Swiss Life gibt sich ein neues Gesicht
Von Daniel Zulauf, ZürichDie Swiss Life spricht von einem Generationenwechsel, aber man könnte den gestern vom Lebensversicherer aus heiterem Himmel angekündigten Wechsel in der obersten Chefetage auch als den nicht ganz konsequenten Versuch eines Neuanfanges verstehen. 55 Jahre alt wird Bruno Pfister sein, wenn er Ende Juni 2014 sein Chefbüro räumt, um nach sechs Jahren als CEO von Swiss Life “ein neues berufliches Kapital aufzuschlagen”, wie es in der Pressemitteilung heißt. 55 Jahre ist kein Alter, indem die Notwendigkeit eines Generationenwechsels offensichtlich ist.Erklärungsbedürftig ist die Begründung des Chefwechsels auch vor dem Hintergrund, dass der Swiss-Life-Verwaltungsrat von Pfisters Nachfolger, dem 45-jährigen Basler Patrick Frost, offiziell nichts anderes erwartet, als dass er die Arbeit seines Vorgängers fortsetzt. In einer Telefonkonferenz für Finanzanalysten und Investoren war von “Kontinuität” die Rede. Tatsächlich aber lässt sich in der jüngeren Geschichte der Assekuranzgruppe vieles finden – außer Kontinuität. Die letzte große Zäsur liegt erst (und fast auf den Tag genau) ein Jahr zurück. Damals, am Investorentag vom 28. November, musste Pfister das Kapitel AWD endgültig zu Grabe tragen. Die deutsche Vertriebsorganisation, deren Akquisition noch der aktuelle Verwaltungsratspräsident und Pfisters Vorgänger Rolf Dörig zu verantworten hatte, trug dem Konzern zu keiner Zeit auch nur ein Bruchteil des Nutzens ein, den man sich bei der Zahlung des horrenden Kaufpreises von 1,9 Mrd. sfr versprochen hatte. Der Schlussstrich unter das Kapital AWD kostete die Swiss Life im vergangenen Jahr noch einmal die erkleckliche Summe von 576 Mill. sfr als Wertberichtigung auf den Goodwill, weil das Wachstum und die Ertragskraft des AWD meilenweit von den Projektionen abwichen, die Dörig und sein damaliges Team dem seinerzeit bezahlten Preis zugrunde legten. Als Folge sackte der Konzerngewinn von 606 Mill. sfr 2011 auf nur mehr 93 Mill. sfr, so dass das Geld für die Dividende zum Teil aus der Reserve entnommen werden musste.Die teuer eingekaufte Marke AWD ist inzwischen eingedampft. Unter dem Namen Swiss Life Select versucht der Konzern von der Vertriebsorganisation zu retten, was noch zu retten ist. Die Erosion des vom umtriebigen deutschen Selfmade-Unternehmer Carsten Maschmeyer aufgebauten Vertriebsunternehmens ist aber selbst auf dem im Vergleich zu früher stark gedrückten Niveau immer noch nicht ganz zum Stillstand gekommen. Im laufenden Jahr gingen erneut 1,5 % weniger Erträge ein, wie Swiss-Life-Finanzchef Thomas Buess in der erwähnten Telefonkonferenz einräumte. Dem in der Swiss-Life-Bilanz verbliebenen AWD-Goodwill von 765 Mill. sfr liegt seit einem Jahr zwar eine “mit sehr viel Realitätssinn” vorgenommene Wachstumsprojektion zugrunde, wie Buess vor einem Jahr beteuerte. Doch selbst dieses Wachstum im Ausmaß der erwarteten Inflation von 1 bis 2 % im Jahr ist offensichtlich nicht ganz so leicht zu erreichen.Vor diesem Hintergrund ist der Wunsch des Swiss-Life-Verwaltungsrates nach einem Neuanfang mehr als verständlich, zumal auch die Aktionäre gerne mit dieser Vergangenheit abschließen möchten. Zwar legten die Swiss-Life-Aktien gestern gut 5 % auf rund 190 sfr zu, doch der Börsenwert des Konzerns bewegt sich mit aktuell etwa 6 Mrd. sfr immer noch weit unter dem Eigenkapital von 8,8 Mrd. sfr. Diese Differenz bedeutet nichts anderes, als dass die Investoren mit einer weiteren Vernichtung von Aktionärswert in der Zukunft rechnen.Immerhin übernimmt die operative Konzernverantwortung nun ein Mann, der mit der unglücklichen Vergangenheit nichts zu schaffen hat. Im Gegenteil: Patrick Frost, der erst 2006 von der damaligen Winterthur Versicherung (heute Axa) zur Swiss Life gestoßen war, um Martin Senn, den aktuellen Chef von Zurich Insurance in dessen früherer Rolle als Anlagechef zu ersetzen, hat sich mit konstant guten Leistungen für die Beförderung aufgedrängt. Dem mit einem naturwissenschaftlichen, einem juristischen und einem wirtschaftswissenschaftlichen Universitätsabschluss akademisch reich befrachtete Manager war es zuletzt gelungen, das Anlagegeschäft der Swiss Life für institutionelle Drittkunden neu zu beleben. In diesem Bereich hat Swiss Life unlängst auch eine ihrer strategischen Prioritäten gesetzt, um dem Konzern neue Wachstumsmöglichkeiten zu erschließen.So gesehen ist der CEO-Wechsel ein guter Schritt zu einem Neuanfang. Die Vergangenheit zeigt sich bald nur noch in der Person des Verwaltungsratspräsidenten Dörig, der vor zwölf Jahren, zusammen mit Pfister (damals Finanzchef), das Ruder übernommen hatte.