilanzsumme von 180 Mrd. Euro und 4 500 Beschäftigten an den Start. “Aus einer Position der Stärke”, wie es damals hieß, wurde mit dem ersten länderübergreifenden Zusammenschluss zweier Landesbanken der mit Abstand größte Schiffsfinanzierer der Welt aus der Taufe gehoben.Fünfzehneinhalb Jahre später, womöglich an diesem Mittwoch, wird in Deutschland wieder Bankgeschichte geschrieben. Der nach Vorliegen der notwendigen Genehmigungen wohl unmittelbar bevorstehende Abschluss des Verkaufs der HSH Nordbank an die Finanzinvestoren Cerberus, Flowers & Co. markiert die erste Privatisierung einer Landesbank. Arbeit finden bei dem Institut heute noch rund 1 700 Menschen und absehbar bald sogar weniger als 1 000, die Bilanzsumme wurde bis September weiter auf 61 Mrd. Euro “verdichtet”. Damit ist die HSH heute gerade mal ein gutes Drittel größer als die Haspa, Deutschlands führende Sparkasse. Die Landesbankenlandschaft wird mit dem Closing der Transaktion erneut übersichtlicher. Vom einstigen Dutzend Sparkassen-Girozentralen bleibt inklusive des Nischenspielers SaarLB ein Quintett übrig, wenn man die mit ihrem Geschäftsprofil etwas aus der Art schlagende Landesbank Berlin außen vor lässt. Die öffentlich-rechtliche Finanzgruppe kann also Konsolidierung, auch wenn durch den Verkauf der HSH selbst keine neuerliche Kräftebündelung in der deutschen Kreditwirtschaft stattfindet, denn das Haus macht ja unter dem Namen “Hamburg Commercial Bank” weiter. Kein Wettbewerber wird vom Markt genommen.Hut ab vor allen Beteiligten, die die HSH in einem extrem herausfordernden Marktumfeld und in einem höchst komplexen Interessengeflecht bis zu diesem historischen Punkt geführt oder begleitet beziehungsweise ihr die Treue gehalten haben – alte und neue Eigentümer, Kunden, Mitarbeiter, Vorstand, Aufsichtsrat und Betriebsrat, die in den Wechsel des Einlagensicherungsregimes involvierten Sparkassen- und Bankenverbände DSGV und BdB sowie EU-Kommission und nicht zuletzt die Finanzaufsicht. Anders als anlässlich des 2003 begonnenen Kapitels der Bankgeschichte gibt es diesmal gleichwohl wenig Gründe, die Korken knallen zu lassen. Denn dank des kolossalen Versagens früherer Verantwortlicher in den Gremien der Bank und der Alteigentümer, die das Desaster angerichtet oder dem Schrecken fast ohne Ende zu lange zugeschaut haben, sind nicht nur Tausende Jobs vernichtet worden. Die Steuerzahler bleiben auf einem Schaden in zweistelliger Milliardenhöhe sitzen.Welcher neue Stoff für das Bankgeschichtsbuch aus Hannover beigesteuert wird und wer dort die Milliardenlasten übernimmt, ist derweil nicht mal schemenhaft zu erkennen. Für die Nord/LB hätte dieser 28. November mit dem Ablauf der Frist für die Abgabe verbindlicher Gebote auch eine Art historischer Tag werden sollen. Doch in diesem Fall werden fürs Erste nur weniger geschichtsträchtige Beiträge von Adressen geliefert, die zwar den Finger in den Pudding gesteckt haben, aber nachvollziehbarerweise zumindest zu diesem Stichtag nicht bereit sind, die ganze teure Portion auszulöffeln – und unter den gegebenen Umständen schon gar nicht. So die Commerzbank, die kein nachhaltiges strategisches Interesse an der kompletten Nord/LB haben kann, und die Helaba, die hier, anders als 2012 in Sachen WestLB, ebenfalls nicht Geschäftsportfolien übernehmen soll, sondern eine ganze malade Bank. Ist es dann “Erpressung”, wenn die Sparkassengruppe Hessen-Thüringen das in Niedersachsen fehlende Geld – woher auch immer es käme – nicht einfach rüberschieben will, ohne dass die Alteigentümer im Obligo bleiben respektive sich via Haftungsverbund zusätzlich engagieren? Der Vorwurf wäre geradezu albern. Schließlich tut sich da ein Kapitalloch von angeblich 3 bis 5 Mrd. Euro auf, das spätestens bis zur Feststellung der Bilanz für 2018 gestopft werden muss.Einen herben Rückschlag bedeutet diese Entwicklung für das überambitionierte Vorhaben von DSGV-Präsident Helmut Schleweis, fünf Verbundinstitute zur Superlandesbank zusammenzuschieben. Die Verbindung zwischen Helaba und Nord/LB sollte der erste Schritt auf diesem Weg sein. Doch wie schon so oft in der Familie mit dem roten “S” setzen die Geburtswehen ein, noch bevor das Aufgebot zur Elefantenhochzeit richtig bestellt ist. —–Von Bernd WittkowskiDie Privatisierung der HSH Nordbank steht vor dem Abschluss. Eine Art historischer Tag hätte dieser Mittwoch auch für die Nord/LB werden sollen.—–